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Die Europäische Zentralbank schnürt ein weitere Massnahmenpaket

Freitag, 06.06.2014

Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins für den Euro-Währungsraum auf ein neues historisches Tief. Er soll während längerer Zeit so tief bleiben. Der Einlagensatz, zu dem Banken Geld bei der EZB parkieren können, wird negativ.

Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt den Leitzins für die Eurozone von 0,25% auf 0,15%. Zu diesem Zins können sich Geschäftsbanken bei ihr Geld ausleihen. Den Zins für kurzfristige Ausleihungen reduziert sie von 0,75% auf 0,40%. Weiter senkt die EZB den Einlagensatz, zu dem Banken ihr Geld bei der EZB kurzfristig parkieren können, von bisher 0% auf -0,10%. Mit diesem historischen Schritt will die EZB die Geschäftsbanken anregen, ihr Geld in Form von Krediten an die Wirtschaft weiterzugeben, statt es zu horten. Gleichzeitig sichert die EZB den Banken noch bis Ende 2016 eine unbegrenzte Liquiditätsversorgung zu, wenngleich EZB-Präsident Mario Draghi signalisierte, dass weitere Zinssenkungen unwahrscheinlich seien.

EZB stellt Massnahmenbaket in Aussicht

Wie EZB-Präsident Mario Draghi weiter ankündigte, bereitet die EZB ein Programm vor, um Asset-backed Securities (ABS) anzukaufen. Diese sogenannten forderungsbesicherten Wertpapiere sind Bündel aus einer Vielzahl von Krediten, die zu Wertpapieren zusammengefasst und an Investoren verkauft werden. Der Beschluss folgt auf eine gemeinsame Initiative der EZB und der Bank of England hin.

Ökonomen der Credit Suisse äussern sich vorsichtig dazu. Ihnen zufolge hat sich die EZB «weiterhin recht vage» über potenzielle ABS-Ankäufe geäussert. Sie habe lediglich kommentiert, dass man die Bemühungen verstärken werde, ein solches Programm zu ermöglichen. Laut Credit Suisse erfordere dies sicherlich noch einiges an Arbeit und sollte ein solches Programm kommen, könne dessen Umfang vergleichsweise klein ausfallen.

Bankenstresstest Ende Oktober soll mehr Aufschluss geben

Ein weiteres Programm zur quantitativen Lockerung bleibe laut EZB eine Option, sollte die Inflation weiterhin enttäuschen. Die Credit Suisse geht davon aus, dass die Chancen auf die Einführung eines solchen Programms nach wie vor recht hoch sind. Alles in allem solle man aber nicht mit einem schnellen Makroeffekt der neuen Massnahmen auf die Kreditvergabeaktivität rechnen, da Banken in der Eurozone noch die Ergebnisse der Prüfung der Aktiva-Qualität (AQR, Asset Quality Review) und des Stresstests Ende Oktober 2014 abwarten müssten.

Dennoch seien die Massnahmen ein wichtiger Schritt, um die Fragmentierung des Eurozone-Bankensystems zu verringern und damit mittelfristig die Kreditvergabeaktivität anzukurbeln.

Massnahmenpaket beruhigt die Märkte

Mit diesem Massnahmenpaket, womit die Inflationsrate in der Eurozone wieder näher an die 2%-Marke gerückt werden soll, was gemäss EZB Preisstabilität bedeutet, hat die Europäische Notenbank die Markterwartungen weitgehend erfüllt. «Im Hinblick auf Liquiditätsmassnahmen wird die EZB die Sterilisation früherer Staatsanleihenkäufe aussetzen, wodurch die Liquidität um rund 160 Milliarden Euro gestärkt wird», so die Credit Suisse weiter.

Ein Liquiditätsprogramm für die Kreditvergaben an den Privatsektor (das sogenannte TLTRO) soll bis Ende 2014 weitere 400 Milliarden Euro bereitstellen, und damit den anstehenden Ablauf der noch umlaufenden dreijährigen LTROs im Grossen und Ganzen kompensieren. Zusätzliche TLTROs auf Grundlage neuer Nettokreditvergaben (ohne Eigenheimkäufe) werden vierteljährlich zwischen März 2015 und September 2016 folgen. Der Zinssatz auf diese TLTROs wird bei rund 0,25% liegen. Alle TLTROs werden im September 2018 ablaufen.

Zinsen bleiben noch längere Zeit tief

Wirtschaftsverbände und Politik reagieren gemischt auf die EZB-Strategie. Einige sehen darin etwa den verzweifelten Versuch, mit noch billigerem Geld und Strafzinsen auf Einlagen die Kapitalströme nach Südeuropa umzuleiten und dort die Wirtschaft anzukurbeln, äusserte etwa das deutsche ifo-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München. Die Kosten dafür zahlen vor allem jene Marktteilnehmer, die Geld langfristig anlegen wollen, wozu auch Lebensversicherer und Pensionskassen zählen.

SNB ist an EZB-Kurs gebunden

Kritisch äusserte sich der UBS-Wirtschaftsexperte Caesar Lack bereits  vergangenen Herbst zu möglichen Auswirkungen von Negativ-Einlagenzinsen der EZB: Würde die SNB nicht folgen, könne sie womöglich die Untergrenze des Frankens zum Euro nicht mehr verteidigen. Überhaupt seien negative Einlagenzinsen der EZB für die Schweiz gravierender als für Europa. Denn in der Schweiz würde der Negativzins über 300 Milliarden Franken an Giroguthaben der Banken bei der SNB betreffen – über 50% des Bruttoinlandprodukts, so der Experte.

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