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«Mit der vom Bundesrat aufgegleisten Reform der Altersvorsorge sichern wir auch die Renten der jüngeren Generationen»

Dienstag, 26.04.2016

Bundesrat und Sozialminister Alain Berset hat das Parlament bei den Beratungen zur Altersvorsorge 2020 vor einer Schuldenbremse mit automatisch auf 67 Jahre steigendem Rentenalter gewarnt. Dies wäre „das Todesurteil“ der Reform.

Die AHV hat 2015 ein Defizit von rund einer halben Milliarde Franken geschrieben. Wie Bundesrat Alain Berset in einem Interview, das im «St. Galler Tagblatt» sowie in der «Neuen Luzerner Zeitung» abgedruckt wurde, äussert, hat sein Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schon seit längerem mit roten Zahlen gerechnet. Dabei sei das Ergebnis der AHV noch «leicht besser als erwartet» gewesen. Neu sei, dass die Anlageerträge sehr schlecht ausgefallen seien. 2014 hätten diese die roten Zahlen der AHV noch wettgemacht.

Defizit in der AHV kann sich rasch auf mehrere Milliarden Franken pro Jahr ausweiten

Gemäss den Berechnungen des BSV verschärfe sich das Problem mit der demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren noch, wie Berset weiter ausführt. Bis in zehn Jahren rechneten sie nicht mehr bloss mit einem Defizit von einer halben Milliarde Franken, sondern sehr rasch mit mehreren Milliarden Franken pro Jahr. Wenn nichts passiere, sei der AHV-Fonds also bald leer. Das zeige, dass die gesamtheitliche Reform der Altersvorsorge, die das Parlament zurzeit berate, gelingen müsse. Berset will denn auch alles tun, um in der ersten Säule eine Schuldenwirtschaft zu verhindern.

Verknüpfung der Finanzen mit Erhöhung des Rentenalters wäre „Todesurteil“

Die Sozialkommission des Nationalrats hat sich bei der AHV unlängst für die vorgeschlagene Schuldenbremse des Arbeitgeberverbandes ausgesprochen, wonach das Rentenalter schrittweise auf 67 Jahre erhöht würde. Berset sieht in einer Verknüpfung der finanziellen Lage der AHV und der automatischen Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre jedoch «das Todesurteil» für die Vorlage.

Der Bundesrat habe eine ausgewogene Vorlage präsentiert und auch solche Mechanismen studiert. Er wolle ebenfalls eine Regel, die die Schuldenwirtschaft verhindern solle. Diese nehme aber Rücksicht auf das Primat der Politik und enthalte in einer zweiten Phase einen vorübergehenden finanziellen Automatismus, der keine Auswirkungen auf das Rentenalter habe. Es brauche einen Kompromiss, Maximalforderungen hätten vor dem Volk keine Chance.

Maximalforderungen müssten in einer Volksabstimmung erklärt werden

Wie Berset erläutert, müsste die Erhöhung des Rentenalters für Frauen um drei Jahre und für Männer um zwei Jahre in einer Volksabstimmung erklärt werden. Das gehe zu weit; der Arbeitsmarkt sei dafür gar nicht bereit. Man habe heute oft den Eindruck, dass Arbeitgeber nicht besonders daran interessiert seien, ältere Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. In gewissen Branchen hätten die Leute ab 55 Jahren fast keine Chance mehr, eine Stelle zu finden. Man dürfe dies nicht nur theoretisch betrachten.

Bundesrat will Flexibilisierung, um das reale Rentenalter mit Anreizen zu erhöhen

So wäre es falsch, sich nur auf die Erhöhung des Rentenalters zu fokussieren. Der Bundesrat wolle eine Flexibilisierung, um das reale Rentenalter mit Anreizen zu erhöhen. Dort bestehe Handlungsbedarf. Bei den Frauen liege das Rentenalter faktisch nicht bei 64 Jahren, sondern im Schnitt bei 62,3 Jahren. Bei den Männern seien es im Schnitt 64,1 Jahre und nicht 65 Jahre.

Sich nur auf ein Alter im Gesetz zu stützen wäre falsch

Das Argument, dass die Lebenserwartung steigt, weshalb eine Verknüpfung mit dem Rentenalter oder dessen Erhöhung auf 67 Jahre mittelfristig auf der Hand liege, will Berset nicht gelten lassen. Uniprofessoren und andere Akademiker hätten nicht die gleiche Lebenserwartung wie etwa Bauarbeiter. Das wäre nicht unbedingt gerecht. In der heutigen Gesellschaft sei es falsch, sich nur auf ein Alter im Gesetz zu stützen. Sie müssten stattdessen dafür sorgen, dass das reale Rentenalter steige. Nötig seien je nach Branche flexible Lösungen.

Rentenniveau muss erhalten bleiben

Umstritten ist im Nationalrat auch die Erhöhung aller AHV-Neurenten um jährlich 840 Franken. Wie Berset erklärt, müsse das Rentenniveau in der ersten Säule und im obligatorischen Teil der zweiten Säule mit Kompensationen erhalten bleiben, damit die aktuelle Reform nicht scheitere. Der Umwandlungssatz in der beruflichen Vorsorge solle innerhalb von vier Jahren von 6.8% auf 6.0% sinken. Die letzte geplante Senkung sei nur halb so stark gewesen und habe sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Trotzdem habe sie vor dem Volk keine Chance gehabt.

Der Ständerat erkenne das Ziel zwar an, ihm gingen die Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Lohnbeiträge für die zweite Säule aber zu weit. Er habe die Kompensation in der zweiten Säule halbiert und dafür eine Teilkompensation mit tieferen Lohnbeiträgen in der ersten Säule eingebaut. So sei es zur Erhöhung der AHV-Renten um monatlich 70 Franken gekommen. Bundes- und Ständerat verfolgten letztlich dasselbe Ziel, aber auf anderen Wegen, fasst Berset zusammen.

Letztlich geht es um einen politischen Kompromiss, der für die Leute gerecht ist

Auf die Kritik, dass damit alle Neurentner von höheren AHV-Renten profitieren würden, statt nur jene, die es brauchen, kontert Berset, dass es nicht an ihm sei, den Vorschlag des Ständerats zu verteidigen. Die 70 Franken seien aber Teil der Kompensation des Umwandlungssatzes. Für eine AHV-Minimalrente sei das in Prozent eine viel stärkere Erhöhung als für die Maximalrente. Letztlich geht es um einen politischen Kompromiss, der für die Leute gerecht sei. Das hätten der Bundesrat und der Ständerat berücksichtigt, auch wenn letzterer die Vorlage stark verändert habe. Nun warteten sie auf die Lösung des Nationalrats.

AHV-Plus-Initiative ist nicht mit Vorschlag des Ständerats vergleichbar

Auf die Frage, was eine Annahme der AHV-Plus-Initiative der Gewerkschaften für die Rentenreform bedeuten würde, meint Berset, das dies beim besten Willen nicht mit dem Vorschlag des Ständerats vergleichbar sei. Die Gewerkschaften wollten eine Erhöhung der AHV-Renten um 10%. Das würde zu Mehrkosten von 4,5 Milliarden Franken pro Jahr führen. Im Gegensatz zu den Vorschlägen des Bundes- und Ständerats wüssten sie aber nicht, wie sie das finanzieren sollten.

Renten sind auch für jüngere Generationen noch gesichert

Auch auf die Frage, ob die Renten für jüngere Generationen noch gesichert seien, gibt sich Berset zuversichtlich. Er zweifle nicht daran. Die Bevölkerung stehe zur AHV und werde es nicht zulassen, dass dieses einzigartige Sozialwerk zerstört werde. Aber sie müssten eine Vorlage zustande bringen, die vor dem Volk mehrheitsfähig sei. Mit der vom Bundesrat aufgegleisten Reform der Altersvorsorge würden sie auch die Renten der jüngeren Generationen sichern.

Das vollständige Interview finden Sie unter diesem Link.

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