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«Ohne Korrektur des realitätsfremden Umwandlungssatzes gehen Quersubventionierungen zulasten der Aktiven»

Freitag, 29.11.2019

Avenir Suisse relativiert die von Swisscanto errechneten Einbussen bei den Rentenleistungen in den letzten zehn Jahren. Gleichzeitig appelliert die Denkfabrik an die Politik, dringend benötigte Änderungen in der 2. Säule durchzusetzen.

Gemäss der jüngsten Swisscanto-Studie hat ein Arbeitnehmer, wenn er heute einer Pensionskasse beitritt, die keine Massnahmen ergriffen hat, in 40 Jahren eine um 27.9% tiefere Rente in Aussicht als diejenige, die im Rahmen desselben Vorsorgeplans noch vor zehn Jahren ausgeschüttet worden wäre. Bei genauerer Lektüre relativiert sich diese Aussage jedoch, wie Jérôme Cosandey in einem Beitrag relativiert.

Swisscanto zeichnet die Lage überspitzt

Denn in Wahrheit beziehe sich die erwähnte Reduktion von 28% auf die Differenz zwischen dem im Jahr 2009 von den Pensionskassen tatsächlich angewendeten durchschnittlichen Umwandlungssatz von 6.74% – der jedoch im Vergleich zum damaligen technischen Zinssatz zu hoch war – und einem hypothetischen, aber versicherungstechnisch korrekten Satz von 4.86% im Jahr 2018. Swisscanto weise so berechtigterweise auf den tiefgreifenden Strukturwandel hin, der in der Branche stattgefunden habe. Das Unternehmen zeichne die Lage jedoch überspitzt, indem ein vor zehn Jahren praktizierter Satz mit einem theoretischen Wert von heute verglichen werde, schreibt Cosandey weiter.

Höhe der Renten wird nicht nur durch den Umwandlungssatz bestimmt

Das zweite Problem, auf das Cosandey verweist, ist der Umstand, dass der Umwandlungssatz alleine noch nicht die Höhe der Renten ausmache. Die Rente ergebe sich aus dem Vorsorgekapital, multipliziert mit dem Umwandlungssatz. Gehe eine Senkung mit der Erhöhung des Altersguthabens einher, so könne das Niveau der Renten gehalten werden.

Ersatzquoten sinken aber tatsächlich

Mit anderen Worten, die Umwandlungssätze würden zwar stetig sinken, die Ersatzquoten – also das Verhältnis zwischen Rente und letztem Lohneinkommen – hätten sich zwischen 2009 und 2013 aber konstant um 80% herum bewegt. Seither finde allerdings wie von Swisscanto beschrieben eine Verschiebung nach unten statt.

So habe die Ersatzquote durch AHV und 2. Säule 2018 bei «nur» noch 69% gelegen. Die Gänsefüsschen sind insofern wichtig, als man hier das halbvolle Glas sehen müsse. Denn obwohl die Lebenserwartung seit 2009 um fast ein Jahr gestiegen sei, könne das Schweizer Vorsorgesystem seine Verpflichtungen weiterhin erfüllen. Eine Ersatzquote von 69% liege nämlich immer noch deutlich über dem ursprünglichen Ziel von 60%, das bei der Einführung der beruflichen Vorsorge im Jahr 1985 definiert worden sei, betont Cosandey.

Swisscanto-Studie sagt nichts über die reale Entwicklung der einzelnen Renten aus

Die obenerwähnten Ersatzquoten basierten auf der Annahme, dass ein Arbeitnehmer über seine ganze berufliche Laufbahn hinweg 80’000 Franken verdiene. Davon ausgehend würden dann für die teilnehmenden Pensionskassen die momentan entsprechenden reglementarischen Renten berechnet.

Die Studie ermögliche also «bloss» einen Vergleich von Reglementen, was schon eine bemerkenswerte Leistung sei. Sie sage jedoch nichts aus über die reale Entwicklung der einzelnen Renten. Tatsächlich könne ein Versicherter im Laufe seiner Karriere von einer grosszügigen Kasse zu einer BVG-Minimalkasse wechseln und umgekehrt. Die Auswirkungen einer Scheidung, eines Unterbruchs zwecks beruflicher Umschulung oder eines reduzierten Beschäftigungsgrads würden nicht berücksichtigt. Gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen seien die Durchschnittsrenten in der 2. Säule bis 2007 gestiegen und würden seither leicht sinken, um jährlich 0.5%.

Noch hält das Kapitaldeckungsverfahren in der 2. Säule stand

Das Kapitaldeckungsverfahren der 2. Säule befinde sich also tatsächlich unter Druck, gesteht Cosandey ein, halte diesem Druck momentan aber noch Stand, dank den von den umhüllenden Pensionskassen getroffenen Massnahmen. Solange die Vorsorgeguthaben nach Abzug der Teuerungs- und Verwaltungskosten noch positiv rentierten, habe es also durchaus seine Daseinsberechtigung, wenigstens für die Dauer des Sparprozesses.

Probleme beginnen bei der Verrentung

Solange die Politik den realitätsfremden Umwandlungssatz nicht korrigiere, würden die Quersubventionierungen zulasten der Aktiven die Rendite auf deren Guthaben belasten und so ihre Rentenerwartungen schmälern, warnt Cosandey. Ironischerweise gelte gerade die Sicherung dieser Renten oft als Vorwand für die politische Weigerung, die Umwandlungssätze korrekt anzusetzen.

Politik muss Änderungen durchsetzen

Zudem werde der wachsende Anteil an Teilzeitarbeitenden bei den Frauen, aber immer mehr auch bei den Männern, den Graben zwischen der aufgrund eines Vollzeiteinkommens errechneten Rente und den individuellen Gegebenheiten einer zunehmenden Anzahl Versicherter weiter öffnen. Eine Senkung des Koordinationsabzugs, der heute die Teilzeitarbeitenden benachteiligt, könnte dieser Entwicklung bis zu einem gewissen Grad entgegenwirken. Es bleibe zu hoffen, dass sich die Politik dazu durchringen könne, diese Stellschraube richtig zu regeln, appelliert Cosandey an die Politik.

Dieser Beitrag ist in der Novemberausgabe der Zeitschrift «Schweizer Personalvorsorge» erschienen.

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