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Ein rückwirkender Gesundheitsvorbehalt der Pensionskasse ist ungültig

Mittwoch, 14.08.2019

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass einem Beschwerdeführer der angebrachte Gesundheitsvorbehalt nicht entgegengehalten werden könne. Denn quantitativ und in zeitlicher Hinsicht seien die geltend gemachten Leistungen unbestritten geblieben.

Im vorliegenden Fall 9C_333/2017 ging es um die Grundsatzfrage, wie sich die Pensionskasse bei Verschweigung eines Leidens eines zu versichernden Mitarbeiters beim Stellenwechsel zu verhalten hat.

Ein Koch litt an einer Nierenkrankheit und verschwieg diese beim Stellenwechsel der Pensionskasse des neuen Arbeitgebers. Später erwirkte er von der IV eine 50%-Rente. Die Pensionskasse des neuen Arbeitgebers verweigerte indessen eine Rentenzahlung. Im Bereich des Überobligatoriums verfügte die Pensionskasse zudem einen rückwirkenden Vorbehalt.

Verwaltungsgericht sprach eine Rente nur für das Obligatorium zu

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug sprach dem Koch einzig für das Obligatorium eine Rente zu. Der Koch ergriff in der Folge die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht, mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei insoweit aufzuheben, als ihm ab 01.01. bis 31.03.2011 zusätzlich zu den obligatorischen Leistungen eine Viertelrente sowie ab 01.04.2011 eine halbe Invalidenrente und eine Kinderrente aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge auszurichten sei, zuzüglich Verzugszinsen ab Klageerhebung bei der Vorinstanz.

Versicherter zog Beschwerde weiter ans Bundesgericht

In den einleitenden Erwägungen hält das Bundesgericht fest:

«2. Es steht ausser Frage, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Invalidenrente nach BVG hat. Zu prüfen ist einzig die Rechtsfrage (BGE 130 V 9 E. 3 S. 12), ob ihm überdies Rentenleistungen aus der weitergehenden (überobligatorischen) beruflichen Vorsorge zustehen, und dabei insbesondere, ob der Gesundheitsvorbehalt vom 7. August 2007 gültig ist.

«2.1. Die Vorsorgeeinrichtungen können die weitergehende Vorsorge im Rahmen von Art. 49 Abs. 2 BVG grundsätzlich privatautonom ausgestalten. Sie können namentlich den Versicherungsschutz durch Gesundheitsvorbehalte einschränken. Gemäss Art. 331c OR sind die Vorsorgeeinrichtungen befugt, in der weitergehenden Vorsorge für die Risiken Tod und Invalidität Gesundheitsvorbehalte anzubringen. Die Gültigkeit solcher Vorbehalte beträgt höchstens fünf Jahre (statt vieler: SVR 2009 BVG Nr. 10 S. 33c, 9C_681/2007 E. 4.4.2.1).»

«2.2. Beim Vorbehalt handelt es sich um eine individuelle, konkrete und zeitlich begrenzte Einschränkung des Versicherungsschutzes in Einzelfällen (BGE 127 III 235 E. 2c S. 238; Urteil B 66/02 vom 18. Juni 2003). Der gesundheitliche Vorbehalt muss somit explizit ausformuliert und datumsmässig festgesetzt sein sowie der versicherten Person mit der Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung mitgeteilt werden. Damit wird auch sichergestellt, dass eine neue Vorsorgeeinrichtung nach einem allfälligen Wechsel weiss, für welche Leiden sie infolge eines bereits abgelaufenen Vorbehalts keinen, für welche Leiden sie für die noch nicht verstrichene Zeit und für welche Leiden sie einen neuen, sich zeitlich nach ihrem Reglement richtenden Vorbehalt anbringen darf (SVR 2004 BVG Nr. 13 S. 41, B 110/01 E. 4.3).»

Weiter folgerte das Bundesgericht:

«3.2. Während Art. 4 VVG die Anzeigepflicht des Antragstellers beim Vertragsabschluss regelt, sind in Art. 6 VVG die Folgen der verletzten Anzeigepflicht festgehalten. Art. 6 VVG (in der seit 1. Januar 2006 geltenden Fassung) bestimmt – soweit hier relevant – was folgt: Hat der Anzeigepflichtige beim Abschluss der Versicherung eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder kennen musste und über die er schriftlich befragt worden ist, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist der Versicherer berechtigt, den Vertrag durch schriftliche Erklärung zu kündigen (Abs. 1 Satz 1), wobei das Kündigungsrecht vier Wochen, nachdem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erhalten hat, erlischt (Abs. 2).»

BGer spricht Klagendem Rentenleistungen aus der überobligatorischen Vorsorge zu

Zusammenfassend kam das Bundesgericht zum Schluss, dass dem Beschwerdeführer der am 07.08.2007 angebrachte Gesundheitsvorbehalt nicht entgegengehalten werden könne. Im Quantitativ und in zeitlicher Hinsicht seien die geltend gemachten Leistungen unbestritten geblieben. Der Beschwerdeführer habe somit ab dem 01.01.2011 zusätzlich zu den vom kantonalen Gericht zugesprochenen Invalidenleistungen aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge Anspruch auf die entsprechenden Rentenleistungen aus der weitergehenden, überobligatorischen Vorsorge (zuzüglich Verzugszins ab Klageeinreichung).

Die Beschwerde wurde also gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 16. März 2017 wurde aufgehoben, soweit er die weitergehende berufliche Vorsorge betraf. Die Klage vom 22. Dezember 2015 wurde gutgeheissen. Die Beschwerdegegnerin wurde verpflichtet, dem Beschwerdeführer ab 1. Januar bis 31. März 2011 eine Viertelrente und ab 1. April 2011 eine halbe Invalidenrente sowie eine Kinderrente ab Datum der Geburt seines Sohnes aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge auszubezahlen, zuzüglich Verzugszins von 5% ab 22. Dezember 2015.

Die Gerichtskosten von 800 Franken wurden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

Die Beschwerdegegnerin hatte den Beschwerdeführer zudem für das bundesgerichtliche Verfahren mit 2'800 Franken zu entschädigen.

Die Sache wurde zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug zurückgewiesen.

Quelle: LawMedia von Bürgi und Nägeli Rechtsanwälte

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