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Schweizer Pensionskassen tun sich mit Finanztechnologie noch etwas schwer

Montag, 21.11.2016

Die Finanzindustrie setzt für Anlageentscheide bei Privat- und institutionellen Kunden teilweise schon auf Anlageroboter. Sie arbeiten kostengünstig und offenbar erfolgreich. Pensionskassen stehen der Fintech-Anwendung jedoch skeptisch gegenüber.

Die Digitalisierung schreiten weltweit voran – so auch die Digitalisierung der Arbeit. Berufe, die auf Wissen und Fachkenntnis beruhen, werden durch kognitive Systeme, künstliche Intelligenz und mittels Prozessautomatisierung durch Software-Roboter revolutioniert. Das gilt auch – noch vereinzelt – für den Vermögensberater und die Geldanlage. Anlageroboter arbeiten günstiger als Menschen und gehen dabei systematisch vor. Sie fällen die Anlageentscheide gemäss bekannten Methoden der sogenannten quantitativen Finanzanalyse, in dem sie etwa das idealste Risiko-Rendite-Verhältnis von Wertpapieren heraussuchen, und sich nicht von vielleicht widersprüchlichen Interessen leiten lassen.

Pensionskassen setzen kaum auf FinTech

Die Nachfrage nach solchen günstigen und offenbar auch erfolgreichen Lösungen steige sowohl bei privaten wie auch institutionellen Kunden stetig an, schreibt der «Tages-Anzeiger». Nicht aber bei Pensionskassen, die immerhin 820 Milliarden Franken anzulegen hätten. So fand der Tages-Anzeiger eine einzige Pensionskasse, die Pensionskasse der Angestellten der Bank Swissquote, die Anlageroboter in der Vermögensverwaltung einsetzt.

Die Kasse bestehe seit 15 Jahren, versichere rund 450 Mitarbeitende, verwalte 30 Millionen Franken Sparkapital und gehöre zu den kleinen Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz. Rund ein Drittel der Gelder sei, wie bei vielen Pensionskassen, in Aktien investiert. Die Hälfte davon verwalte der elektronische Vermögensverwalter, zitiert der Tages-Anzeiger den PK-Präsidenten und Swissquote-Finanzchef Michael Ploog. Seit rund vier Jahren seien auf diese Weise 5 Millionen in Franken- und in Euro-Aktien angelegt.

Rendite beträgt 16% pro Jahr

Im Fall von Swissquote wähle der elektronische Vermögensverwalter aus 207 Schweizer Aktien, die im Gesamtindex der Schweizer Börse SPI enthalten seien, die besten 43 aus. Quartalsweise kaufe der Roboter nach programmierten Kriterien gute Titel und verkaufe schlechte. Innert vier Jahren habe er so eine Performance von durchschnittlich 16% pro Jahr erreicht. Hätte die Pensionskasse auf den Kursverlauf aller SPI-Aktien gesetzt (sprich passiv auf den SPI-Börsenindex spekuliert), wäre ihr Vermögen im Schnitt pro Jahr um 8% gewachsen – halb so viel wie mit dem Roboter, wie der Tages-Anzeiger vorrechnet.

Ähnliche Anlagefonds für Pensionskassen kosten ein Drittel mehr

Der elektronische Vermögensverwalter koste die Versicherten jährlich rund 0.6%, habe der Swissquote-PK-Präsident gesagt. Günstige, ähnliche Anlagefonds für Pensionskassen kosteten laut Ploog 0.8% bis 0.9% Verwaltungsgebühren pro Jahr – rund ein Drittel mehr. In absoluten Zahlen habe die Kasse in vier Jahren rund 100‘000 Franken bezahlt und 2 Millionen Franken verdient. Die Pensionskasse hätte auch billiger mit der Anlage in einen SPI-Aktienindex investieren können. Das hätte in vier Jahren zwar nur geschätzte 25‘000 Franken gekostet, aber auch nur 500‘000 Franken Performance generiert.

Anlageroboter ist ein sehr junges Phänomen

Noch sind elektronische Vermögensverwalter – insbesondere für Pensionskassen – nicht sehr weit verbreitet. Ploog führte dies wohl darauf zurück, dass sie ein sehr junges Phänomen seien. Die Pensionskassenbranche sei hingegen konservativ geprägt. Man müsse ihr etwas Zeit geben. Und so sei es kein Zufall, dass gerade die Pensionskasse einer Online-Bank auf Fintech gesetzt habe. Sie selbst entwickelten diese Software für Privatanleger. So wüssten sie, was darin stecke und würden die Chancen und Risiken kennen.

Entstanden sei die Idee aus der Überwachung. Swissquote steuere das Anlagerisiko der Pensionskasse seit vielen Jahren selber. Die Entwicklung dieser Controlling-Software habe sie auf die Idee gebracht, auch eine Anlagesoftware herzustellen. Der Aktien-Schweiz-Roboter bestehe aus Algorithmen und basiere auf der Software des für Kleinanleger zugänglichen Fonds genannt Quant Swiss Equities.

BVG-Regulierung könnte diesem Geschäftsmodell enge Grenzen setzen

Fachleute für Pensionskassen seien jedoch skeptisch, weiss der Tages-Anzeiger. Auch könnten sich Pensionskassen eine professionelle Anlageberatung leisten. Der Pensionskassenberater Ueli Mettler von C-Alm etwa, der 2011 eine Kostenstudie der beruflichen Vorsorge (BVG) publiziert habe, sehe nicht ein, warum ein Computer mehr Erfolg als ein Berater haben solle. Er glaube eher, dass bewährte Beratungsinstrumente der Pensionskassen früher oder später im Privatsegment Fuss fassen würden. Auch werde die BVG-Regulierung diesem Geschäftsmodell enge Grenzen setzen.

Algorithmen können auch missbraucht werden

Algorithmen könnten beispielsweise auch zur Steigerung von Margen und Gebühren missbraucht werden, warnt Mettler, indem man entsprechende Befehlszeilen verstecke. Kritiker bemängelten zudem, dass Programme, die eine Mehrrendite zu generieren versuchten, den Herdentrieb an Börsen verstärken würden. Darüber hinaus hätten viele Studien gezeigt, dass solch aktives Management nach Abzug der Gebühren nach mehreren Jahren sich nicht mehr auszahle, verglichen zur passiven Anlage mittels Börsenindizes.

Haltung könnte sich wegen sinkender Renditen und steigendem Kostendruck ändern

Befürworter sehen dies etwas anders – wie der Tages-Anzeiger eine nicht genannte Quelle zitiert. Diese gehe davon aus, dass sich die abwehrende Haltung der Pensionskassen angesichts von sinkenden Renditen und steigendem Kostendruck ändern könnte. Gerade für kleine Vorsorgewerke sei eine breite Umsetzung der Anlagestrategie durch Anlageroboter sinnvoll, so die Quelle.

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