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Negative Hypothekarzinsen – Utopie oder schon bald Realität?

Freitag, 19.07.2019

Die Zinsen sind wiederum im Sinkflug – dennoch können Hypothekarnehmer nicht davon ausgehen, dass die Hypothekarzinsen in gleichem Masse wie die Kapitalmarktzinsen sinken werden.

Die Prognosen für die Weltkonjunktur haben sich in den letzten Monaten weiter eingetrübt. Mittlerweile zeichnen sich nicht nur in Europa, sondern auch in den USA wieder Leitzinssenkungen und damit sinkende Kapitalmarktzinsen ab. Das Umfeld der Negativzinsen in der Schweiz droht damit noch extremer zu werden und deutlich länger anzuhalten, als Marktteilnehmer vermutet hatten – es wird sogar zum «new normal». Trotz-dem glaubt der grösste Schweizer Hypothekenvermittler MoneyPark nicht, dass in der Schweiz negative Hypothekarzinsen Realität werden, wie eine Analyse zeigt. 

Zinsen könnten sich weiter in den negativen Bereich verschieben

Viele Experten gehen davon aus, dass sich die Zinsen in Europa und in noch extremerer Form auch in der Schweiz in den nächsten Monaten weiter in den negativen Bereich bewegen werden. Dabei könnte dieses Niveau nicht nur für die nächsten Quartale, sondern sogar für die nächsten Jahre anhalten. Grund dafür sind die starke Wachstumsabschwächung der Weltkonjunktur, befeuert vom Handelskonflikt zwischen den USA und China, sowie zunehmende geopolitische Spannungen. Ausserdem herrscht kaum Inflationsdruck. Bereits heute sind die Kapitalmarktzinssätze für die Laufzeit von 15 Jahren nur wenige Basispunkte von null entfernt (Stand 18. Juli 19 bei +0.07%).

Negative Hypothekarzinsen sind jedoch unwahrscheinlich

Die Zinsen befinden sich im Sinkflug. Allerdings gilt es zwischen den Kapitalmarktsätzen, also den Sätzen, zu denen sich die Banken refinanzieren (Swap-Sätze), sowie den Hypothekarzinssätzen zu unterscheiden. Erstere richten sich nach dem Markt und reflektieren somit die Einschätzung und Prognosen der Marktteilnehmer. Die Hypothekarzinsen jedoch werden von den Anbietern individuell und strategisch nach eigenem Ermessen festgelegt. Die Hypothekarnehmer können daher nicht davon ausgehen, dass die Hypothekarzinsen in gleichem Masse wie die Kapitalmarktsätze sinken werden. Entgegen anderer Einschätzungen und ersten Beispielen in ausländischen Märkten (Dänemark) geht MoneyPark nicht von negativen Hypothekarzinssätzen für Schweizer Hypothekarnehmer aus – völlig unabhängig davon, wie tief die Swap-Sätze sinken werden. Eine wichtige Rolle dafür spielen die unterschiedlichen Ausgangslagen der Hypothekargeber.

Hypothekarstrategie divergiert je nach Anbietergruppe

Bei den Banken geraten die Margen immer stärker unter Druck. Für Banken, die für die Hypothekarvergabe klassischerweise Spargelder verwenden, ist jede Reduktion der Hypothekarzinsen mit weiteren Margeneinbussen verbunden. Denn die einfache «Milchbüechli»-Rechnung des Zinsdifferenzgeschäfts geht bei einem zu tiefen Zinsniveau nicht mehr auf: So lange auf den Sparguthaben bei Schweizer Banken keine Negativzinsen auf breiter Front verlangt werden, können die Hypothekarzinsen nicht unbegrenzt sinken.

MoneyPark geht allerdings nicht davon aus, dass Bankeninstitute es wagen werden, flächendeckend Negativzinsen auf Sparguthaben einzuführen. Banken finden jedoch andere Wege zur stärkeren «Bestrafung» des Kleinsparers: Vergleichbar mit der Vorfälligkeitsentschädigung bei Hypotheken verrechnen Banken vermehrt die vereinbarten Strafzinsen für den vorzeitigen Bezug von Termin- und Spargeldern. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen.

Für Pensionskassen und Versicherungen geht es um Anlagealternativen

Pensionskassen und Versicherungen haben einen etwas anderen Blickwinkel als Banken. Für sie geht es darum, ihr langfristig zur Verfügung stehendes Kapital im möglichst optimalen Rendite-Risiko-Verhältnis anzulegen. Wie Studien belegen, können Anlagen in Schweizer Eigenheim-Hypotheken gegenüber erstklassigen Schweizer Anleihen deutlich besser abschneiden. Allerdings ist die Verlockung, angesichts der weiter steigenden Börsenkurse noch stärker in die boomenden Aktienmärkte oder direkt in Immobilien zu investieren, gross.

Alternativ könnten die Vorsorgeeinrichtungen im Rahmen der Asset Allokation auch in Anleihen mit schlechteren Ratings ausweichen. Da dies allerdings eine Verschiebung des Risiko-Rendite-Profils bedeuten würde, geht MoneyPark davon aus, dass viele Pensionskassen stattdessen den Aufbau eines Hypothekarportfolios vorantreiben werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr Stimmen vor einer Überhitzung am Markt für Renditeliegenschaften warnen. Beim Aufbau eines Hypothekarportfolios werden diese Hypotheken-Anbieter ebenfalls keine unnötigen Rendite-Eingeständnisse machen.

Kein Anbieter wird negative Hypothekarzinsen verrechnen

Was würden die Hypothekaranbieter also tun, wenn sich die langfristigen Swap-Sätze gegen minus ein Prozent entwickeln würden? MoneyPark hat mit diversen Marktteilnehmern über dieses – zum jetzigen Zeitpunkt eher unrealistische – Szenario gesprochen. Die meisten Institute haben sich eine Untergrenze gesetzt, wie weit sie die Hypothekarzinsen im Falle von weiter sinkenden Swap-Sätzen reduzieren wollen. Diese Untergrenze ist bei allen befragten Instituten momentan über null, auch wenn alle Anbieter den Markt und ihre Konkurrenz genau beobachten. Die Hypothekarzinsen werden also bei der breiten Masse der Hypothekaranbieter im positiven Bereich bleiben, unabhängig davon, wie sich die Swap-Sätze entwickeln. Ausgenommen davon sind Spezialfälle oder Einzelgeschäfte, welche zwischen zwei Grossparteien individuell vereinbart und abgewickelt werden.

Untergrenze für Libor-Satz liegt bei null

Der Entscheid von positiven Hypozinsen ist auch dahingehend nachvollziehbar, als die Banken 2015 die Verträge der Libor-Hypotheken zu ihren Gunsten angepasst haben. In den neuen Verträgen wird für den Libor-Satz, der als Basis und Berechnungsgrundlage für den Hypothekarzins dient, eine Untergrenze von null eingeführt. So lange der Libor-Satz im negativen Bereich liegt, zahlt der Kunde als Hypothekarzins nur die vereinbarte Marge. Ein Hypothekarzins, der gegen null tendiert oder sogar negativ wird, ist so vertraglich nicht mehr möglich. Die Hypothekaranbieter werden bei Festhypotheken kaum von dieser Praxis abweichen.

Bei langen Laufzeiten sind tiefere Hypothekarzinsen möglich

Gerade bei kurzen- bis mittleren Laufzeiten dürften daher die Konditionen demnächst den Boden gefunden haben. Die Schmerzgrenze einer kostendeckenden Mindestmarge dürfte mittlerweile sichtbar oder schon erreicht sein. Ein gewisses Potential besteht aber noch am langen Ende: Hier könnte durch eine Ausweitung des Angebots auf Laufzeiten über zehn Jahre dem Margenschwund, zumindest kurzfristig, Einhalt geboten werden. Angenehmer Nebeneffekt ist die Erzielung einer langen Kundenbindung. Erste Tendenzen in diese Richtung sind denn auch bereits im Produktangebot von mehreren Kantonalbanken ersichtlich. Seit Kurzem bieten diese Institute vielfach nun auch Laufzeiten von 11 bis 15 oder gar 20 Jahre an. Aber auch die zehnjährigen Festhypotheken, die es heute bereits ab 0.71% gibt, würden wohl spätestens bei 0.30% bis 0.40% ihre Tiefstwerte finden.

Hypothekarnehmer sollten die Angebote genau überprüfen

Bei Abschlüssen in den nächsten Monaten sind die Konditionen für Festhypotheken ab zehn Jahren sehr attraktiv, gerade im Vergleich zu kurzen bis mittleren Laufzeiten, wie MoneyPark betont.

Ausstiegsbedingungen überprüfen

Gleichzeitig warnt der Hypothekenvermittler vor den Ausstiegsbedingungen bei Laufzeiten ab zehn Jahren, die es zu überprüfen gelte. Mittlerweile gebe es Anbieter, die «zahlbare» Bedingungen offerierten. So würden gewisse Anbieter einen Ausstieg ohne Kostenfolge bei einem Verkauf der Liegenschaft ermöglichen. Gewisse Pensionskassen offerierten ausserdem eine Switch-Möglichkeit von Festhypotheken in längerfristige Festhypotheken, was eine flexiblere Finanzierungsplanung ermögliche.

Zuwarten kann sich lohnen

Für Hypothekarnehmer, welche mit dem Abschluss der Hypothek noch einige Monate warten könnten und an weiter sinkende Kapitalmarktsätze glaubten, sei es eine valable Option, zuzuwarten, sagt MoneyPark. Voraussetzung sei allerdings eine enge Überwachung des Konditionenverlaufs.

Anbietervergleich ist ein Muss

Ein Vergleich der Anbieter bleibe aber auch in Niedrigzinsphasen ein absolutes Muss. Denn der Preisunterschied zwischen dem günstigsten und dem teuersten Anbieter sei seit einigen Monaten extrem hoch und könne bis zu 100 Basispunkte auf derselben Laufzeit betragen.

Welches Produkt mit welcher Laufzeit gewählt würde, solle aber immer individuell bestimmt werden. Idealerweise erfolge dazu eine Beratung durch einen unabhängigen Hypothekarspezialisten, rät MoneyPark.

MoneyPark gibt als Hilfe zur Wahl der Laufzeit folgende Berechnung an: Man bestimme eine Gesamtperiode für die Budgetierung der Zinskosten (z.B. 15 Jahre / Szenario 1). Danach berechne man die aktuellen Zinskosten einer Festhypothek über diese gesamte definierte Periode. Dann würden die Kosten von zwei kürzeren Festhypotheken (z.B. 5 und 10 Jahre / Szenario 2) gegenübergestellt und berechnet, was eine anschliessende Festhypothek über die Restperiode maximal kosten dürfe, um noch eine Zinsersparnis zu erzielen.

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