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Versicherungen und Pensionskassen verstärken den Druck auf die Banken

Freitag, 23.09.2016

Noch verschonen Schweizer Retailbanken ihre Sparer vor den Auswirkungen der Negativzinsen. Doch ihre Margen erodieren. Auch erhalten sie im Hypothekargeschäft zunehmend Konkurrenz durch Versicherungen und Pensionskassen.

Retailbanken in der Schweiz leiden aufgrund des Negativzinsumfelds unter einer Margenerosion: Die Differenz zwischen Kundenzinssatz und Marktzinssatz ist 2015 im Vergleich zum Vorjahr erneut um fünf Basispunkte auf noch 117 Basispunkte gesunken. Die Abnahme entspricht etwa dem jährlichen Durchschnitt des Rückgangs seit 2007, wie die «Zinsmargenanalyse 2016» des Prüfungs- und Beratungsunternehmen EY ergibt.

Hypothekarschuldner konnten nicht von den niedrigen Zinssätzen profitieren

Der Trend der letzten Jahre setzt sich bisher auch 2016 fort. Im 1. Halbjahr 2016 sind die Zinsmargen der Banken (auf Basis einer Auswertung von Halbjahresrechnungen) im Vergleich zum Vorjahr wiederum um drei Basispunkte zurückgegangen. Die Analyse zeigt weiter, dass die Zinssätze von neu abgeschlossenen Hypothekarkrediten mit einer Laufzeit zwischen fünf und sieben Jahren nach Einführung des Negativzinses nur geringfügig gesunken sind. Die Hypothekarschuldner konnten daher nicht von den niedrigen Zinssätzen an den Kapitalmärkten profitieren.

Retailbanken konnten ihre Refinanzierungskosten nicht senken

Der Grund dafür liegt darin, dass Retailbanken ihre Refinanzierungskosten nicht senken konnten, da auf Spareinlagen keine flächendeckenden Negativzinsen berechnet werden. «Sowohl die Konditionen für Kredite und Hypotheken als auch die Zinssätze für Spareinlagen haben sich vom Kapitalmarktzins entkoppelt: Die Zinsen für Kredite und Spareinlagen sind heute beide höher als der Marktzins vorgibt», sagt Dr. Roger Stettler, Retailbankenspezialist bei EY Schweiz.

Retailkunden werden vorerst von Negativzinsen verschont

Retailbanken als wichtigste Kreditgeber in der Schweiz refinanzieren ihre Ausleihungen überwiegend durch Kundeneinlagen. In der Schweiz werden heute erst wenigen Kundengruppen Negativzinsen verrechnet, bis jetzt nur den institutionellen Anlegern und grösseren Unternehmen. Erst eine einzige Bank verlangt aktuell von ihren Retailkunden Geld für die Einlage.

In der Praxis zeigt sich, dass die Einführung von Negativzinsen einer Logik folgt und in Etappen vonstattengeht: Zuerst werden diese bei international ausgerichteten institutionellen Kunden eingeführt. Danach folgen nationale institutionelle Kunden (z.B. Pensionskassen) vor Grossunternehmen und Privatkunden mit sehr hohen Kontobeständen.

Retailkunden sind zuletzt betroffen

«Die Banken gehen davon aus, dass die Retailkunden sehr empfindlich auf die Weiterverrechnung von Negativzinsen reagieren. Darum ist zumindest in naher Zukunft nicht davon auszugehen, dass die Negativzinsen an die breite Sparerschaft weitergereicht werden.

Privatkunden mit sehr hohem Barvermögen werden aber innert kurzer Zeit betroffen sein, insbesondere wenn die SNB den Negativzins nochmals senkt», sagt Roger Stettler. 

Konkurrenz durch Versicherungen und Pensionskassen nimmt zu

Die im Vergleich zum Kapitalmarkt höheren Zinsen am Schweizer Hypothekargeschäft führen zu einer verstärkten Aktivität von Nicht-Banken. Hierbei sind insbesondere Versicherungen und Pensionskassen zu nennen, deren Anteil am Hypothekarmarkt in den 1990er und 2000er Jahren rückläufig war.

Die zunehmenden Aktivitäten der Versicherungen und Pensionskassen setzen den Marktpreis unter Druck und können den Druck auf die Banken zu einer Weitergabe der Negativzinsen an Retailkunden erhöhen. «Solange die Zinsen in der Schweiz nicht steigen ist der Hypothekenmarkt attraktiv. Dadurch nimmt die Konkurrenz für die Banken durch Versicherungen und Pensionskassen zu. Mit zunehmendem Druck können Banken gezwungen sein, Negativzinsen an Sparer weiterzureichen um bei den Hypotheken konkurrenzfähig zu bleiben», fasst Roger Stettler die Entwicklung zusammen.

Höhere Liquiditätsanforderungen verstärken Margendruck

Verstärkt wird der Rückgang der Zinsmarge in den letzten Jahren auch durch die gestiegenen Liquiditätsanforderungen und die Absicherungskosten für Zinsänderungsrisiken. Da Banken heute einen Liquiditätspuffer halten müssen, der aus qualitativ hochstehenden, liquiden Aktiven zusammengesetzt sein muss, und dieser mangels Angebots in Schweizer Franken zu einem Grossteil aus flüssigen Mitteln in Form von Zentralbankreserven besteht, hat sich der Rückgang der Zinsmarge mit dem Aufbau des regulatorischen Liquiditätspuffers zusätzlich noch akzentuiert.

Negative Anleihenrenditen sind ein weltweites Phänomen

Durch die Bemühungen der Notenbanken, die wirtschaftliche Aktivität zu steigern, etablierte sich nicht nur in der Schweiz, sondern inzwischen in 15 europäischen Staaten ein negatives Zinsumfeld bei einer Laufzeit von 2 bis 15 Jahren. In der Schweiz weisen heute sämtliche Staatsanleihen – sogar jene mit einer Laufzeit von 30 Jahren – eine negative Rendite aus.

Der beabsichtigte Erfolg dieser Politik ist heute noch nicht abschliessend beurteilbar. Die Erfahrung der Schweiz zeigt aber, dass Negativzinsen nicht zu sinkenden Kreditzinsen führen müssen.

Zur Studie

EY Zinsmargenanalyse 2016: Für diese Analyse des Beratungsunternehmens EY wurden Bilanzen von 348 Schweizer Retailbanken der Jahre 2003-2015 sowie Halbjahresbilanzen per 30.06.2016 berücksichtigt.

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