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«Die Altersvorsorge ist finanzierbar»

Montag, 31.08.2015

Es gibt drei Möglichkeiten um die Altersrenten zu sichern, sagt der ehemalige Schweizer Preisüberwacher Rudolf Strahm. Den Vorzug gibt er allerdings nur einer Möglichkeit, welche die gesamte Bevölkerung gleich stark belasten würde.

Die Alterung der Bevölkerung muss finanziert werden können. Tatsache ist, dass zusehends mehr ältere Menschen immer weniger Beitragszahlenden der Aktivgeneration gegenüberstehen. Würde nicht das 1999 eingeführte Mehrwertsteuerprozent in die AHV-Kasse zur Finanzierung der Alterung fliessen, wäre das Sozialwerk längst defizitär, schreibt der Schweizer Ökonom, ehemalige Preisüberwacher und Politiker (SP) in seiner Kolumne im «Tages-Anzeiger».

Er sieht zur Sicherung der zukünftigen Altersvorsorge drei Möglichkeiten: Das Rentenalter auf 67 Jahre für alle zu erhöhen, die AHV-Renten zu senken oder sie durch die Mehrwertsteuer zusätzlich zu finanzieren.

Ständerätlicher Vorschlag wäre ein guter Kompromiss

Die bürgerlich dominierte Ständeratskommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) habe kürzlich einen Kompromissvorschlag vorgestellt, der eine salomonische Lösung bringen und den früheren Volksentscheiden Rechnung tragen würde: Das Rentenalter für Frauen solle von 64 auf 65 Jahre angehoben und den Männern damit angeglichen werden, was zeitgemäss sei; das AHV-Alter solle indes für alle bei 65 Jahren bleiben. Die Rentenleistungen der AHV sollten zudem nicht gekürzt werden, aber ein zweites zweckgebundenes Mehrwertsteuerprozent solle bis etwa 2030 die demografische Alterung finanzieren. Bei der zweiten Säule sollten gemäss der Forderung der Pensionskassen der Umwandlungssatz, also auch deren zukünftige Rentenleistung gesenkt, dafür aber die AHV-Renten um 70 Franken pro Monat leicht erhöht werden. Dieser ständerätliche Vorschlag würde weitherum als fairer Kompromiss akzeptiert.

Rentenalter 67 ist realitätsfremd

Gemäss Rudolf Strahm ist eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre politisch heute chancenlos, mehr denn je, angesichts der frühen Ausgliederung der Älteren aus dem Arbeitsprozess. Trotz aller Appelle und Schönredens der Arbeitgeberverbandsmanager stagniere das durchschnittliche Rentenalter der Männer bei effektiv 63,5 (statt 65) Jahren und der Frauen bei effektiv 63 (statt 64) Jahren. Seit Jahren gebe es ständig rund 30% Frühpensionierungen. Mit der freien Personalrekrutierung im Ausland würden hier 6000 Arbeitnehmende schon mit 55 und danach 6000 aus jedem weiteren Jahrgang zusätzlich aus dem Arbeitsprozess verdrängt.

Rentenkürzung ist chancenlos

Eine Rentenkürzung erachtet er angesichts von anderthalb Millionen Stimmberechtigen im Rentenalter heute ebenso als chancenlos wie bereits 2003 bei der versenkten elften AHV-Revision und wie 2010 bei der Senkung des Umwandlungssatzes der Pensionskassen. Diese Senkung werde nach Umfragen in der heutigen Vorlage immer noch abgelehnt, zumal nach aktueller Erhebung 3,7 Milliarden Franken pro Jahr in der Vermögensverwaltung der Pensionskassenkapitalien und weitere 0,9 Milliarden Franken in der eigenen Kassenverwaltung versickern würden.

Am realistischsten ist ein zusätzliches Mehrwertsteuerprozent

So verbleibe realistischerweise das zusätzliche Mehrwertsteuerprozent, das Bundesrat und Ständeräte für die AHV zur Langfristfinanzierung der Alterung vorschlagen würden. Die Mehrwertsteuer sei nicht beliebt, aber sie sei nicht ungerecht, wie Rudolf Strahm findet: Im Gegensatz zu den Lohnprozenten der Aktivgeneration würden auch Rentner und Kapitalbesitzer im Ausmass ihres Konsumniveaus bezahlen.

Alterung ist finanzierbar

Ein Wocheneinkauf von 100 Franken bei Migros oder Coop würde durch das vorgesehene AHV-Mehrwertsteuerprozent um 60 bis 80 Rappen verteuert, rechnet Rudolf Strahm vor. Das sei doch tragbar. Bekanntlich seien alle Nahrungsmittel, Medikamente und Bücher mit einem tieferen Sondersatz von nur 2.5% statt 8% belastet; und Wohnungsmieten, Krankenkassen- und Versicherungsprämien seien gänzlich mehrwertsteuerbefreit.

Da werde behauptet, diese 2,5 Milliarden Franken jährlich aus dem vorgesehenen Mehrwertsteuerprozent «entzögen der Wirtschaft das Geld». Das sei dumm und inkompetent. Denn erstens könne die Wirtschaft die Mehrwertsteuer voll auf den Endverkaufspreis zulasten der Konsumenten überwälzen. Zweitens bleibe dieses Geld im Wirtschaftskreislauf, denn jeder AHV-Beitrags-Franken werde als Rentenfranken wieder zum Kaufkraftfranken.

Versteckte Interessen prägen die Ausrichtung der Alterssicherung

Die Ausrichtung der Alterssicherung sei durch viele versteckte Interessen und viel Ideologie geprägt, ist Rudolf Strahm überzeugt. Diese würden auch die spätere Volksabstimmung belasten. Doch die Altersvorsorge sei finanzierbar und gesichert. Die Ständeräte hätten jenseits solcher Störmanöver einen zukunftsfähigen helvetischen Kompromiss erzielt.

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