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«Hätten wir keine Negativzinsen, wäre der Franken noch viel stärker»

Sonntag, 31.05.2015

Hätte die Schweiz die Zinsen bei null und damit über dem Euro-Zins, würden mehr Gelder in Franken angelegt, sagt SNB-Präsident Thomas Jordan. Ob die SNB mit den Negativzinsen weiter herunter muss, hängt von der internationalen Entwicklung ab.

Hätte die Schweiz keine Negativzinsen, wäre der Franken noch viel stärker, wie Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in einem Interview gegenüber «Schweiz am Sonntag» erläutert. Der Euro-Zins sei ebenfalls leicht negativ; wäre der Franken-Zins über dem Euro-Zins, würde das als Einladung gesehen, mehr Gelder in Franken anzulegen. Ob dies nun bedeute, dass die SNB mit den Negativzinsen weiter herunter müsse, hänge von der internationalen Entwicklung ab, wie Jordan weiter erklärt. Zurzeit könne man jedoch eher davon ausgehen, dass die Zinsuntergrenze in den USA und in Europa erreicht sei und dass sich die Sätze über die Zeit wieder nach oben bewegten. In den USA spreche man davon, aus der expansiven Politik auszusteigen und die Zinsen wieder zu erhöhen. Auch in der Eurozone rechneten die Marktbeobachter nicht damit, dass die Zinsen weiter sinken würden, wobei es immer Überraschungen geben könne. Mit minus 0.75% sei die SNB bereits recht weit gegangen; sie warte jetzt die Wirkung ab.

Pensionskassen leiden nur bedingt unter dem Negativzins

Mit dem Negativzins zwingt die Nationalbank die Pensionskassen dazu, ihre Investitionen zu überdenken. Jordan relativiert die effektive Auswirkung des Negativzinses auf die Bankguthaben der Pensionskassen jedoch. Man müsse zwischen der effektiven Wirkung des Negativzinses auf Bankguthaben und den weltweit sehr tiefen Zinsen unterscheiden. Letztlich seien diese das Problem. Er illustriert das anhand eines Beispiels. Darin nimmt er an, eine Pensionskasse habe 10% liquide Mittel und müsse 1% Negativzins zahlen. Die Rendite auf dem Gesamtportfolio betrage zudem 8% und die Pensionskasse lege 10% Liquidität bei einer Bank zu 0% Zins an. So müsse die Pensionskasse wegen der SNB nun 1% Negativzins bei ihrer Bank auf diesen 10% bezahlen. Das bedeute, die Gesamtrendite gehe von 8% auf 7.9% zurück.

Abweichungen können auch für Banken nicht erlaubt werden

Unterschiedlich stark würden indes die Banken unter den Negativzinsen leiden. So seien etwa die Privatbanken besonders davon betroffen. Die Frage nach der Bereitschaft der SNB, auf deren Forderungen einzugehen und die Auswirkungen der Negativzinsen abzumildern, verneint Jordan. Die SNB könne keine Abweichungen erlauben. Wenn sie damit anfange, würden andere ebenfalls auf Ausnahmen pochen. Es brauche also ein Grundkonzept, das ökonomisch und rechtlich wasserdicht sei und entsprechend umgesetzt werden könne. In der konsequenten Ausrichtung des Modells läge ein wesentlicher Teil seiner Wirkung!

Euro-Löhne können keine Lösung sein

Auf die Abhängigkeit vom Euroraum angesprochen, erklärt Jordan, dass der Franken seine Bedeutung sicherlich behalten werde. Er sei auch international eine der wichtigsten Währungen. Betriebskredite, Löhne und Konsumentenpreise würden zudem auch künftig in Franken definiert. Der Franken lasse sich in der Schweiz nicht so schnell verdrängen. Für das Gros der Wirtschaft seien Euro-Löhne kein Thema. Es gebe nicht nur ökonomische, sondern auch juristische Probleme. Bei den Arbeitnehmenden würden die Ausgaben wie Miete, Lebensmittel, Steuern und Krankenkassen ausserdem in Franken anfallen. So glaube er nicht, dass Euro-Löhne eine Lösung sein könnten.

Der Franken dürfte sich über die Zeit abwerten

Laut Jordan ist der Franken signifikant überbewertet. Er geht deshalb davon aus, dass sich der Franken über die Zeit abwertet. Die SNB habe zudem unterstrichen, dass sie bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv werde. Eine konkrete Prognose, ob der Franken gegenüber dem Euro Ende Jahr bei 1.00 oder bei 1.10 liege, stellt Jordan indes nicht.

Bei Hypothekarvergaben ist Aufklärung nötig

Der starke Franken hat gemäss Jordan aber weitere Implikationen: Er bedinge die Negativzinsen, was zugleich bedeute, dass die Hypotheken sehr günstig seien. Ganz wichtig sei daher die Aufklärung: Kreditnehmer, Banken und die Immobilienbranche müssten wissen, dass wenn die Zinsen wieder steigen oder die Immobilienpreise plötzlich sinken, dies von allen Beteiligten bewältigt werden müsse.

Bargeld abzuschaffen macht keinen Sinn

Einzelne Ökonomen plädieren in der Öffentlichkeit für eine Abschaffung des Bargeldes. Ist das sinnvoll? Nicht für Jordan, wie er erklärt. Bargeld werde auch in Zukunft ein wichtiges Zahlungsmittel bleiben. Es gebe überhaupt keinen Grund, das Bargeld abzuschaffen. So sei die SNB gerade daran, eine neue Notenserie zu produzieren, von der voraussichtlich nächstes Jahr die erste Note in Umlauf gebracht werde. Das zeige, dass die Zentralbank auf in Zukunft an das Bargeld glaube.

Die Wirkung der expansiven Geldpolitik nimmt weltweit ab

Wo führt diese sehr expansive Geldpolitik hin; wird es einen geordneten Rückzug geben oder kommt es zur Katastrophe? Jordan wiegelt ab; die Zentralbanken seien in den letzten Jahren in der Tat sehr weit gegangen. Die Geldpolitik habe jedoch geholfen, dass es nach Ausbruch der Finanzkrise nicht zu einer zweiten grosse globalen Depression wie in den 1930er-Jahren gekommen sei. Jetzt würde man aber auch feststellen, dass die Wirkung dieser extrem expansiven Geldpolitik weltweit wieder abnehme. Die Geldpolitik könne nicht alle Probleme lösen, auch dann nicht, wenn man nochmals die doppelte Geldmenge in den Markt werfe. Es seien in vielen Ländern nun auch andere Politiken gefragt, die greifen müssten: die Steuerpolitik etwa, oder Reformen auf den Arbeitsmärkten.

Von Griechenland gehen Risiken aus

Was bedeutet es etwa für die Schweiz, sollte Griechenland zahlungsunfähig werden? Die Risiken, die von Griechenland ausgehen, dürften nicht unterschätzt werden, so Jordan. Das Hauptszenario sei immer noch, dass es eine Lösung gebe. Griechenland müsse sich demnach verpflichten, Strukturreformen durchzuführen und würde im Gegenzug finanzielle Unterstützung erhalten. Doch niemand könne ausschliessen, dass es anders komme. Und dann habe man ein ernsthaftes Problem.

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