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SGB: Das Rentenalter der Frauen sollte nicht erhöht werden

Montag, 26.08.2019

Die typische Frauenerwerbskarriere ist gekennzeichnet durch Teilzeitarbeit, Erwerbsunterbrüche und niedrige Löhne. Eine genügende Absicherung im Alter basierend auf dem Drei-Säulen-System ist daher oftmals schwierig.

Sechs Jahre vor dem ordentlichen Rentenalter sind noch rund 75.3% der Frauen erwerbstätig oder auf Arbeitssuche. Bis ein Jahr vor Erreichen des AHV-Alters sinkt die Zahl jedoch auf 46.2%. Die Erwerbsquote aller Frauen zwischen 59 und 63 Jahren liegt gemäss der neuesten Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung bei 57%, wie Gabriela Medici, Zentralsekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), anhand von Zahlen und Material in der Studie «Die Erhöhung des Rentenalters und die Rentenabdeckung von Frauen» belegt. 

Rentenalter für Frauen liegt seit 2005 bei 64 Jahren

Das ordentliche Rentenalter bezeichnet das Alter, ab dem Frauen und Männer in der Schweiz die Altersrentenleistungen aus AHV und beruflicher Vorsorge beziehen können, ohne dass diese gekürzt werden. Es liegt in der Schweiz bei 64 Jahren für Frauen und bei 65 Jahren für Männer. Das Rentenalter 64/65 markiert zudem den Übergang vom Arbeitsleben hin zum Ruhestand: Viele Arbeitsverträge enden automatisch mit dem Erreichen des ordentlichen Rentenalters. Das ordentliche Rentenalter ist auch eine wichtige Grösse bei der Koordination mit weiteren Sozialversicherungen, wie etwa der Invaliden- oder der Arbeitslosenversicherung.

Für eine volle AHV-Rente brauchen Frauen 43 und Männer 44 Beitragsjahre

Während das Rentenalter der Männer seit Einführung der AHV 1948 unverändert bei 65 Jahren liegt, wurde das Frauenrentenalter seither mehrmals revidiert. Bei der Einführung der AHV lag das ordentliche Rentenalter für ledige Frauen bei 65, für verheiratete Frauen jedoch faktisch bei 60. Im Rahmen der 4. AHV-Revision (1957) und der 6. AHV-Revision (1964) wurde das Rentenalter für alle Frauen bis auf 62 Jahre gesenkt. In der 10. AHV-Revision wurde es dann schrittweise auf 64 Jahre erhöht. Das Frauenrentenalter 64 gilt seit 2005. Um eine volle AHV-Altersrente zu erreichen, brauchen Frauen 43 und Männer 44 Beitragsjahre.

In der obligatorischen Beruflichen Vorsorge gilt dasselbe Rentenalter wie in der AHV

In der obligatorischen Beruflichen Vorsorge gilt dasselbe Rentenalter wie in der AHV. Das bedeutet, dass Frauen mit 64 Jahren und Männer mit 65 Jahren Anspruch auf die Umwandlung des Altersguthabens in eine Rente mit dem Mindestumwandlungssatz von 6.8% haben.

Pensionskassen können im Reglement abweichende Bestimmungen festlegen

Weil es sich bei den gesetzlichen Bestimmungen im BVG lediglich um Mindestbestimmungen handelt, können die einzelnen Pensionskassen in ihrem Reglement ein abweichendes Rentenalter oder unterschiedliche Umwandlungssätze für Frauen und Männer festlegen. Sie können dies, sofern sie auch überobligatorische Anteile versichern und das BVG- Minimum weiterhin als erfüllt gilt. Einige Vorsorgeeinrichtungen legen daher das reglementarische Rentenalter der Frauen bei 65 fest.

Viele erwerbstätige Frauen würden gerne mehr arbeiten

In der Erwerbsquote der Frauen wird nicht berücksichtigt, dass die meisten älteren erwerbstätigen Frauen nicht (mehr) vollständig in den Arbeitsmarkt integriert sind, sondern Teilzeit arbeiten. Bereits in der Altersgruppe von 40-55 Jahren arbeitet nur jede dritte Frau Vollzeit. In den letzten 10 Jahren vor Erreichen des AHV-Alters geht dieser Anteil auf 30% zurück.

Die tiefen Pensen entsprechen dabei nicht immer den Wünschen und Bedürfnissen der Frauen, die Teilzeit arbeiten. 12% der teilzeiterwerbstätigen Frauen zwischen 55 und 64 Jahren hätten laut Umfragewerten gerne mehr gearbeitet; diese Prozentzahl hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Frauen leiden dabei gemäss Bundesamt für Statistik dreieinhalbmal (!) so oft unter Unterbeschäftigung als Männer.

Für die älteren Arbeitnehmerinnen kommt dies auch dadurch zum Ausdruck, dass 22% der erwerbstätigen Frauen zwischen 55 und 64 Jahren zu weniger als 50% beschäftigt sind, wohingegen es bei den Männern lediglich 5% sind. Schliesslich haben die Frauen in dieser Altersgruppe weiterhin doppelt so häufig wie die Männer mehr als nur eine Arbeitsstelle.

Auch sonst ist die Situation für ältere Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht immer einfach. Entlassungen sind im Alter zwar nicht wahrscheinlicher, die Konsequenzen für die Betroffenen dafür umso dramatischer. Nur wenige Unternehmen geben bei der Rekrutierung den älteren Arbeitsuchenden eine Chance. Mit der Folge, dass der Anteil der langzeitarbeitslosen Frauen über 55 Jahren mit 30% sehr hoch ist, deutlich höher als bei den unter 55-Jährigen, wo er knapp 11% beträgt.

Für den vorzeitigen Erwerbsrücktritt der Frauen gibt es verschiedene Gründe

Dass so viele Frauen im Alter gar nicht oder nur Teilzeit arbeiten, hat neben der Arbeitsmarktsituation auch mit den gelebten Rollenbildern und der gesundheitlichen Verfassung zu tun. Ältere Frauen verlassen den Arbeitsmarkt zum Teil auch, um kranke und pflegebedürftige Angehörige zu pflegen. 23‘000 Frauen zwischen 55 und 63 Jahren betreuen regelmässig kranke, behinderte und/oder ältere Verwandte oder Bekannte. Wenn die Eltern, die Schwiegereltern oder der Partner pflegebedürftig werden, ist es für viele Frauen immer noch selbstverständlich, ihre bezahlte Arbeit zu beenden oder einzuschränken, um unbezahlte Pflege- und Betreuungsarbeit zu übernehmen. Für die (Schwieger-)Töchter und (Ehe-) Partnerinnen handelt es sich um einen Akt der Liebe und der Zuneigung. Sie empfinden es zudem als ihre Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Betreuung und Pflege so lange wie möglich zu Hause im privaten Rahmen stattfinden kann. 

Ein weiterer, nachgeordneter Grund für ihr Engagement sind die hohen Kosten für die professionelle ambulante Pflege und für die stationären Betreuungsangebote. Während der Einkommensverlust durch die Aufgabe der Erwerbsarbeit bzw. durch die Reduktion des Erwerbspensums schnell kalkuliert ist, werden die Konsequenzen für die Absicherung im Alter oft zu wenig mitberücksichtigt.

Unbezahlte Betreuungsaufgaben übernehmen ältere Frauen auch in Form der Betreuung von Enkelkindern. Viele Grossmütter leisten so einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarung von Familie und Arbeit der jüngeren Generation. Jede sechste Frau zwischen 55 und 63 Jahren betreut regelmässig Kinder von Verwandten oder Bekannten. Trotz dem Ausbau der externen Kinderbetreuungsangebote spielt die nicht institutionelle Betreuung, zu der auch die Betreuung durch die Grosseltern gehört, immer noch eine sehr wichtige Rolle. Grossmütter komplettieren das zum Teil unzureichende Angebot an externen Betreuungsmöglichkeiten und können eine grosse Hilfe sein für Eltern mit unregelmässigen Arbeitszeiten oder wenn spontan eine Betreuungslücke gefüllt werden muss, weil z.B. jemand krank geworden ist.

Viele Frauen beenden ihre Erwerbsarbeit auch aus gesundheitlichen Gründen. Körperlich und psychisch belastende Arbeitsbedingungen können auf die Dauer an die Substanz gehen. Auf dem Arbeitsmarkt haben es Frauen schwer, die nicht mehr zu 100% belastbar sind. Die Gesundheit ist ein ungleich verteiltes Gut, und der soziale Status hat nachweislich einen Einfluss auf den Gesundheitszustand.

Manche Frauen erhalten als Überbrückung bis zur Pensionierung eine IV-Rente

Für manche Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, wird die Zeit bis zur Pensionierung mit einer Rente aus der IV überbrückt. 2017 erhielten insgesamt 61‘000 Frauen zwischen 50 und 63 Jahren eine IV-Rente. Allerdings eignet sich als Folge der Revision die IV immer weniger zur Überbrückung bis zur Pensionierung. Mit dramatischen Folgen für die Betroffenen. Sie müssen den Gürtel bis zum Zeitpunkt, zu dem eine Frühpensionierung möglich ist, deutlich enger schnallen. Die Sozialhilfe ist nur in den seltensten Fällen eine Option. Nicht nur wegen den strikten Anspruchsbedingungen (sehr tiefe Vermögensfreibeträge), sondern auch weil die Gemeinden potenzielle Sozialhilfebezügerinnen zur Auszahlung ihrer Freizügigkeitsleistungen in der beruflichen Vorsorge zwingen können.

Frauen erhalten meist keine oder wenig Rente aus der 2. Säule

Eine genügende Absicherung im Alter garantiert das auf drei Säulen basierende Schweizer Altersvorsorgesystem nur, wenn fortwährend und in hinreichendem Umfang Sozialversicherungsbeiträge geleistet wurden. Als Folge haben Frauen heute deutlich tiefere Altersrenten als Männer. Ein Erklärungsansatz ist, dass viele Frauen im Alter nur die Rente aus der AHV haben. Über 36% der pensionierten Frauen zwischen 64 und 69 Jahren verfügten 2015 weder über eine Rente, noch über Kapital aus der beruflichen Vorsorge. Und bei jenen Frauen, die Ansprüche auf Zahlungen aus der beruflichen Vorsorge haben, fallen diese deutlich tiefer aus als bei den pensionierten Männern.

Die Rentenabdeckung der Frauen im System der Alterssicherung der Schweiz unterscheidet sich über alle drei Säulen hinweg betrachtet von derjenigen der Männer. So ist der Anteil der Frauen, die nur eine AHV-Rente beziehen, weit höher als jener Anteil bei den Männern. Die 2. Säule machte im Jahr 2015 bei den Frauen nur knapp 19% des Renteneinkommens aus, während der Anteil bei den Männern bei über 30% lag. Auch beziehen weit weniger Frauen gleichzeitig eine Leistung aus allen drei Säulen der Altersvorsorge.

Die AHV nimmt bei der Altersabsicherung den Frauen den wichtigsten Stellenwert ein

Quasi alle Frauen erhalten eine AHV-Rente. Dank Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, Ehegattensplitting sowie der Rentenformel bewegen sich die Altersrenten der Frauen zudem auf demselben Niveau wie jene der Männer. Die AHV schafft so als einzige Sozialversicherung einen Ausgleich für die ungleiche Verteilung der unbezahlten Pflege- und Betreuungsarbeit zwischen Frauen und Männern.

Für die Rentenhöhe zählen Einkommen, Erwerbsstatus, Erwerbsunterbrüche und Ausbildungsniveau

Das Problem der AHV: Mit den heutigen AHV-Altersrentenansätzen alleine ist die Existenz im Alter teils nicht gesichert. Während in der AHV die Rentenunterschiede behoben wurden, haben Frauen eine nach wie vor bedeutend tiefere Rente aus der 2. Säule als Männer. Der Forschungsbericht zum «Gender Pension Gap» zeigt, dass die bedeutendste Rentenlücke in der beruflichen Vorsorge klafft: So sind die PK-Renten der Frauen über 60% tiefer als bei Männern. Dies wirkt sich auf den gesamten «Gender Pension Gap» aus, der im Jahr 2015 ganze 37% betrug. Um die geschlechtsbezogene Rentenlücke zu reduzieren, bedarf es vor allem besserer Erwerbschancen für Frauen, der Lohngleichheit und günstigeren institutionellen Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Geschlechter. Ausschlaggebend für die Rentenhöhe ist nämlich das mittlere monatliche Einkommen (darin enthalten ist auch der Beschäftigungsgrad), der Erwerbsstatus (die Beschäftigungsquote), die Anzahl und Länge der Erwerbsunterbrüche sowie das Ausbildungsniveau.

Gender Pension Gap verringert sich im Zeitverlauf

Werden die oben beschriebenen Bedingungen erfüllt, dürfte sich der Gender Pension Gap im Zeitverlauf verringern. Neuere Untersuchungen z.B. aus Deutschland weisen darauf hin, dass einerseits die männlichen Erwerbsbiografien vielfältiger geworden sind. Sodass ein Rückgang der Vollzeiterwerbstätigkeit und die Zunahme der Erwerbsunterbrüche zu einer Minderung der geschlechtsspezifischen Rentenungleichheit führen.

Andererseits wirkt sich die steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen und kürzeren Erwerbsunterbrüche positiv auf die Rentenlücke aus (begleitet durch die Einführung des Rentensplittings und der Betreuungsgutschriften). Langfristig dürfte dieser Wandel wohl auch die Betreuungs- und Pflegearbeit und somit die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung verändern.

Allerdings betont die zitierte Studie auch, dass Tendenzen auftreten, bei denen die Reduzierung des Gender Pension Gap auf die sinkenden Altersrenten der Männer zurückzuführen ist.

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