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Pensionskassen müssen bei der Beurteilung der Anlagemöglichkeiten umdenken

Mittwoch, 05.10.2016

Pensionskassen erzielen zurzeit zu wenig Rendite. Das Tiefzinsumfeld hat daran nur teilweise Schuld. Es liegt auch an den Anlageinstrumenten, welche die Kassen bzw. die Portfoliomanager wählen. Ebenso Teil haben Politik und Regulierung.

Das negative Zinsumfeld hat sich erstaunlich wenig auf die Portfoliostruktur der Schweizer Pensionskassen ausgewirkt, wie eine Umfrage der Universität St.Gallen im Auftrag der Swiss Funds & Asset Management Association (SFAMA) zeigt. Um die zukünftigen Herausforderungen bei der Finanzierung der beruflichen Vorsorge zu meistern, sei jedoch ein Umdenken bei der Beurteilung der Anlagemöglichkeiten notwendig, so der Verband. Die SFAMA setze sich zudem dafür ein, die Schwachpunkte im Bereich Regulierungen und Vorgaben mit gezielten Massnahmen für eine renditeorientierte Vorsorge zu beseitigen.

Wichtig sind das Rendite-Risiko-Verhältnis und die Nettoerträge

Für die Strukturierung ihrer Portfolios werten Manager von Schweizer Pensionskassen die Diversifikation als wichtigstes Entscheidungskriterium. Um die Attraktivität eines Investments zu beurteilen, gelten das Rendite-Risiko-Verhältnis, gefolgt von den Nettoerträgen als zentrale Kennzahlen. Die meisten Portfolios werden weniger als einmal pro Jahr neu gewichtet und umstrukturiert, wie die Umfrage zeigt.

Von den Gesamtkosten entfallen drei Viertel auf das Portfoliomanagement

Das derzeitige negative Zinsumfeld hat bisher nur begrenzt Auswirkungen auf die Portfoliostruktur der meisten Schweizer Pensionskassen gezeigt. Allerdings nehmen über 50% der Pensionskassen vermehrt Private Equity und Immobilien in Anspruch und reduzieren ihren Anleihebestand leicht, wie Prof. Dr. Stefan Morkötter von der Universität St.Gallen erklärt.

Die durchschnittliche Gesamtkostenquote (Total Expense Ratio) der teilnehmenden Pensionskassen beträgt 0.6%, wovon drei Viertel auf Portfoliomanagementkosten entfallen. Für 2015 wiesen Anleihen und Aktien mit 0.1% bzw. 0.3% die niedrigsten Kosten aus. Gleichzeitig fielen aber auch deren Bruttoerträge mit 0.1% bzw. 0.6% relativ gering aus.

Anders sieht das Bild bei Privatmarktinvestitionen aus, z.B. bei Private Equity Fonds: 5.8% Kosten, 12.1% Bruttoertrag. Hier zeigt sich eine positive Korrelation zwischen Portfoliokosten und Bruttoerträgen auf die erwirtschafteten Nettorenditen.

Pensionskassen achten zu wenig auf Kostenstrukturen einzelner Vermögensklassen

Trotz der teilweise niedrigen Nettorenditen scheint die Mehrheit der befragten Kassen grundsätzlich immer noch zufrieden mit dem Rendite-Kosten-Verhältnis von Anleihen, Aktien und Immobilien. Privatmarkt- und Hedgefonds-Investitionen werden vorsichtiger beurteilt. Dabei unterscheiden Pensionskassen nicht hinreichend zwischen den einzelnen Kostenstrukturen der verschiedenen Vermögensklassen, um ihre Anlagemöglichkeiten zu beurteilen, wie die Autoren vermuten.

Kostenbewusstsein sei zwar ein wichtiges Mittel für die Erzielung von Nettoerträgen, doch seien hohe Kosten nicht zwangsläufig auch ein schlechtes Zeichen, so die Autoren weiter. Stattdessen sollten die Kassen vermehrt auf Nettoerträge achten, um einzelne Anlageklassen miteinander zu vergleichen. Es gelte zudem, die Kosteneffizienz auf der Ebene einer einzelnen Anlageklasse zu bewerten – und nicht über verschiedene Anlageklassen auf aggregierter Portfolioebene hinweg, wie Stefan Morkötter moniert.

Berufliche Vorsorge wird von Niedrigzinsen und Regulierung geschwächt

Die berufliche Vorsorge werde nebst dem schwierigen Marktumfeld mit Niedrigzinsen auch durch Mängel in den Regulierungen und Vorgaben geschwächt. Fakt sei, dass die Vorsorgeeinrichtungen zu tiefe Renditen erzielten, was bei unveränderten Rahmenbedingungen zu Leistungssenkungen führen müsse. Das gefährde den Verfassungsauftrag, wonach die berufliche Vorsorge zusammen mit der ersten und zweiten Säule die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen solle.

Gesetz sieht nominelle Sicherheit nicht vor

Auch hätten sich Verordnungen und Praxis zunehmend vom Gesetzestext entfernt. So sei etwa der starke Fokus auf die nominelle Sicherheit im Gesetz nicht vorgesehen. «Es gilt, die Sicherheit der Leistungserfüllung wieder in den Vordergrund zu stellen. Eine Orientierung an Nominalwerten ist dabei nicht zielführend und für die Sicherheit unserer beruflichen Vorsorge nicht nachhaltig», wie Markus Fuchs, Geschäftsführer SFAMA, postuliert.

Bundesrat sollte Verordnungen anpassen

Der Bundesrat könne mit einfachen Massnahmen – ohne Gesetzesänderungen – wesentliche Verbesserungen der zweiten Säule durch gezielte Anpassungen seiner Verordnungen erzielen. Gleichzeitig könnten die Vorsorgeeinrichtungen mit einem renditeorientierten Verhalten den Kapitalmarkt als Beitragszahler besser nutzen, mahnt Fuchs.

Verband schlägt Massnahmen für mehr Rendite vor

Der Verband schlägt dazu Massnahmen für eine renditeorientierte Vorsorge vor. Diese umfassen eine Begründungspflicht bei absehbaren Leistungskürzungen, die Abschaffung der heutigen Kategoriebegrenzungen für einzelne Anlagekategorien sowie eine entscheidungsorientierte Berichterstattung und Informationspflicht. Solche Vorschläge sollen helfen, bei der öffentlichen Diskussion die Schwächen des heutigen Systems aufzudecken und mögliche Massnahmen für eine renditeorientierte Vorsorge einzuleiten.

Zur Studie

Das St.Gallen Institute of Management in Asia (Universität St. Gallen) führte im Auftrag der SFAMA eine umfassende Umfrage unter den grössten Schweizer Pensionskassen durch. Damit sollten die Transparenz über die Entscheidungskriterien sowie die Wechselwirkungen von Ertrags- und Kostenperspektiven im Anlageprozess von Schweizer Pensionskassen erhöht und ein Beitrag zur aktuellen Diskussion über die zukünftige Entwicklung des Vorsorgesystems geleistet werden.

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