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«Die berufliche Vorsorge blutet zusehends aus»

Dienstag, 10.04.2018

Die AXA bietet künftig keine Vollversicherungslösungen im BVG mehr an. Die Arbeitgeber sehen darin die Folge einer zögerlichen Politik, welche die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft nicht entschlossen genug angehe.

Die AXA als bisher zweitgrösste Anbieterin von Vollversicherungslösungen im BVG hat ihren Ausstieg aus diesem Geschäft bekannt gegeben. Sie will künftig nur noch teilautonome Lösungen anbieten. Für Experten komme dieser Schritt nicht wirklich überraschend, kommentiert der Schweizerische Arbeitgeberverband SAV. Sie sehen darin die Folge der anhaltenden Versicherungsschelte der Gewerkschaften sowie der zögerlichen Politik, welche in der Altersvorsorge die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft nicht entschlossen genug angehe. Die Leidtragenden des sinkenden Wettbewerbs in der beruflichen Vorsorge seien letztlich unzählige Schweizer KMU und ihre Mitarbeitenden, welche weniger Versicherungsoptionen in Kauf nehmen und deswegen das Anlagerisiko zunehmend selber tragen müssten.

Vollversicherung garantiert Leistungen auch in Krisenzeiten

Der SAV führt an, dass rund 99% der Schweizer Arbeitgeber weniger als 250 Mitarbeitende beschäftigen würden. Sie seien in aller Regel nicht in der Lage, eine eigene autonome Pensionskasse zu führen. Insbesondere KMU in Branchen mit geringeren Margen, die sich nur eine BVG-Lösung ohne zusätzliche überobligatorische Versicherung leisten könnten, hätten sich bisher häufig für eine Vollversicherungslösung entschieden. Dieses Modell garantiere die Leistungen auch in Krisenzeiten. So seien während der Finanzkrise die Leistungen der Versicherten unangetastet geblieben, derweil die Versicherungsgesellschaften die hohen Anlageverluste mit ihren Reserven hätten decken müssen. 

Teilautonome Sammeleinrichtungen unterstehen lediglich der BVG-Aufsicht

Um diese Sicherheit gewährleisten zu können, würden die Versicherungsgesellschaften im BVG-Geschäft deutlich strengeren Auflagen der FINMA unterliegen als teilautonome Sammeleinrichtungen, die lediglich der BVG-Aufsicht unterstünden, wie der SAV erklärt. Diese Regulierung sei zwar durchaus im Interesse der Versicherten, führe aber im Wettbewerb immer mehr zu einer Benachteiligung der Versicherungsgesellschaften gegenüber teilautonomen Sammeleinrichtungen. Für KMU sei es deshalb bereits in den vergangenen Monaten immer schwieriger geworden, überhaupt noch eine Offerte für eine Vollversicherungslösung zu erhalten.

Der Ausstieg der AXA aus diesem Geschäft ist für den SAV somit nicht nur die logische Konsequenz, sondern er sieht ihn auch als unausweichlich. Für die Vielfalt der beruflichen Vorsorge und besonders für die gewerbliche Wirtschaft mit ihren Mitarbeitenden sei das jedoch eine schlechte Nachricht.

Gewerkschaften tragen Mitschuld am Ausstieg des Versicherers

Für den SAV ist es nun höchste Zeit, dass die Gewerkschaften die Interessen ihrer Mitglieder in der Altersvorsorge wirklich vertreten. Denn sie sind in den Augen des SAV nicht unschuldig am Ausstieg des zweitgrössten Anbieters von Vollversicherungen. Sie hätten mit ihrem andauernden «bashing» der Versicherungsbranche und dem Vorwurf angeblich zu hoher Gewinneinbehaltung das Umfeld vergiftet. Der wachsende Scherbenhaufen liege definitiv nicht im Interesse der Arbeitnehmer.

Politik ist gefordert

Besonders die Politik müsse den Tatsachen in der Altersvorsorge endlich ins Auge sehen, fordert der SAV. Leider erachte auch sie es als unpopulär, die Herausforderung der alternden Gesellschaft und der tiefen Zinsen in der Altersvorsorge entschlossen anzugehen. Stattdessen lasse sie den Bundesrat zusätzlich zu den bereits rigiden Vorgaben regelmässig einen politisch festgesetzten überhöhten Mindestzins beschliessen und schiebe das Problem des zu hohen Mindestumwandlungssatzes vor sich her. Zwar wäre letzterer mit der gescheiterten Reform Altersvorsorge 2020 gesenkt worden, jedoch nicht ohne die Versicherer gleichzeitig mit neuen Auflagen zu knebeln.

Finanzielle Nachhaltigkeit der beruflichen Vorsorge steht in Frage

Offen ist für den SAV, wie es im Kampf der Sammeleinrichtungen um Marktanteile letztlich um die finanzielle Nachhaltigkeit der beruflichen Vorsorge bestellt sei. Es werde immer deutlicher, dass das «verpolitisierte» BVG nicht zukunftsfähig sei. Der Stiftungsrat einer Vorsorgeeinrichtung trage zwar eine hohe persönliche Verantwortung. Gleichzeitig würden ihm für seine Führung aber wichtige Kompetenzen wie die adäquate Festlegung von Mindestumwandlungssatz und Mindestzins fehlen.

Liechtenstein ist leuchtendes Beispiel 

Nötig wäre ein austariertes System von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung, fordert der SAV weiter. Dass es auch anders gehe, beweise Liechtenstein: Im Fürstentum sei der Stiftungsrat ohne politisch festgelegten Mindestumwandlungs- und Mindestzinssatz in der Lage, seinen Leistungsauftrag im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgewogen und verantwortungsvoll wahrzunehmen – und dies mit Erfolg.

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