Sie befinden sich hier: Startseite » Aktuelle Themen » Artikel

Nicht alle Banken sehen „Licht am Ende des Tunnels“

Donnerstag, 23.06.2016

Die Kreditwürdigkeit europäischer Grossbanken hat sich etwas verbessert. Doch während südeuropäische Banken weiterhin vor grossen Herausforderungen stehen, weisen nordische Institute vergleichsweise robuste Kennzahlen auf, sagt eine Studie.

Die Kreditwürdigkeit europäischer Grossbanken ist gestiegen. Experten führen dies auf eine bessere Kreditqualität zurück, welche die moderate wirtschaftliche Entwicklung der meisten Länder widerspiegelt. Die Bonität der Banken schlägt sich aber auch in niedrigeren Risikokosten und der materiellen Auflösung von Risikovorsorgebeständen nieder. Zudem fallen die erhöhten Kapitalquoten ins Gewicht.

Unterschiede zwischen stärkeren und schwächeren Banken haben sich verfestigt

«Die Rangordnung in der europäischen Bankenlandschaft bleibt stabil. Substanzielle Unterschiede zwischen stärkeren bzw. schwächeren Volkswirtschaften und Banken haben sich verfestigt. Allgemein belasten tiefe Zinsen und die Zurückhaltung der Kunden in der Vermögensverwaltung und im Kapitalmarktgeschäft die Ergebnisse den Kapitalaufbau und den Unternehmenswert der Banken stark», erklärt Christian Fischer, Partner des Schweizer Bonitätsinstituts „Independent Credit View“ und Mitautor der «I-CV Bankenstudie 2016». Die Autoren unterzogen 34 europäische Institute aus elf Staaten einer umfassenden Analyse inklusive Stresstest.

Problemkredite und strukturelle Mängel belasten die Banken

«Die massiven Problemkredite italienischer Banken sind, neben den strukturellen Mängeln Frankreichs und Italiens, das wichtigste Hindernis für die Gesundung der europäischen Wirtschaft sowie für Banken. Sie sind zudem entscheidend für die Glaubwürdigkeit der europäischen Bankenaufsicht», sagt Fischer. Aus seiner Sicht zeichnet sich noch keine überzeugende Lösung ab. «Investoren sollten diese Entwicklungen bei ihren Anlageentscheidungen im Blick haben», mahnt Fischer.

Regulatorische Eingriffe sowie Marktveränderungen beeinflussen das Rating

Von den 34 ausgewerteten Banken stellt Deutschland, mit acht Instituten, das Gros dar, gefolgt von Grossbritannien, mit fünf Banken, und von Frankreich sowie Schweden, mit jeweils vier Banken. Die weiteren Banken stammen aus den Niederlanden (drei), aus der Schweiz, Österreich, Italien und Spanien (je zwei) sowie Dänemark und Norwegen.

Die fundamentale Stärke jedes einzelnen Instituts wurde aufgrund von mehr als 30 Bewertungsfaktoren evaluiert. Im Anschluss wurden die Banken einem umfassenden Stresstest unterzogen und mögliche Auswirkungen von regulatorischen Eingriffen sowie Marktveränderungen untersucht. Daraus ergibt sich eine breite Spanne der Bonitätseinschätzungen von AA- bis BB+.

Schweizer Institute bleiben solide bewertet

Swedbank und Svenska Handelsbanken aus Schweden bleiben unverändert bei AA-, während mit der italienischen Unicredit SpA und deren Bewertung BB+ auch in dieser Studie nur ein Institut im Bereich "Non Investmentgrade" eingestuft wurde. Die leichte Stabilisierung im Bankenmarkt hat drei Upgrades um jeweils eine Stufe und lediglich ein Downgrade bei Standard Chartered von BBB+ auf BBB zur Folge.

Schweizer Institute bleiben solide bewertet, während sich in Deutschland ein heterogenes Bild zeigt und die österreichische Raiffeisen Bank International sowie Erste Group unverändert weit hinten in der Rangliste zu finden sind.

Die Deutsche Bank kämpft mit massiven Problemen

Um sich im Markt wieder besser zu positionieren, macht die Deutsche Bank Ernst mit ihrem Sparkurs: Gut ein Viertel der Filialen in Deutschland wird geschlossen, knapp 3 000 Vollzeitstellen fallen weg. Die Zahl der Standorte wird von 723 auf 535 verringert. Vor allem in Ballungsräumen will Deutschlands grösste Universalbank ihr Filialnetz ausdünnen, wie sie am Donnerstag mitteilte. Über die Streichung von etwa 1 000 weiteren Stellen in anderen Bereichen in Deutschland wird noch verhandelt. Die Bank hatte vergangenen Oktober angekündigt, über den geplanten Postbank-Verkauf hinaus im eigenen Haus bis 2018 unter dem Strich 9 000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen, davon 4 000 in Deutschland.

Zusätzlicher Kapitalbedarf von Schweizer Instituten ist gering

Das Ergebnis in Bezug auf österreichische Banken ist auch eine Folge des I-CV-Stresstests, der den Kapitalbedarf unter Annahme bestimmter Modell-Parameter ermittelt hat. «Hier kommt der gespaltene europäische Bankenmarkt besonders zu Tage. In der Schweiz und in Nordeuropa sehen wir einen geringen zusätzlichen Kapitalbedarf. Dagegen wäre bei Eintritt des Stressszenarios in Südeuropa, in Österreich und zum Teil auch in Frankreich ein enormer Kapitalbedarf vorhanden», erklärt Fischer weiter.

In Südeuropa würde der Kapitalbedarf 129% der aktuellen Marktkapitalisierung betragen und in Österreich immerhin noch 99%. Die Bonitäten der Banken dieser Staaten sind somit bereits durch diese Fakten abgestraft worden.

Eine Erkenntnis des Stresstests lautet: höhere Kapitalanforderungen lösen die strukturellen Probleme einzelner Banken(-systeme) nicht, sondern erhöhen unter Umständen das Risiko für ihre Gläubiger (Stichwort Bail-in). «Es gibt also definitiv nicht für alle Banken Licht am Ende des Tunnels», sagt Fischer.

Vorsichtiges Vorgehen bei Anlagen in Schuldverschreibungen europäischer Banken

Analog zu den Ergebnissen 2015 erwartet Fischer für 2016/2017 «insgesamt eine leicht positive Entwicklung der intrinsischen Bonität der Banken auf befriedigendem Niveau». Fortschritte dürften dank besserer Kreditqualität (wirtschaftliche Entwicklung) und niedrigen Risikokosten erzielt werden. Und der regulatorische Druck zur Umsetzung von Basel III führt zu höheren Kapitalquoten.

Doch angesichts der signifikanten wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten in Europa und den vielfach nur mit Mühe zu bewältigenden regulatorischen Anforderungen empfiehlt er weiterhin ein vorsichtiges und selektives Vorgehen bei Anlagen in Schuldverschreibungen europäischer Banken. «Wir bevorzugen weiterhin Banken mit einfachem, nachvollziehbarem und robustem Geschäftsmodell und gut diversifizierten Aktiva, Passiva und Erträgen».

Duration von Anlagen in Anleihen europäischer Banken verkürzen

Fischer empfiehlt, Banken mit problematischen Geschäftsmodellen (etwa in Bezug auf Komplexität, Transparenz, Anfälligkeit für Tail-Risiken aus Kapitalmarkt- oder Kreditgeschäften), mit unvorteilhaftem Refinanzierungsprofil (etwa grosse bevorrechtigte Gläubigergruppen, Übergewicht institutioneller und/oder ausländischer Gläubiger) oder mit qualitativ und quantitativ schlechtem Eigenkapital zu vermeiden, bzw. unterzugewichten. Fischer hält Engagements bei bonitätsschwachen Banken aufgrund der bonitätsbereinigt unzureichenden Risikoprämien für unattraktiv. Generell empfiehlt das Ratinginstitut, die Duration von Anlagen in Anleihen europäischer Banken kurz zu halten, bzw. zu verkürzen.

Anzeige
 
Twitterdel.icio.usgoogle.comLinkaARENAlive.comMister Wong
Copyright © 2011-2024 vorsorgeexperten.ch. Alle Rechte vorbehalten.