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«Verzinsungen der Altersguthaben und Renten sollten entpolitisiert werden»

Freitag, 26.10.2012

Zu hohe Verzinsungen der Altersguthaben und Renten haben negative Konsequenzen über Jahrzehnte hinweg. Die Festlegung der Verzinsung soll daher an Stiftungsräte delegiert und damit entpolitisiert werden, propagiert Avenir Suisse.

Umwandlungssatz und Mindestzins sind wichtige versicherungsmathematische Parameter der beruflichen Vorsorge. Von ihnen hängen die Verzinsung der Altersguthaben und die Bestimmung der Rentenhöhe beim Pensionierungszeitpunkt ab. Sie werden jedoch politisch bestimmt und weichen seit 10 Jahren von der demografischen Entwicklung und den realen Kapitalmarktverhältnissen ab, wie Jérôme Cosandey von Avenir Suisse erklärt. Dieser Missstand müsse sich ändern.

Missstand bei Umwandlungssatz wirkt über Jahrzehnte hinweg

Am bedeutendsten wirke sich dieser Missstand beim Umwandlungssatz aus. Werde dieser Wert falsch eingeschätzt, würden sich die Konsequenzen über Jahrzehnte hinweg entfalten, nämlich bis der letzte Versicherte einer Kohorte ablebe. Die Folgekosten seien beträchtlich und könnten bis zu 1,5 Milliarden Franken pro Jahr betragen.

Der Umwandlungssatz hänge primär von der Lebenserwartung beim Pensionierungszeitpunkt und von der erwarteten Durchschnittsrendite am Kapitalmarkt – dem technischen Zins – ab, zwei Grössen ausserhalb des Einflussbereiches der Politik. Es sei deshalb absurd, die Anpassung des Umwandlungssatzes im Gesetz verankern oder dem Volk vorlegen zu wollen, wie Cosandey betont. Die Politik könne nicht Gott spielen und über Leben und Tod entscheiden. Entsprechend könne sie auch nicht die Lebenserwartung oder die Kapitalmarktrendite per Dekret festlegen.

Umwandlungssatz durch Experten festlegen lassen

Sinnvoller sei es, die Festlegung des aktuariell korrekten Umwandlungssatzes der Empfehlung von Fachexperten, zum Beispiel aus der eidgenössischen BVG-Kommission, zu überlassen und durch den Bundesrat per Verordnung regelmässig anpassen zu lassen. Die Festlegung des Umwandlungssatzes durch den Bundesrat – analog zur aktuellen Definition des Mindestzinses – reduziere zwar die Politisierung dieser Parameter, schliesse politischen Opportunismus aber nicht ganz aus.

Stiftungsrat kann finanzielle Situation besser einschätzen

Ein weiterer, viel versprechender Ansatz sei deshalb die Delegation des Umwandlungs- und Mindestzinsentscheids an den Stiftungsrat der einzelnen Vorsorgeeinrichtungen, wie dies in Liechtenstein der Fall sei. Der Stiftungsrat einer Vorsorgeeinrichtung zeichne sich durch mehr Nähe zu den Bedürfnissen der Versicherten aus und könne die aktuelle und künftige finanzielle Situation der Pensionskasse besser einschätzen. Er könne auch spezifisch die Invaliditäts- und Mortalitätstafeln seines Bestandes ermitteln und daraus nachhaltige Renten für seine Versicherten ableiten.

Die Vorsorgeeinrichtungen machten bis zu einem gewissen Grad bereits von dieser dezentralen Entscheidungskompetenz Gebrauch. Die Stiftungsorgane dürften Leistungen versprechen, die über das gesetzliche Minimum hinausgingen. Sie dürften höhere Mindestzinsen auf den Altersguthaben und höhere Umwandlungssätze für die Rentenbestimmung verwenden. Offensichtlich traue ihnen der Gesetzgeber zu, dass sie mit solchen Zusatzleistungen die finanzielle Situation der Vorsorgeeinrichtungen nicht gefährdeten und verantwortlich mit den angesparten Vermögen der Versicherten umgingen, folgert Cosandey.

Manche Kassen verschieben Anpassungen um Marktvorteil zu erreichen

Diesen Spielraum dürften sie bei negativen Entwicklungen jedoch nicht nutzen. Stellten sie eine ungünstige Veränderung der Mortalität und Invalidität ihrer Versicherten fest, könnten sie daraus nicht eine Senkung des Umwandlungssatzes ableiten. Ebenso wenig könne eine Kasse mit drohender Unterdeckung Sanierungsmassnahmen vorbeugen, indem sie temporär den Mindestzins tiefer ansetze.

Ausserdem passten manche Vorsorgeeinrichtungen ihre technischen Parameter den aktuellen Marktbedingungen und Lebenserwartungen nur langsam an, um weiterhin überobligatorische Leistungen anbieten zu können, mit denen sie sich am Markt einen Vorteil verschaffen wollten.

Entscheidungskompetenz beim Stiftungsrat soll gesetzliche Asymmetrie abschaffen

Eine Delegation der Entscheidungskompetenz über die technischen Parameter an den Stiftungsrat würde diese gesetzliche Asymmetrie abschaffen, den Drang, schwer finanzierbare Leistungen anzubieten, reduzieren und den Vorsorgeeinrichtungen ermöglichen, bei positiven wie negativen Entwicklungen ihrer Versichertenbestände und der daraus resultierenden finanziellen Situationen flexibel und proaktiv zu handeln, ist Cosandey überzeugt.

Abwärtsspirale bei Verzinsung ist wegen Wettbewerb unwahrscheinlich

Dabei sei ein «Race-to-the-bottom», um die Mindestzinsen und Umwandlungssätze so tief wie möglich zu halten, wenig wahrscheinlich. Denn marktkonforme Verzinsung der Vorsorgevermögen und attraktive Altersrenten seien wichtige Rekrutierungsargumente für Unternehmen mit autonomen Pensionskassen, die sie kaum aufs Spiel setzen wollten. Und Sammelstiftungen stünden seit je in Konkurrenz zueinander und seien deshalb bestrebt, wettbewerbstaugliche Leistungen anzubieten.

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