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Droht nun doch ein „Grexit“?

Sonntag, 28.06.2015

Die Verhandlungen um das Hilfsprogramm für Griechenland sind gescheitert. Die EZB muss nun entscheiden, ob sie griechische Banken weiter mit Notkrediten versorgen will. Eine fällige Rückzahlung von Griechenland an den IWF ist unwahrscheinlich.

Griechenland müsste am 30. Juni 2015 rund 1,5 Milliarden Euro Schulden an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen, damit sein Anspruch auf weitere Hilfsgelder nicht erlischt. Tatsächlich droht dem Land die Zahlungsunfähigkeit. Ein Austritt aus der Eurozone ist zudem wahrscheinlicher geworden. Seit Wochen räumen griechische Sparer aus Angst, ihr Geld zu verlieren, die Bankkonten leer. Um einen Kollaps des griechischen Finanzsystems zu verhindern, hatte die Europäische Zentralbank (EZB) griechischen Banken in den letzten Wochen Notkredite in Milliardenhöhe gewährt. Dies unter der Annahme, dass sich Griechenland und seine Geldgeber über das weitere Hilfsprogramm noch einig würden.

Die Voraussetzungen für ein weiteres Hilfspaket wurden bisher nicht erfüllt

Die drei zuständigen Institutionen, die EU-Kommission, die EZB und der IWF hatten geplant, das Hilfsprogramm – unter bestimmten Auflagen – um fünf weitere Monate bis Ende November zu verlängern. Hätte Griechenland dem Hilfspaket zugestimmt, wären in dieser Zeit weitere Kredite in Höhe von rund 15,5 Milliarden Euro gewährt worden. Gemäss Berechnungen der Institutionen wäre Griechenlands Finanzierungsbedarf damit, einschliesslich der Ende Juni sowie der im Juli und August anfallenden hohen Rückzahlungsverpflichtungen, gedeckt gewesen. Sowohl die griechische Regierung als auch die Institutionen konnten sich über die Konditionen, die an weitere Hilfsgelder geknüpft waren, jedoch nicht einigen. 

Nach dem ersten Treffen hatte die Eurogruppe (das Gremium der Euro-Finanzminister) in einer Erklärung, die von Griechenland nicht mitgetragen worden war, erklärt, das Hilfsprogramm werde am 30. Juni 2015 definitiv auslaufen. Auch alle anderen mit dem Programm verbundenen Hilfsleistungen würden damit eingestellt. Weitere Treffen der involvierten Parteien sind in der Folge ebenfalls gescheitert. In einer weiteren Erklärung verweisen die Institutionen darauf, dass sie angesichts des Stillstands der Verhandlungen mit Griechenland einen umfassenden Vorschlag für ein Reformpaket als Voraussetzung für die Auszahlung weiterer Hilfsgelder vorgelegt hätten. Die griechischen Behörden hätten diesen Vorschlag jedoch erneut zurückgewiesen und die Verhandlungen über das Programm unilateral abgebrochen.

Das griechische Volk soll über die Konditionen für weitere Hilfen entscheiden

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras schlug dem Parlament in Athen anschliessend vor, über das Paket der Institutionen am 5. Juli – und damit nach Ende des jetzigen Hilfsprogramms – ein Referendum abzuhalten. Gleichzeitig gab seine Regierung eine negative Empfehlung zum Vorschlag der Institutionen ab. Inzwischen hat er seinen Willen bekommen: Das Parlament hat einem Referendum zugestimmt. Damit findet am 5. Juli nun eine Volksabstimmung über das Hilfspaket und die damit geforderten Konzessionen statt.

Ein Grexit ist im Vertragswerk der Eurozone nicht vorgesehen

Die monatelangen Bemühungen um die Fortsetzung des Hilfsprogramms für Griechenland scheinen damit nun gescheitert zu sein. Den Antrag Griechenlands, das bestehende Hilfsprogramm um einen Monat zu verlängern, während dem u.a. das griechische Referendum über ein neues Hilfspaket stattfinden wird, haben die Finanzminister der Eurostaaten abgelehnt. Sie tagten zuletzt ohne Beteiligung des griechischen Finanzministers Janis Varoufakis, um über mögliche Folgen zu beraten. In einer ministeriellen Erklärung verweisen sie auf die Stärke der Eurozone, dank der Reform- und Konsolidierungsmassnahmen, welche nach der Finanzkrise ergriffen worden waren, und auf den Euro-Krisenfonds. Weiter wollen sie alle verfügbaren Instrumente nutzen, um die Integrität und Stabilität der Eurozone zu bewahren. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, sein französischer Amtskollege Pierre Moscovici und der für den Euro zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, betonten indes, Griechenland sei und bleibe Mitglied der Eurozone.

Tatsächlich führen weder das Scheitern der Verhandlungen über das Hilfsprogramm noch eine allfällige Zahlungsunfähigkeit Griechenlands automatisch zu einem Ausscheiden des Landes aus der Eurozone (Grexit). Auch gibt es keine Rechtsgrundlage, um einen Staat aus der Währungsunion auszuschliessen. Den Anstoss dazu müsste wohl Griechenland selbst geben.

Griechenlands Zukunft bleibt ungewiss

Griechenland steht damit vor turbulenten Zeiten. Um die Stabilität des Finanzsystems zu bewahren, werden griechische Behörden die Institutionen des Landes „technisch unterstützen“ müssen, wie Eurozonenvertreter äusserten. Dabei denke man wohl zunächst an Kapitalverkehrskontrollen, um einen Banken-Run zu verhindern, wie Beobachter spekulieren. Diese müssten von Griechenland allerdings erst beschlossen werden. Die EZB wiederum hat vergangenen Samstag angekündigt, dass sich der EZB-Rat «zu gegebener Zeit» mit dem Thema befassen werde. Sie wird entscheiden müssen, ob sie die Notkredite der griechischen Notenbank für die griechischen Banken trotz der neuen Lage weiter zulassen will.

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