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Über die Pensionierung hinaus zu arbeiten lohnt sich für immer mehr Leute

Samstag, 22.10.2016

Die Finanzierung des Rentensystems ist langfristig unsicher. Das will der Bundesrat mittels Vorsorgereform ändern. So soll u.a. das Rentenalter erhöht werden. Noch bekommt der, der über das ordentliche Pensionsalter hinaus arbeitet, im Alter mehr.

Länger zu arbeiten kann sich finanziell sehr lohnen. Zu dieser Erkenntnis ist der «Tages-Anzeiger» mittels Recherchen gelangt. Tatsächlich steigen die Renten mit jedem Jahr, das eine Person über das ordentliche Pensionsalter hinaus arbeitet. Zurzeit ist das bei Männern 65 Jahre, bei Frauen 64 Jahre. So erhält jemand, der ein Jahr länger arbeitet, von der AHV eine um 5.2% höhere Rente. Bei einem Lohn von 80‘000 Franken mache das monatlich etwa 100 Franken aus, wie der Tages-Anzeiger vorrechnet. Der Zuschlag steige progressiv bis ins fünfte Jahr an. Wer sich also mit 70 Jahren pensionieren lasse, erhöhe seine AHV-Rente um 31.5% – oder um 500 Franken monatlich, so der Tages-Anzeiger. Der Aufschlag gelte auch dann, wenn der Arbeitnehmende die im Gesetz definierte AHV-Maximalrente erreicht habe. «Das Plus ist zudem viel höher, als die vom Ständerat, der CVP und den Linken erhoffte Erhöhung der AHV-Rente um pauschal 70 Franken monatlich», wie der Tages-Anzeiger kommentiert. 

In der 2. Säule gibt es keine gesetzliche Regelung

Etwas anders sehe es in der 2. Säule aus: Dort dürfe jede Pensionskasse ihre eigenen Regeln entwerfen. Einige Kassen würden keine Erhöhungen gewähren, andere würden sehr gute Zuschläge zahlen, erläutert der Tages-Anzeiger. Er hat dazu sechs zufällig ausgewählte private und staatliche Kassen befragt: die UBS, die Sammelstiftungen ASGA und Avadis, die Pensionskasse des Bundes Publica, die Zürcher BVK und die Bernische Pensionskasse.

Je nach privater Pensionskasse fällt der Zuschlag höher aus

Avadis, zu der die Pensionskassen der ABB, Alstom und Hero gehörten, erhöhe die Rente bei einem Jahreslohn von 90‘000 Franken um rund 180 Franken für jene, die ein Jahr länger arbeiteten. Wer bis 70 tätig sei, für den steige die monatliche Rente um rund 1‘300 Franken. Ähnliches gelte für die ASGA, die Tausende von KMU in der 2. Säule versichere. Wer bei ihr mit 65 Jahren 300'000 Franken angespart habe, erhalte rund 1‘700 Franken Rente monatlich. Mit jedem Arbeitsjahr mehr erhöhe sich die Rente um monatlich jeweils 100 Franken.

Auch bei den öffentlich-rechtlichen Kassen steigen die Renten mit jedem Jahr

Bei den öffentlich-rechtlichen Kassen sei insbesondere der Umwandlungssatz entscheidend, so der Tages-Anzeiger. Dieser bestimme die Höhe der Rente. Als Beispiel führt er einen Umwandlungssatz von 6.5% an, welcher bei einem Alterskapital von 100'000 Franken zu einer jährlichen Rente von 6‘500 Franken oder monatlich 541 Franken führe. Wer über das Pensionsalter hinaus arbeite, profitiere von einem erhöhten Umwandlungssatz.

Bei der Publica seien es 0.17% pro Jahr, bei der BVK 0.16%, bei der Avadis, bei der Bernischen Pensionskasse 0.15% und bei ASGA 0.1%. Das bedeute allerdings nicht, dass die ASGA am wenigsten biete. Massgebend sei die Höhe insgesamt. Die privaten ASGA und Avadis offerierten gemäss dieser Umfrage die höchsten Umwandlungssätze. Bei der BVK seien sie am tiefsten.

Je tiefer die Lohnbeiträge, desto attraktiver ist die Weiterbeschäftigung

Der Tages-Anzeiger hat noch eine zweite Unterscheidung ausgemacht: Die erhobenen Lohnbeiträge für jene, die über das ordentliche Pensionsalter hinaus arbeiten. Je tiefer dieser Abzug sei, desto höher falle der ausbezahlte Lohn aus.

Der gesetzliche Lohnabzug betrage vor der Pensionierung 18%. Einige Kassen, etwa die Publica, würden ihn so hoch belassen, während andere Kassen, wie die BVK, ihn auf 15% senkten. Die Bernische Pensionskasse senke den Lohnabzug sogar auf 10%. Je tiefer der Lohnabzug, desto attraktiver erscheine die Weiterbeschäftigung von Angestellten auch für den Arbeitgeber.

Die Aufbesserungen bei AHV und BVG-Renten addieren sich

Die Aufbesserungen bei der AHV und den BVG-Renten würden sich addieren, wie Sven Pfammatter vom VZ Vermögenszentrum für den Tages-Anzeiger errechnet habe: Bei einem Nettolohn von 90'000 Franken, Lohnabzügen von 18% und einem Rentenumwandlungssatz von 0.15% erhalte eine Person bei der Pensionierung mit 66 Jahren 2‘800 Franken mehr Rente pro Jahr. Bei 67 Jahren erhöhe sich dieser Betrag auf 5‘800 Franken. Mit 68 Jahren sein es 9‘000 Franken mehr, und mit 70 Jahren seien es gar 16'000 Franken. Das Renteneinkommen erhöhe sich um satte 26%.

UBS bietet keine Renten-Aufbesserungsmöglichkeit

Keine Verbesserungsmöglichkeiten gebe es indes für Versicherte der Vorsorgeeinrichtung der UBS. Sie begründe dies damit, dass heutzutage nur wenige Mitarbeitende über das ordentliche Pensionierungsalter hinaus arbeiten würden. Somit würden ab dem 65. Altersjahr keine Lohnabzüge mehr einbezahlt.

Anteil der Personen, die aus Notwendigkeit weiterarbeiten, dürfte steigen

Der Tages-Anzeiger geht ausserdem der Frage nach, ob höhere Renten ein genügend hoher Anreiz seien, um länger zu arbeiten. Laut dem von ihm befragten emeritierten Zürcher Soziologieprofessor François Höpflinger gibt es demnach zwei Gruppen von arbeitswilligen Senioren: die gut ausgebildeten Fachpersonen und die Selbstständigerwerbenden (Gewerbetreibende und Freiberufler) und mitarbeitende Familienmitglieder.

Die Motive dieser beiden Gruppen seien sehr unterschiedlich. Bei den Fachpersonen seien die Freude an der Arbeit, die sinnvolle Tätigkeit und soziale Kontakte wichtiger als höhere Renten. Es lohne sich primär wegen des zusätzlichen Lohns als wegen der später höheren Rente; letztere spiele noch eine klar untergeordnete Rolle. Bei höheren Einkommen werde das Bezahlen der AHV nämlich als „Verlustgeschäft“ wahrgenommen, weil man mehr in die AHV einbezahle, als man später an AHV-Rente beziehe.

Bei den Selbstständigerwerbenden hingegen sei die Weiterarbeit oft auch durch geringe berufliche Vorsorgerenten motiviert. Dies treffe vor allem auch Solo-Selbstständige, etwa aus dem Kultur- und Kreativbereich, sowie aus dem Gastgewerbe, die teils Beitragslücken bei der AHV aufwiesen und auf keine oder nur eine geringe berufliche Rente zurückgreifen könnten. Für Höpflinger könne diese Gruppe Zuwachs erhalten. «In Zukunft dürfte, ähnlich wie in den USA und Grossbritannien, der Anteil der Personen, die aus Notwendigkeit weiterarbeiten, ansteigen», habe Höpflinger gegenüber dem Tages-Anzeiger geäussert.

Nur ein Drittel der Menschen im ordentlichen Pensionsalter geht in Rente

Gemäss Martin Kaiser vom Schweizerischen Arbeitgeberverband «ist die Realität der politischen Diskussion wahrscheinlich um einiges voraus», wie ihn der Tages-Anzeiger zitiert. Studien und Statistiken würden zeigen, dass heute nur rund ein Drittel der Menschen im ordentlichen Pensionsalter in Rente gehe. Ein Drittel gehe früher, die meisten von ihnen freiwillig, weil sie es sich leisten könnten und wollten. Nur rund ein Fünftel scheide unfreiwillig vorzeitig aus dem Berufsleben aus. Kaiser verweise auf eine Studie des Bundes von 2012, wonach ein Drittel der Befragten zwischen 65 und 69 in irgendeiner Form erwerbstätig bleibe, und dies unabhängig vom Rentenbezug.

Wie Höpflinger sehe auch Kaiser die Situation im Wandel. So dürfe das Argument der Rentenverbesserung durch einen längeren Verbleib im Erwerbsleben stärker werden. Weil die Menschen immer länger lebten, würden die Rentenumwandlungssätze weiter sinken, ohne dass alle Arbeitgeber in der Lage wären, diese Anpassungen auszugleichen. Damit werde es attraktiver, die Rente aufzubessern, indem man etwas länger arbeite.

Reformvorlage will Zuschläge für die AHV-Rente über 65 reduzieren

Bundesrat und Parlament planten allerdings, die Zuschläge für die AHV-Rente über 65 zu reduzieren. Und sie würden keinen Rahmen vorschlagen, der Pensionskassen verpflichten würde, die BVG-Renten auf eine Weiterbeschäftigung über 65 auszurichten. Lediglich die Möglichkeit eines Rentenaufschubs sei vorgesehen, wie der Tages-Anzeiger kritisiert.

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