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SAV: Die Kompetenz zur Verzinsung der Altersguthaben sollte den Stiftungsräten überlassen werden

Montag, 26.08.2019

Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands

Für den Arbeitgeberverband ist klar: Der BVG-Mindestzins kann 2020 nicht über 0.5% liegen. Denn die politischen Spannungen nehmen zu, was auf die Konjunktur und die Finanzmärkte drückt. Das Konzept des Mindestzinses ist «nicht zukunftstauglich».

Laut dem Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV) trübt die zunehmende Alterung der Gesellschaft die Aussichten für die Altersvorsorge ein. Die politischen Spannungen weltweit nehmen ausserdem zu, was die nachhaltige Finanzierung von Vorsorgeeinrichtungen seiner Meinung nach gefährdet. Für den SAV ist deshalb klar, dass der Mindestzinssatz in der beruflichen Vorsorge 2020 nicht über 0.5% liefen darf.

Politisch festgelegte Parameter sind nicht mehr sachgerecht

Die AHV und die berufliche Vorsorge (BVG) befinden sich gemäss dem SAV in einer schwierigen Lage, da die garantierten Rentenleistungen aufgrund der demografischen Alterung und der zu tiefen Anlagerenditen an den Finanzmärkten nicht mehr hinreichend finanziert werden können. Dies führt bekanntlich zu einer starken Umverteilung von den aktiven Versicherten hin zu den Rentnern, was für den SAV auf Dauer unhaltbar ist.

Hinzu kommen nicht mehr sachgerechte, politisch festgelegte Parameter. Überfällig ist laut SAV beispielsweise der Schritt zur Stabilisierung von AHV und BVG, die Angleichung des Rentenalters von Frau und Mann. Auch die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes als zentralster Parameter im BVG ist seiner Meinung nach «längst fällig». 

Den nationalen Dachverbänden der Sozialpartner (Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB, Travail.Suisse und SAV) ist es diesen Sommer immerhin gelungen, einen gemeinsamen Reformvorschlag zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes gemäss BVG zu präsentieren, der gleichzeitig das bisherige Leistungsniveau sichert, lobt der SAV.

Arbeitgeber kritisierten die neue Berechnung des Mindestzinses stark

Ein weiterer wichtiger technischer Parameter in der beruflichen Vorsorge ist für die Arbeitgeber der Mindestzins. Er liegt derzeit bei 1.0%. Der Mindestzins hat eine Garantiefunktion, die vom Bundesrat auf Empfehlung der Eidgenössischen BVG-Kommission festgelegt wird und bestimmt, wie das Altersguthaben mindestens verzinst werden muss. Die BVG-Kommission muss sich alle Jahre wieder mit dem Thema befassen und dem Bundesrat eine Empfehlung für das nächste Jahr abgeben.

Wie die Arbeitgeber ausführen, muss die Kommission für ihre Empfehlung von Gesetzeswegen die Rendite marktgängiger Anlagen berücksichtigen, namentlich der Bundesobligationen, der Aktien, der Anleihen und der Immobilien. Zudem hat sie weitere Kriterien in ihre Abwägungen einzubeziehen, darunter die finanzielle Situation der Vorsorgeeinrichtungen, die Teuerung oder die Tragbarkeit des Mindestzinssatzes für die BVG-Minimalkassen und die Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen. Die Kommission orientiert sich dabei an einer Formel, welche die wesentlichen Kriterien berücksichtigt. 

Allerdings sei es der BVG-Kommission bisher nicht gelungen, sich auf eine einzige massgebliche Formel zu verständigen, kritisiert der SAV. Entsprechende Versuche seien wiederholt gescheitert. Nach vielen Jahren konstanter Praxis mit einer Mehrheits- und einer Minderheitsformel habe sich eine Mehrheit der Kommission im letzten Jahr – gegen die Position der Wirtschaft – für eine neue Formel entschieden, welche den Entwicklungen besser Rechnung tragen solle. Die Arbeitgeber kritisierten die neue Berechnung stark, weil sie von Monat zu Monat zu grossen Schwankungen führen könne und die verschiedenen Formen von Vorsorgeeinrichtungen nur ungenügend berücksichtige. Die Kommission habe der Kritik aber wenigstens insofern Rechnung getragen, als sie entschieden habe, die «alte» Mehrheitsformel während mindestens drei Jahren parallel weiter zu führen.

Sämtliche Formeln ergeben für das Jahr 2020 einen Mindestzins von 0.5%

Auffallend sei nun, dass trotz den verschiedenen Gewichtungen der weitgehend identischen Bestandteile der Formeln derzeit alle Ergebnisse praktisch gleich seien, unterstreicht der SAV. Sämtliche Formeln – auch die bis im letzten Jahr als sogenannte «alte Minderheitsformel» verwendete Formel – ergäben für das Jahr 2020 einen Mindestzins von 0.5%.

Laut dem SAV erstaunt das zunächst. Die Schweiz befinde sich allerdings seit Jahren in einem Tiefzinsumfeld, und selbst 10-jährige Bundesobligationen würden aktuell eine Rendite von weniger als -1.0% abwerfen. Darüber hinaus würden sich die Aussichten der Weltwirtschaft zusehends eintrüben. Zwischen den USA und China herrsche ein Handelskrieg, der sich negativ auswirke. Die EU und Grossbritannien würden um eine Lösung für den Brexit ringen. Frankreich und Italien würden sich mit strukturellen Problemen herumschlagen. Und auf die demografische Alterung und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wie auf die Altersvorsorge seien weder im Ausland noch in der Schweiz eine schlüssige Antwort gefunden worden. In diesem Umfeld habe die Kommission keine Argumente, um selbst vom Ergebnis ihrer mehrheitlich vertretenen neuen Formel abzuweichen, findet der SAV.

«Die BVG-Kommission wird also nicht darum herumkommen dem Bundesrat für 2020 einen Mindestzinssatz von 0.5% zu empfehlen. Sonst würde sie an der Realität vorbeizielen und die jetzt schon schwierige Situation weiter akzentuieren, mit der die Welt der beruflichen Vorsorge oder mindestens Teile davon konfrontiert ist,» sagen die Arbeitgeber

Höhe der Verzinsung der Altersguthaben sollen Stiftungsräte bestimmen

Das Konzept des Mindestzinssatzes müsse grundsätzlich überarbeitet werden, fordert der SAV. Dieses Konzept trage den unterschiedlichen Vorsorgetypen und ihren unterschiedlichen Regulierungen nicht genügend Rechnung. Darum sei es nicht mehr zukunftstauglich. «Alles über einen Leisten zu schlagen, ist weder sinnvoll noch notwendig», sagt Martin Kaiser, SAV-Ressortleiter Sozialpolitik und Sozialversicherungen.

Der Mindestzinssatz sei in der Praxis vor allem für eine kleine Zahl von Vorsorgeeinrichtungen wichtig, die ausschliesslich oder überwiegend Vorsorgeleistungen im obligatorischen Bereich anbieten oder die aus anderen Gründen finanziell unter Druck stehen würden. Für den SAV wäre es deshalb logisch, die Kompetenz zur Bestimmung der Höhe der Verzinsung der Altersguthaben in die Hände der paritätisch zusammengesetzten Stiftungsräte zu geben. Denn sie seien am besten in der Lage, die Situation ihrer Vorsorgeeinrichtung richtig einzuschätzen und eine partnerschaftliche Lösung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zu finden, propagiert der SAV.

Gesetzlich geregelter Mindestumwandlungssatz genügt vollauf

Für die Garantie des verfassungsmässigen Leistungsziels genüge der gesetzlich geregelte Mindestumwandlungssatz vollauf, so der SAV. Gestützt auf die langjährigen Erfahrungen seien auch Befürchtungen unberechtigt, wonach möglichst viele Vorsorgeeinrichtungen eine möglichst tiefe Verzinsung beschliessen würden. Es zeige sich klar, dass auch gegenwärtig nur jene Vorsorgeeinrichtungen den Mindestzins anwendeten, die in einer schwierigen Situation seien. Die grosse Mehrheit der Einrichtungen verzinse das Altersguthaben ihrer Versicherten gemäss ihren Möglichkeiten zu einem häufig sogar deutlich höheren Wert, was auch erwünscht sei.

«Die paritätischen obersten Organe haben keinerlei Interesse, ihren Destinatären eine unnötig tiefe Verzinsung zukommen zu lassen. Problematisch ist hingegen, dass der technische Parameter Mindestzins immer mehr verpolitisiert wird. Solange das gesetzliche Konzept nicht angepasst wird, dürfte sich daran nichts ändern», ist der SAV überzeugt.

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