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Öffentlich-rechtliche Kassen der deutschen und der welschen Schweiz weisen grosse Unterschiede auf

Donnerstag, 17.08.2017

Anlässlich der Reform der Finanzierung von Kassen öffentlich-rechtlicher Körperschaften 2012 zeigten sich riesige Unterschiede, etwa bei den Deckungsgraden. Zwar fand nun eine gewisse Angleichung statt, einen «Röstigraben» gibt es aber immer noch.

Zwischen den kantonalen Pensionskassen in der deutschen und der lateinischen Schweiz gibt es grosse Unterschiede. Ein solcher Röstigraben tut sich etwa bei den Deckungsgraden auf, schreibt Jérôme Cosandey von Avenir Suisse: 2011, also vor der Reform, hätten Pensionskassen der Ostschweizer Kantone Deckungsgrade von fast 100% aufgewiesen (AI 107%, AR und OW 101%). In der Welschschweiz aber seien die Deckungsgrade je weiter westlich man sich bewegt habe gesunken. Im Kanton Bern etwa habe der Deckungsgrad bei 86% gelegen, im Kanton Waadt bei 62% und in Genf schliesslich bei 53%. Überdies habe sich nur ein Viertel des Gesamtguthabens der schweizerischen kantonalen Pensionskassen bei den Kassen der lateinischen Kantone befunden, während ihre Unterdeckung insgesamt 60% der gesamten Unterdeckung ausgemacht habe.

Reform hat kantonale Pensionskassen zu höheren Deckungsgraden gezwungen

Vor 2012 seien die Vorsorgeeinrichtungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften im Gegensatz zu den privaten Pensionskassen nicht verpflichtet gewesen, jederzeit einen Deckungsgrad von 100% aufzuweisen. Damals sei man überzeugt gewesen, der Staat könne nicht Konkurs gehen und eine allfällige Sanierung der Pensionskassen durch die Arbeitgeber (das heisst den Staat) sei immer garantiert.

Doch die Privatisierung von Bundesbetrieben sowie die Fusion von Gemeinden hätten gezeigt, dass der Staat zwar Bestand habe, sein Zuständigkeitsbereich aber wandelbar sei. Infolge der Reform müssten die kantonalen Pensionskassen nun entweder bis ins Jahr 2022 einen Deckungsgrad von 100% aufweisen (Vollkapitalisierung) oder – unter Vorbehalt einer expliziten Staatsgarantie – innerhalb von vierzig Jahren einen Deckungsgrad von 80% (Teilkapitalisierung) erreicht haben.

Lage hat sich in der gesamten Schweiz verbessert

Vier Jahre nach dem Inkrafttreten der Reform habe sich die Lage in der gesamten Schweiz verbessert, sagt Cosandey. Infolge umfangreicher Sanierungsmassnahmen und dank einträglicher Kapitalmärkte sei der durchschnittliche Deckungsgrad in der Deutschschweiz von 92% im Jahr 2011 auf 101% im Jahr 2016 gestiegen und in der lateinischen Schweiz wiederum von 63% auf 69%.

Unterdeckung ist in bestimmten Regionen signifikant

Doch obwohl die Deckungsgrade überall angestiegen seien, bleibe die Unterdeckung in bestimmten Regionen signifikant. Mit Ausnahme der kantonalen Pensionskassen von Basel-Stadt, Zug und Bern hätten sich alle Kassen der deutschen Schweiz die Vollkapitalisierung zum Ziel gesteckt, während sich die Kassen der lateinischen Schweiz für das Modell der Teilkapitalisierung entschieden hätten. So sei der zweite Röstigraben entstanden.

Die Unterdeckung habe in Bezug auf den angestrebten Deckungsgrad von 100% der Pensionskassen der lateinischen Kantone von rund 24 Milliarden auf 27 Milliarden Franken zugenommen, während die Unterdeckung in der Deutschschweiz zwischen 2011 und 2016 von 15 Milliarden auf 10 Milliarden Franken gesunken sei.

Technische Zinssätze sind zu hoch

Die genannten Unterdeckungen seien anhand eines Diskontsatzes (technischer Zinssatz) ermittelt worden, der für alle Pensionskassen identisch angewendet worden sei (mit 3.5% für 2011 und mit 2.25% für 2016). Diese Harmonisierung sei notwendig, weil die Kassen ihre Passiven zu sehr unterschiedlichen Zinssätzen bewerten hätten: Die Schwankungsbreite habe 2016 zwischen 1.75% und 3.5% gelegen. Eine Differenz von 1 Prozentpunkt beim technischen Zinssatz führe zu einer Differenz von rund 10 Prozentpunkten beim Deckungsgrad.

Etliche Kassen haben den technischen Zinssatz inzwischen gesenkt

Auch in diesem Bereich würden grosse Unterschiede zwischen der lateinischen und der deutschen Schweiz auftreten, worin der dritte Röstigraben bestehe. Die Differenz zwischen den durchschnittlichen technischen Zinssätzen in den beiden Regionen sei in den vergangenen fünf Jahren etwa konstant bei 0,45 Prozentpunkten geblieben, selbst wenn in beiden Landesteilen die Zinssätze deutlich gesunken seien. Ausserdem würden die Unterschiede zwischen Ost- und Westschweiz nicht mehr so hoch ausfallen wie vor der Reform. Der Kanton Genf, 2011 das Schlusslicht mit 4.5%, habe seinen Zinssatz bis 2016 um 2 Prozentpunkte gesenkt und liege nun unter dem schweizerischen Durchschnitt. Auch der Kanton Glarus habe im selben Zeitraum einen deutlichen Rückgang von 4% auf 2.25% verzeichnet.

Zinssätze lagen weit über dem empfohlenen Maximalwert

Diese Analyse belege auch, dass die Zinssätze weit über dem Maximalwert lägen, der in der Fachrichtlinie FRP 4 der Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten festgelegt worden sei. 2016 habe der durchschnittliche technische Zinssatz der kantonalen Pensionskassen bei 2.65% und damit deutlich über dem Höchstzinssatz von 2.25% gemäss der FRP 4 gelegen.

Einige deutsch-schweizer Kassen verwenden tiefe und identische Zinssätze

Nur sieben kantonale Pensionskassen, die alle in der deutschen Schweiz lägen, würden einen tieferen oder identischen technischen Zinssatz verwendeten. Im Vergleich dazu habe der durchschnittliche Zinssatz der privatrechtlichen Pensionskassen laut Swisscanto 2.19% betragen. Dadurch werde klar, dass der Röstigraben nicht die einzige Kluft darstelle, die sich durch die schweizerische Vorsorgelandschaft ziehe.

Dieser Beitrag ist in der Zeitschrift «Schweizer Personalvorsorge» 7/17 erschienen.

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