Sie befinden sich hier: Startseite » Aktuelle Themen » Artikel

Der Bund korrigiert die Konjunkturprognosen deutlich nach unten

Donnerstag, 19.03.2015

Die Aufwertung des Frankens nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses reduziert nach Ansicht von Experten des Bundes die Aussichten auf Wirtschaftswachstum 2015 und 2016. Sie haben die Konjunkturprognosen nach unten korrigiert.

Nach der Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 Franken pro Euro durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 15. Januar 2015 und der darauf folgenden Aufwertung des Frankens haben sich die Konjunkturindikatoren der Schweiz verschlechtert. Aus heutiger Sicht werde es in der Schweiz wohl zu einer temporären Konjunkturdelle kommen, wie die Expertengruppe des Bundes (Seco) erklärt. Einen schwerwiegenden Abschwung – mit deutlich rückläufiger Wirtschaftstätigkeit und stark steigender Arbeitslosigkeit – erwarten die Experten im aktuellen Umfeld allerdings nicht.

Für die Jahre 2015 und 2016 prognostizieren sie ein Wirtschaftswachstum von +0.9% bzw. +1.8%, bei leichtem Anstieg der Arbeitslosenquote. Obwohl die allgemeine Konjunkturabkühlung moderat ausfalle, seien gewisse Branchen oder einzelne Unternehmen derzeit aber mit grossen Schwierigkeiten hinsichtlich der preislichen Konkurrenzfähigkeit konfrontiert, räumen die Experten ein. Die aufgehellten Konjunkturperspektiven für Europa und der gefestigte Aufschwung in den USA sollten diese negativen Effekte jedoch mildern.

Die Konjunktur in den USA und Europa erholt sich weiter

Tatsächlich beschleunigte sich das Wirtschaftswachstum in den USA im zweiten Halbjahr 2014 deutlich, nach einem negativen ersten Quartal. Die Arbeitslosenquote lag im Februar 2015 mit 5.5% (saisonbereinigt) auf dem tiefsten Wert seit Ausbruch der Finanzkrise. Das Wachstum werde nach 2.4% im Jahr 2014 dieses Jahr wohl auf 3.2% steigen, so die Experten.

Auch im Euroraum setzte sich die wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2014 fort, vor allem dank der stützenden Wirkung des privaten Konsums. Laut Experten mehren sich zudem die Anzeichen für eine leichte Beschleunigung in den kommenden Quartalen. So zeichnet sich für die deutsche Wirtschaft, die Mitte 2014 noch etwas geschwächelt hatte, in den aktuellen Stimmungsindikatoren eine Aufhellung ab.

Aber auch andere Länder, etwa Spanien, könnten mit besseren Aussichten auftrumpfen. In einigen Ländern des Euroraums blieben die Aussichten vor dem Hintergrund schleppender Entschuldungs- und Reformanstrengungen und schwieriger Arbeitsmarktbedingungen allerdings verhalten. Auch die Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung in Griechenland bestehe weiter. Insgesamt jedoch erscheint den Experten für die nächsten beiden Jahre ein etwas stärkeres Wirtschaftswachstum als wahrscheinlich (2015: +1.4%, 2016: +1.7%).

Die Entwicklung der Weltkonjunktur birgt etliche Unsicherheiten

In den übrigen Weltregionen zeichnet sich gemäss den Experten ein uneinheitliches Bild ab. Die japanische Wirtschaft sei im Schlussquartal 2014 wieder gewachsen, nachdem sie nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer im Frühjahr für zwei Quartale in Folge geschrumpft war. Aufgrund der expansiven Geld- und Fiskalpolitik und der tiefen Erdölpreise erwarten die Ökonomen für die nächsten Quartale eine weiterhin moderate Wachstumsdynamik (+0.8% im Jahr 2015). China habe sich im Jahr 2014 zwar als konjunkturell robust erwiesen, doch sei angesichts des erreichten Entwicklungsstands von einem strukturell tieferen Wachstum in der Grössenordnung um 7% auszugehen.

Als dramatisch werten die Experten hingegen die konjunkturelle Lage in Russland. Der starke Rückgang der Erdölpreise, die politischen Unsicherheiten und die verhängten Wirtschaftssanktionen (Ukraine-Krise), würden das Land in eine schwere Rezession führen (Veränderungsrate des BIP zwischen -3% und -3.5%). Auch für Brasilien sehen die Experten die kurzfristigen Wachstumsperspektiven eher verhalten, während sich die Aussichten für Indien aufgehellt hätten.

Der gesunkene Erdölpreis könnte Deflationsrisiken verschärfen

Die seit Mitte 2014 deutlich gesunkenen Erdölpreise wirken sich nach Ansicht der Experten günstig auf die verfügbaren Einkommen und auf die Produktionskosten in den ölimportierenden Ländern aus. Für die Weltkonjunktur resultiere daraus ein stimulierender Effekt. Gleichzeitig wirke sich die Erdölpreisbaisse dämpfend auf die Teuerung aus. Das könne bestehende Deflationsrisiken – die im Euroraum sehr heterogen verteilt seien – allerdings verschärfen, sofern daraus Zweitrundeneffekte auf Preise und Löhne folgten.

Die Inflation soll 2016 leicht ansteigen

Die ausländischen Preise im Konsumentenpreisindex und damit die Konsumentenpreise in der Schweiz seien seit September 2014 rückläufig. Im Januar und Februar 2015 sei der Konsumentenpreisindexes (im Vorjahresvergleich) gar auf -0.5% bzw. -0.8% gefallen. Den Grund für die negative Inflation bzw. die Deflation sehen die Experten vor allem bei den tieferen Preisen für Erdölprodukte. Neben den tiefen Erdölpreisen soll 2015 auch der starke Franken einen deutlichen Einfluss auf die Inflationsentwicklung haben. Dennoch rechnen die Experten ab 2016 wieder mit einer positiven Inflation. Für das Gesamtjahr 2015 prognostizieren sie einen Rückgang der Konsumentenpreise um -1.0%, für 2016 jedoch einen Anstieg um +0.3%.

Die schweizer Binnennachfrage hat abgenommen

Die Schweizer Wirtschaft habe 2014 etwa 33 000 Arbeitsplätze geschaffen (Vollzeitstellen) und das jährliche Wirtschaftswachstum habe 2.0% betragen, wie die Experten weiter erklären. Seit 2010 sei das Wachstum mehrheitlich durch die Binnennachfrage getrieben worden. 2014 sei dies jedoch nicht mehr der Fall gewesen. Im vergangenen Jahr habe die Handelsbilanz mit Waren und Dienstleistungen zwei Drittel zum Bruttoinlandprodukt-Wachstum von 2.0% beigetragen.

Der Franken hat sich gegenüber dem Euro stark aufgewertet

Nach der Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 Franken pro Euro und der darauf folgenden Aufwertung des Frankens hätten sich die Konjunkturindikatoren der Schweiz verschlechtert. Der reale Wechselkursindex des Frankens (exportgewichtet gegenüber 40 Handelspartnern) sei im Januar 2015 im Vormonatsvergleich um 7.5% gestiegen. Damit habe dieser Index innerhalb eines Monats so stark zu wie nie zuvor zugelegt.

Seither habe der Franken gegenüber dem US-Dollar, dem britischen Pfund oder anderen Währungen ausserhalb der Eurozone zwar wieder etwas an Wert verloren. Die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro sei mit rund 10% bis Mitte März jedoch beachtlich.

Die Wachstumsprognosen wurden deutlich nach unten korrigiert

Dennoch rechnen die Experten aus heutiger Sicht nicht mit einer über mehrere Quartale hinweg rückläufige Wirtschaftstätigkeit mit deutlich steigender Arbeitslosigkeit. Sie haben die Wachstumsprognosen für das BIP zu konstanten Preisen allerdings deutlich nach unten korrigiert. So soll das BIP-Wachstum der Schweizer Wirtschaft 2015 voraussichtlich bei 0.9% (im Dezember 2014 wurden 2.1% prognostiziert) und im Jahr 2016 bei 1.8% (gegenüber 2.4%) liegen.

Investitionen dürften weiter abnehmen

Die Aufhellung der Konjunkturperspektiven im Euroraum sowie die erwartete kontinuierliche Zunahme der Wohnbevölkerung infolge der positiven Netto-Zuwanderung spielen laut Experten eine wichtige konjunkturstützende Rolle und dürften dazu beitragen, die Wachstumsabschwächung zu begrenzen. Während sich die Handelsbilanz 2014 aber noch positiv auf das Wachstum auswirkte, erwarten die Experten für 2015 negative Impulse. Die Bauinvestitionen sollen 2015, unabhängig vom Währungsschock, um 1.5% zurückgehen und 2016 stagnieren. Die Experten hoffen aber, dass die inländische Endnachfrage 2015 und 2016 trotz allem positive Wachstumsimpulse liefern wird.

Es bestehen erhebliche Konjunkturrisiken

Teile der Exportindustrie und der Tourismuswirtschaft leiden gemäss den Experten bereits unter dem hochbewerteten Franken. Alle neuen Aufwertungsschübe des Frankens hätten für diese Sektoren gravierende Folgen.

Die Abschwächung der schweizerischen Wirtschaft könnte durch konjunkturelle Rückschläge vor allem im Euroraum deutlich verstärkt werden. Auch eine schwächere Entwicklung in den Schwellenländern, die in den letzten Jahren für die Schweizer Exporteure eine immer wichtigere Rolle gespielt hätten, würde die Lage in der Schweiz verschlechtern, sind die Experten überzeugt. Allerdings könnten sich diese Faktoren auch positiver als erwartet entwickeln. Bei einer deutlich schwungvolleren Erholung der Eurozone beispielsweise könnten die negativen Effekte des Frankens auf die Wirtschaft teilweise kompensiert werden.

Auch die unsicheren politischen Rahmenbedingungen bergen Risiken

Die unsicheren politischen Rahmenbedingungen (v.a. bezüglich Verhältnis zur EU) bleiben nach Ansicht der Experten ebenfalls ein wesentlicher Risikopol für die Schweizer Wirtschaft. Am Immobilienmarkt hätten sich die Beruhigungstendenzen immerhin fortgesetzt. Entwarnung in Bezug auf mögliche Überhitzungsgefahren könne aber noch keine gegeben werden. Auch die veränderten monetären Bedingungen stellten ein neues Umfeld dar, dessen Folgen vorerst schwierig abzuschätzen seien.

Die Expertengruppe des Bundes für die Konjunkturprognosen publiziert viermal pro Jahr eine Prognose der konjunkturellen Entwicklung in der Schweiz.

Anzeige
 
Twitterdel.icio.usgoogle.comLinkaARENAlive.comMister Wong
Copyright © 2011-2024 vorsorgeexperten.ch. Alle Rechte vorbehalten.