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Die Credit Suisse rechnet für 2016 nur mit 1% Wirtschaftswachstum

Dienstag, 14.06.2016

Die Schweizer Wirtschaft hinkt laut den Ökonomen der Credit Suisse hinterher. Sie leidet nach wie vor unter der Frankenaufwertung und ist von Kostendruck und Effizienzsteigerungen geprägt. Das engt den Spielraum für Investitionen ein.

Die Ökonomen der Credit Suisse belassen ihre diesjährige Wachstumsprognose für die Schweizer Wirtschaft unverändert bei 1%. Die Exportwirtschaft hat die Talsohle ihrer Meinung nach zwar durchschritten. Die Binnenwirtschaft ist jedoch weiterhin mit der «Verdauung» der Auswirkungen der Frankenaufwertung beschäftigt: Kostendruck und Effizienzsteigerungen prägen das Jahr 2016. Die Kosten der Frankenaufwertung sind bisher vor allem durch die Unternehmen getragen worden. Eine rasche Überwälzung auf die Arbeitnehmenden ist gemäss den CS-Ökonomen nicht realistisch. Das engt den Spielraum für Investitionen ein, wie in der aktuellen Ausgabe des «Monitor Schweiz» nachzulesen ist.

Frankenaufwertung hat schätzungsweise 13 Milliarden Franken gekostet

Wieviel die Frankenstärke die Schweizer Wirtschaft bisher wirtschaftlich «gekostet hat», zeigt eine Simulation der Ökonomen der Credit Suisse: Unter Annahme, dass der Euro-Franken-Wechselkurs bei 1.20 verharrt hätte und dem tatsächlich beobachteten Wirtschaftswachstum in der Eurozone, wäre die Schweizer Wirtschaft zwischen dem 1. Quartal 2015 und dem 1. Quartal 2016 um geschätzte 2.3% gewachsen. Dieses Wachstum wäre damit deutlich höher gewesen als die vom Staatsekretariat für Wirtschaft Seco tatsächlich ausgewiesenen 0.7%. Die Aufwertung des Frankens hat somit umgerechnet mehr als 13 Milliarden Franken an Bruttoinlandprodukt (BIP) gekostet – Geld, das heute allem voran in den Kassen der Unternehmen fehlt.

Unternehmensgewinne befinden sich auf Tiefstständen

Die in der Schweiz erwirtschafteten Unternehmensgewinne befinden sich auf Tiefstständen, wie eine vertiefte Analyse der Seco-Statistik zum BIP durch die Ökonomen der Credit Suisse zeigt. Die Unternehmensgewinne bzw. die «Nettobetriebsüberschüsse», die in der Schweiz erwirtschaftet werden, sind derzeit so tief wie zuletzt vor zehn Jahren und rund einen Viertel unter dem Stand von Anfang 2008. Weder beim Arbeitnehmerentgelt noch bei den Abschreibungen ist ein ähnlicher Trendbruch festzustellen. Die gesamte Lohnsumme in der Wirtschaft ist im selben Zeitraum beständig um rund 2% pro Jahr gewachsen, die Abschreibungen haben durchschnittlich um jährlich 1.4% zugenommen.

Spielraum für Investitionen ist sehr eng

Die Unternehmensgewinne spielen für Ausrüstungsinvestitionen eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu Bauinvestitionen werden diese vor allem mittels Cashflows finanziert. Dies bestätigen unter anderem zwei Umfragen der Credit Suisse. Die rekordtiefen Unternehmensgewinne geben somit einen engen Spielraum für Investitionen vor.

Lohnsumme müsste deutlich sinken

Angesichts des schwachen Wirtschaftswachstum und des gegebenen Abschreibungsbedarfes auf dem grossen Kapitalstock würden die Unternehmensgewinne nur steigen, wenn die Lohnsumme deutlich sänke. Dies wäre aber nur mit einem Stellenabbau oder Lohnsenkungen zu erreichen, die ihrerseits die Gesamtnachfrage schwächen würden.

Auftragsbücher sind gut gefüllt – Gewinnmargen sinken aber

Der Entscheid vieler Unternehmen, Gewinnmarge herzugeben und dafür die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, hat hingegen dazu geführt, dass die Auftragsbücher verhältnismässig gut gefüllt sind. So hat die Schweiz in den ersten drei Monaten eines Jahres beispielsweise volumenmässig noch nie so viele Güter exportiert wie 2016 und die Auftragsbestandskomponente des vielbeachteten Einkaufsmangerindex "PMI "deutet seit Februar dieses Jahres wieder auf dickere Auftragsbücher hin.

Arbeitslosenquote sollte nicht weiter steigen

Das Beschäftigungswachstum dürfte sich gemäss Prognosen der CS-Ökonomen zwar im weiteren Jahresverlauf tatsächlich verlangsamen, zumal zunehmend auch Binnenbranchen unter Kostendruck geraten. Dank der Trendwende im Exportsektor sollte es dennoch positiv bleiben, hoffen die Ökonomen. Sie gehen entsprechend davon aus, dass die Arbeitslosenquote nicht weiter steigen wird.

Konsumwachstum dürfte verhalten bleiben – Zuwanderung verliert an Schwung

Das Risiko einer verbreiteten «Konsumaskese» aus Sorge um den Arbeitsplatzverlust scheint gemäss CS damit gebannt. Das Konsumwachstum dürfte aber dennoch verhalten bleiben, verharrt die Konsumentenstimmung doch unter dem langfristigen Durchschnitt. 

Der Hauptwachstumstreiber des privaten Konsums – das Bevölkerungswachstum bzw. die Zuwanderung – verliert zudem an Schwung. Laut CS wandert 2016 insgesamt aber immer noch – bildlich gesprochen – eine Stadt Lugano in die Schweiz ein.

Aufgeschobene Liberalisierung im Strommarkt schützt Staatsfinanzen

Die Schweizer Stromproduzenten und ihre öffentlichen Eigner stehen als Folge der europäischen «Stromschwemme» unter grossem finanziellem Druck, wie die CS-Ökonomen aufzeigen. Die auf Grundversorgung fokussierten Unternehmen geniessen dank der vertagten Liberalisierung derzeit noch einen gewissen Schutz. Umgekehrt bezahlen die Konsumenten höhere Preise als in einem liberalisierten Markt.

Die CS-Ökonomen haben berechnet, um wieviel die Ausgaben der Schweizer Endverbraucher sinken würden, wäre der Markt voll anstatt nur teilweise liberalisiert. Unter der Annahme, dass der Stromkonsum weitgehend unverändert bleibt und dass alle Kunden in den freien Markt wechseln (müssen), würden für die Konsumenten pro Jahr Minderausgaben von über 1 Milliarde Franken oder 38% resultieren. Erst bei einem doppelt so hohen Marktpreis wie heute wären die Ausgaben in der liberalisierten Situation gleich hoch wie im teilliberalisierten Markt. Der Aufschub der Liberalisierung entlastet somit vor allem die Staatsfinanzen. Die Konsumenten hingegen bezahlen derzeit rund eine Milliarde Franken pro Jahr zu viel an Stromkosten.

Wird der zweite Schritt der Strommarktliberalisierung also tatsächlich vollzogen und steigen die europäischen Strompreise bis dahin nicht, werden die Stromproduzenten und ihre öffentlichen Eigner deutlichere Einbussen erleiden. Diese müsste im Urteil der CS-Ökonomen mit direkten finanzpolitischen Massnahmen angegangen werden.

Die Kantonsfinanzen haben sich vorübergehend aufgehellt

Ein steigender Teil des Finanzvermögens der Schweizer Haushalte wird in Franken auf Bankkonten gehalten. Es deutet nichts darauf hin, dass bald wieder vermehrt im Ausland investiert wird. Damit sich der Schweizer Franken nicht noch stärker aufwertet, dürfte die Schweizerische Nationalbank (SNB) also weiterhin die mangelnden Kapitalabflüsse absorbieren müssen.

Die doppelte Gewinnausschüttung der SNB bewahrte die meisten Kantone im vergangenen Jahr vor einem Defizit. In den kommenden Jahren dürften laut CS-Ökonomen jedoch wieder rote Zahlen dominieren.

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