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Der Schweizer Finanzsektor befindet sich im Wandel

Donnerstag, 22.11.2018

Im Banken- und Versicherungssektor führen der Druck zur Produktivitätssteigerung und die Digitalisierung zu neuen Produkten und Dienstleistungen. Wertschöpfung und Beschäftigung können nicht mehr an die Wachstumsraten der Vorjahre anknüpfen.

Der Schweizer Finanzsektor erwirtschaftete 2017 eine Bruttowertschöpfung von rund 60 Milliarden Schweizer Franken, was einem Anteil von 9.2% an der gesamten Bruttowertschöpfung der Schweiz entspricht. Von diesen 60 Milliarden Franken Bruttowertschöpfung wurden 31 Milliarden Franken im Bankensektor und 29 Milliarden Franken im Versicherungssektor generiert. Mit 1.9% lag das Wachstum des Finanzsektors im vergangenen Jahr leicht über dem Schweizer Durchschnitt. Dabei trugen sowohl der Bankensektor (2.1% reales Wertschöpfungswachstum) als auch der Versicherungssektor (1.8% reales Wertschöpfungswachstum) zu diesem Wachstum bei. Aufgrund der volkswirtschaftlichen Verflechtung löste der Finanzsektor zusätzlich Wertschöpfung bei anderen Branchen in der Höhe von rund 24 Milliarden Franken aus (+9.7% gegenüber Vorjahr). Der Bankensektor ist für zwei Drittel (CHF 16.7 Mia.) und der Versicherungssektor für einen Drittel (CHF 7.1 Mia.) der indirekten Wertschöpfung verantwortlich.

Beschäftigung im Bankensektor ist weiter rückläufig

Im vergangenen Jahr beschäftigte der Finanzsektor rund 207’500 Personen (in Vollzeitäquivalenten), dies entspricht einem Rückgang von 1.2%. Von diesen 207’500 Personen waren gut 136’000 im Bankensektor und gut 71’000 im Versicherungssektor angestellt. Die Beschäftigungsentwicklung in den beiden Sektoren war gegenläufig: Während die Beschäftigung im Versicherungssektor um 1.9% zunahm, ging sie im Bankensektor um 2.7% zurück.

Zu beachten ist dabei, dass der Rückgang im Bankensektor durch statistische Sondereffekte bestimmt wurde. Haupttreiber dafür war die Verlagerung zentraler Dienstleistungen einer Grossbank in eine konzerninterne Gesellschaft, welche statistisch nicht als Bank erfasst ist. Aufgrund seiner volkswirtschaftlichen Verflechtung beschäftigte der Finanzsektor zudem gut 253'300 Beschäftigte in anderen Branchen (+7.5% gegenüber Vorjahr). Davon entfallen 171’600 Beschäftigte auf den Bankensektor und 81’700 auf den Versicherungssektor.

Im Branchenvergleich konnte sich der Finanzsektor mit seiner überdurchschnittlichen jährlichen Bruttowertschöpfungswachstumsrate und seiner überdurchschnittlichen Produktivität gut platzieren. Bei der längerfristigen Entwicklung der Bedeutung als Arbeitgeber im Vergleich zwischen den Branchen bewegt sich der Finanzsektor, mit einem leicht unterdurchschnittlichen jährlichen Beschäftigungswachstum, im Mittelfeld.

Gesamtsteueraufkommen ist gestiegen

Zusätzlich zur direkten Bedeutung über die Bruttowertschöpfung und die Arbeitsplätze profitiert die Schweiz vom Finanzsektor über die Steuereinnahmen. 2017 wurde ein Gesamtsteueraufkommen von 16,5 Milliarden Franken durch den Finanzsektor eingenommen, was 2 Milliarden Franken höher ist als noch im Jahr zuvor. Zu diesem Wachstum haben insbesondere die Verrechnungssteuereinnahmen beigetragen.

Negativzinsen seit 2015 fordern ihren Tribut

Die Institute im Finanzsektor mussten auch 2017 die seit Anfang 2015 anhaltende Herausforderung der Negativzinsen bewältigen. Im Bankensektor wirken sich die Negativzinsen dämpfend auf die Zinsmargen aus. Die daraus resultierenden Ertragseinbussen konnten jedoch weitgehend durch die gestiegene Kreditnachfrage, höhere Erträge aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft sowie durch angepasste Gebührenmodelle kompensiert werden.

Da die Versicherungen in bedeutendem Umfang in Anleihen investiert sind, schmälern die Negativzinsen auch spürbar deren Erträge. Eine Konsequenz davon ist, dass Versicherungen zunehmend im Hypothekargeschäft aktiv wurden.

Wertschöpfungswachstum dürfte zurückgehen

Unter Berücksichtigung der jüngsten aktuellen Entwicklung und insbesondere des günstigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds erwartet die Bankiervereinigung sowohl für den Bankensektor (3%) als auch für den Versicherungssektor (2.5%) für die nächsten 12 Monate ein Wachstum der realen Bruttowertschöpfung. Mittelfristig dürfte das direkte Wertschöpfungswachstum im Bankensektor – nicht zuletzt aufgrund des zunehmenden Outsourcings infolge der Digitalisierung – rund 2% pro Jahr betragen.

Auch bei der indirekten Wertschöpfung kann von weiterem Wachstum ausgegangen werden. Der Versicherungssektor dürfte die reale Bruttowertschöpfung über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hinaus steigern können.

Druck zu Produktivitätssteigerung nimmt weiter zu

Sowohl kurzfristig als auch mittelfristig wird der Druck zu Produktivitätssteigerungen im Finanzsektor bestehen bleiben. Insbesondere die Digitalisierung führt zu neuen Produkten und Dienstleistungen sowie Anpassungen an den Prozessen. Die Folge ist, dass sich insbesondere im Bankensektor der seit ein paar Jahren zu beobachtende Trend zu Arbeitsplatzverlagerung in andere Sektoren – wenn auch deutlich geringer als in den Vorjahren – fortsetzen wird. Damit verlagert sich nicht nur ein Teil der Wertschöpfung, sondern auch ein Teil der Arbeitsstellen in Unternehmen, welche statistisch nicht mehr als Banken erfasst werden.

Auch für den Versicherungssektor geht der Versicherungsverband davon aus, dass die Zunahme der Beschäftigung nicht an die Wachstumsraten der Vorjahre anknüpfen kann und unter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung liegen wird.

Über die Studie

Ende August 2018 sind vom Bundesamt für Statistik (BFS) und vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) aktualisierte Wertschöpfungs- und Beschäftigungsdaten für das Jahr 2017 erschienen. Polynomics hat auf Basis dieser veröffentlichten Daten im Auftrag der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) sowie des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) die entsprechenden direkten und indirekten Effekte des Finanzsektors ermittelt.

Polynomics kommt zum Schluss, dass der Finanzsektor trotz Herausforderungen wie Negativzinsen, stetig wachsender Regulierung, Digitalisierung und Erhöhung der Wettbewerbsintensität weiterhin einen bedeutenden Beitrag zur Schweizerischen Volkswirtschaft leistet.

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