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Der Sieg von Donald Trump in den US-Präsidentschaftswahlen hat auch Auswirkungen auf die Schweiz

Mittwoch, 09.11.2016

Entgegen den meisten Meinungsumfragen und Markterwartungen ist Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt worden. Das KOF schätzt die auf längere Sicht protektionistischen Tendenzen auch für die Schweizer Wirtschaft als relevant ein.

Der Kern des Wahlprogramms von Donald Trump ist die Senkung von Einkommens- und Unternehmenssteuersätzen, was zu erheblichen Mindereinnahmen des Staates führen wird. Die Gegenfinanzierung soll hauptsächlich durch die Reduktion von Staatsausgaben und ein starkes Wirtschaftswachstum erfolgen, wobei die unterstellten ökonomischen Projektionen teilweise als unrealistisch einzustufen sind. Als Folge davon muss dieser Fiskalimpuls wohl mehrheitlich schuldenfinanziert werden, wie die Ökonomen der Konjunkturforschungsstelle KOF in einer Einschätzung schreiben.

Freihandelsabkommen sollen neu verhandelt werden

Dieser Umstand und gewisse andere Wahlversprechen dürften selbst in einem republikanisch dominierten Kongress auf heftigen Widerstand stossen, so die KOF. Dazu gehöre auch die Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) mit Kanada und Mexiko sowie der Handelsbeziehungen mit China.

Die Ausweisung von rund 11 Millionen nicht registrierten Immigranten werde kaum umsetzbar sein, auch weil ein derartiger Schock die Binnennachfrage empfindlich treffen und die Lohndynamik unerwünscht anheizen würde. Ebenso dürften die Verhandlungen zu neuen Freihandelsabkommen wie der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) und dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) erschwert werden.

Devisenkurse haben kurzfristig fluktuiert

Aktuell wertete der Dollar gegenüber den wichtigsten Währungen kurzfristig ab, erholte sich dann aber wieder. Der mexikanische Peso hingegen verlor gegenüber dem US-Dollar bis zu 10% an Wert als sich der Wahlsieg Donald Trumps abzeichnete. Dieser hatte sich im Wahlkampf häufig negativ über die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Mexiko geäussert.

Der Schweizer Franken bewegte sich kaum zum Euro. Die Rendite auf 10-jährige amerikanische Staatsanleihen fiel zwischenzeitlich um 14 Basispunkte, als risikoaverse Investoren in sichere Anlagen flüchteten, was jedoch einer vergleichsweise geringen Schwankung entspricht. Ebenso deuteten Terminkontrakte auf amerikanische Leitindizes kurzfristig auf Verwerfungen an den Kapitalmärkten hin, aber die Marktteilnehmer beruhigten sich rasch wieder, wie die KOF schreibt.

US-Konjunktur erweist sich derzeit noch als robust

Die Konjunktur in den Vereinigten Staaten dürfte kaum vom Wahlsieg Donald Trumps beeinträchtigt werden, wie die KOF-Ökonomen annehmen. Demnach dürfte sich die robuste Entwicklung der privaten Konsumausgaben und des Aussenhandels im 3. Quartal 2016 weiter fortsetzen, während von der schwachen Investitionsaktivität, insbesondere im Wohnbau, unter anderem als Folge der unsicheren wirtschaftspolitischen Aussichten keine positiven Impulse zu erwarten seien. Die Tendenz zu protektionistischen Massnahmen und populistischer Wirtschaftspolitik könnten allerdings eine negative Auswirkung auf das Potenzialwachstum in den USA haben.

USA sind nach Deutschland das zweitwichtigste Absatzland für Schweizer Exportgüter

Eine robuste gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den Vereinigten Staaten ist auch für die Schweiz von Bedeutung. Zum einen sind die Vereinigten Staaten ein wichtiges Zugpferd der globalen Konjunktur. Eine konjunkturelle Abkühlung in Übersee hatte in der Vergangenheit meist auch eine Abschwächung der europäischen Konjunktur zur Folge, mit den entsprechenden negativen Effekten auf die Schweiz. Zum anderen sind die Vereinigten Staaten auch direkt ein wichtiger Absatzmarkt.

Gemäss den «Directions of Trade Statistics» des Internationalen Währungsfonds exportierten Schweizer Unternehmen im Jahr 2015 Waren im Wert von mehr als 30 Milliarden US-Dollar über den Atlantik, was einem Anteil von ungefähr 9% an den gesamten Warenexporten entspricht. Damit sind die USA nach Deutschland das zweitwichtigste Absatzland für Exportgüter. Ausserdem wird rund 45% des Schweizer Warenhandelsüberschusses im Handel mit den USA erzielt.

Im Dienstleistungshandel sind die USA der wichtigste Handelspartner

Beim Dienstleistungshandel sind die Vereinigten Staaten sogar der wichtigste Handelspartner der Schweiz: 16% der Dienstleistungsexporte und mehr als 20% der Importe stammen aus den Handelsbeziehungen mit den USA. Dabei handelt es sich zu einem Drittel um Lizenzgebühren, aber auch Geschäftsdienstleistungen und ICT-Dienste spielen im Dienstleistungshandel zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten eine wichtige Rolle. Zudem stellen die Amerikaner rund 9% der ausländischen Logiernächte, womit die USA auch ein wichtiger Absatzmarkt für Tourismusdienstleistungen sind.

Maschinen- und chemische Produkteexporte könnten leiden

Der Grossteil der Schweizer Exporte in die Vereinigten Staaten reagiert allerdings vergleichsweise unelastisch auf konjunkturelle Schwankungen. Gut die Hälfte der Warenexporte in die USA machten in den vergangenen Jahren chemische Produkte aus, insbesondere Medikamente und andere pharmazeutische Erzeugnisse. Diese könnten allenfalls durch die im Wahlkampf angekündigte Überprüfung der Preissetzung von Medikamenten beeinträchtigt werden, warnen die KOF-Ökonomen.

Einen anteilsmässig geringer werdenden, aber mit mehr als 10% nach wie vor sehr wichtigen Bestandteil stellen die breit diversifizierten Maschinenexporte. Weitere wichtige Ausfuhrgüter sind Uhren und medizinische Instrumente mit je etwa 10%. Umgekehrt exportierten die Vereinigten Staaten im Jahr 2015 Waren im Wert von mehr als 22 Milliarden US-Dollar in die Schweiz, was jedoch einem Anteil von lediglich 1-2% des gesamten US-amerikanischen Exportvolumens entspricht. Fast die Hälfte der Importe aus den USA sind Edelmetalle, insbesondere nicht-monetäres Gold, das zur Raffination in die Schweiz kommt.

Exportorientierte Schweizer Volkswirtschaft könnte substantiell beeinträchtigt werden

In Anbetracht der robusten konjunkturellen Dynamik in den Vereinigten Staaten dürfte die Schweizer Exportwirtschaft durch die Wahl Donald Trumps kaum betroffen sein, hoffen die KOF-Ökonomen. Sollten die angekündigten protektionistischen Massnahmen jedoch umgesetzt werden und vielleicht sogar Nachahmer finden, dürfte das die Schweiz als exportorientierte Volkswirtschaft substantiell beeinträchtigen.

So ist es durch diesen Wahlausgang wahrscheinlicher geworden, dass das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und der EU gar nicht oder nur in reduziertem Umfang zustande kommt. Dies dürfte auch für die Schweiz von Bedeutung sein: Eine Studie unter Beteiligung des KOF-Forschers Peter Egger kommt zum Ergebnis, dass ein umfangreiches TTIP-Abkommen für die Schweiz positive gesamtwirtschaftliche Auswirkungen hätte. Und zwar selbst dann, wenn die Schweiz nicht über ein gesondertes Freihandelsabkommen mit der EFTA und den USA an TTIP partizipieren kann.

Zwar würden Schweizer Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten beim Marktzugang zu den USA benachteiligt werden. Dies wird jedoch durch eine grössere globale wirtschaftliche Dynamik aufgrund der Handelsliberalisierung überkompensiert, von der auch die Schweiz profitiert. Dagegen hätte ein reduziertes Abkommen, welches nur Reduktionen der Zölle, aber keinen Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse umfasst, gemäss der Studie negative Auswirkungen auf die Schweiz.

Trump-Regierung steht vor grossen Herausforderungen

Die wichtigste Aufgabe für Donald Trump wird nach Einschätzung der KOF-Ökonomen sein, den sich seit Jahren öffnenden ideologischen Graben zu schliessen. Die politischen Divergenzen finden sich entlang vieler Dimensionen, jedoch besonders ausgeprägt bei Bildungsniveau, Alter, Geschlecht und ethnischer Herkunft. Um die Nachwirkungen des polemischen Wahlkampfs zu begrenzen, muss er für eine mehrheitsfähige und transparente Politik einstehen und das Vertrauen in die politischen Institutionen wiederherstellen.

Auch ökonomische Herausforderungen sind laut KOF-Ökonomen vorhanden. Dem niedrigen Produktivitätswachstum gilt es entgegen seinem Wahlprogramm mit Investitionen in Bildung und Infrastruktur entgegenzutreten. Das Budgetdefizit sollte reduziert werden, um die Schuldentragfähigkeit der öffentlichen Hand im Hinblick auf steigende Zinsen zu gewährleisten. Das komplexe Steuerrecht bedarf einer Überarbeitung, und sowohl bei der Gesundheitsreform als auch bei der Finanzmarktregulierung muss ein Konsens gefunden werden. Nicht zuletzt besteht eine Herausforderung darin, sicherzustellen, dass der wirtschaftliche Aufschwung in den vergangenen Jahren vermehrt auch bei Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen ankommt.

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