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Jede zehnte Privatbank hat sich 2015 vom Schweizer Markt verabschiedet

Donnerstag, 25.08.2016

2015 war für viele Schweizer Privatbanken ein düsteres Jahr: Die Ergebnisse haben sich weiter verschlechtert und Besserung ist kaum in Sicht. Rund 55% der Banken bewegen sich im „roten Bereich“; Nettoneugelder kommen kaum noch hinzu.

Die Ergebnisse der meisten Privatbanken im Schweizer Markt haben sich 2015 weiter verschlechtert. Es ist ihnen nicht gelungen, nennenswerte Neugelder zu generieren. Dies bei steigenden Kosten. So mussten zwei Drittel der Institute einen Rückgang der Eigenkapitalrendite hinnehmen. Schliesslich wurde jede zehnte Privatbank vom Schweizer Markt verdrängt. «Die Branche braucht dringend einen radikalen Wandel, wenn sich die Lage nicht weiter zuspitzen soll», erklärte Philipp Rickert, Head of Financial Services und Mitglied der Geschäftsleitung von KPMG heute gegenüber Medien. KPMG Schweiz hat in der Studie «Clarity on Performance of Swiss Private Banks» gemeinsam mit der Universität St. Gallen 87 in der Schweiz tätige Privatbanken auf ihre Rentabilität und Effizienz hin untersucht. «Die Lage von zahlreichen Privatbanken hat sich gegenüber den Vorjahren weiter eingetrübt. Die Bestrebungen, ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle an das neue Umfeld anzupassen, haben sich als unzureichend erwiesen», so Rickerts Fazit.

Die Anzahl der «Weak Performers» wächst rasant

In der aktuellen Untersuchung wurden die Privatbanken auf Grundlage ihrer Performance in vier Kategorien unterteilt:

Quelle: KPMG; Stand: 31.12.2015

Die Studie klammert jedoch die unmittelbaren Folgen der globalen Finanzkrise aus und fokussiert auf das Abschneiden der Institute seit 2010. Die Ergebnisse veranschaulichen, wie sehr die Kluft zwischen den stärksten und schwächsten Privatbanken wächst: Über ein Drittel der untersuchten Banken zählt zur Gruppe der «Weak Performer». Beunruhigend ist dabei die Tatsache, dass die Aufwand-Ertrags-Verhältnisse dieser Gruppe alleine im letzten Jahr um fast 10 Prozentpunkte gestiegen sind und dass über die Hälfte der Institute Verluste ausgewiesen haben.

Nur ein Viertel der Privatbanken hat positive Aussichten

Die Untersuchung zeigt aber auch Positives: So ist es der Gruppe der «Average Performer – Up» gelungen, die Eigenkapitalrenditen seit 2010 laufend zu steigern, die Netto-Erträge pro Vollzeitmitarbeiter zu erhöhen und die Aufwand-Ertrags-Verhältnisse zu verbessern. Die Privatbanken dieser Kategorie könnten die «Strong Performer» von morgen werden.

Jede zehnte Privatbank ist vom Markt verschwunden

Dennoch – innerhalb nur eines Jahres ist jede zehnte Privatbank vom Markt verschwunden. Vergangenes Jahr prognostizierte KPMG noch einen Rückgang der Zahl der Banken von 30% binnen weniger Jahre. Diese Prognose bestätigte sich bzw. war womöglich noch zu konservativ. Mehrere ausländische Geldinstitute wie beispielsweise die Royal Bank of Canada oder Coutts International haben den hiesigen Markt verlassen, während einige Schweizer Privatbanken mit der schwächsten Performance ihre Tore für immer geschlossen haben.

Es kam 2015 zu 15 Fusionen und Übernahmen, an denen Schweizer Privatbanken beteiligt waren. Dies ist der höchste Stand seit 2007. Dabei machen «Asset Deals» mit rund zwei Dritteln aller Transaktionen die deutliche Mehrheit aus, was eine anhaltende Angst von Käufern vor der Übernahme von Altlasten im Rahmen von «Share Deals» widerspiegelt.

Zwei Drittel der Banken weisen rückläufige Eigenkapitalrenditen auf

Zwei Drittel der Banken mussten vergangenes Jahr einen teils deutlichen Rückgang der Eigenkapitalrendite hinnehmen. «Weak Performer» traf es besonders hart. Ihre Eigenkapitalrendite sank 2015 auf -0.9%. Von den 87 untersuchten Privatbanken gelang es gerade einmal sechs Instituten, die Eigenkapitalrendite in den letzten drei Jahren kontinuierlich zu steigern. Hintergrund dieser letztjährigen Entwicklung waren der starke Schweizer Franken, Negativzinsen sowie anhaltende regulatorische Veränderungen, namentlich der Automatische Informationsaustausch sowie Selbstanzeigeprogramme.

Banken generieren praktisch kaum mehr Nettoneugelder

Das negative Marktumfeld und die Unfähigkeit der Schweizer Privatbanken, Nettoneugelder zu generieren, führten 2015 zu einem Rückgang der verwalteten Vermögen um 100 Milliarden Schweizer Franken. Selbst unter den «Strong Performern» war das generierte Nettoneugeldvolumen fast vernachlässigbar, während die «Weak Performer» Nettoabflüsse verzeichneten. Insgesamt beliefen sich die Nettoneugelder 2015 auf 4,3 Milliarden Schweizer Franken, was der niedrigste Stand seit 2009 ist.

Zwischen «Strong Performern» und «Weak Performern» war die Kluft besonders gross: Die Differenz bei Nettoneugeldern belief sich auf rund 8 Prozentpunkte. Erzielten Erstere beim Nettoneugeldvolumen ein Plus von 1.9%, verbuchten «Weak Performer» ein Minus von 5.7%. Institute mit internationaler Präsenz (Tochtergesellschaft oder Niederlassung im Ausland) waren eher in der Lage, Nettoneugelder zu generieren.

Kleinere Banken suchen vergeblich nach Wachstum

Die grossen Privatbanken waren mit Blick auf Synergieeffekte und Neugeschäfte aktiv um Wachstum im In- und Ausland bemüht. Der Median der Eigenkapitalrendite jener Banken, die zwischen 2010 und 2014 grössere Übernahmen getätigt hatten (Einzeltransaktionen in Höhe von mindestens 10% des vom Käufer verwalteten Vermögens), stieg in den zwei Jahren nach der Übernahme (bzw. im Jahr nach der Transaktion bei den 2014 abgeschlossenen Akquisitionen) um 2,8 Prozentpunkte. Dank dieser Transaktionen waren die betreffenden Banken 2015 zudem in der Lage, ihr Aufwand-Ertrags-Verhältnis durchschnittlich um 1.9 Prozentpunkte zu reduzieren.

Aufwand-Ertrags-Verhältnisse nehmen deutlich zu

Die Personalkosten machten letztes Jahr 67.2% des Betriebsaufwands aus. Obwohl die Zahl der Angestellten in der Branche durch Übernahmen und Liquidationen insgesamt abnahm, erhöhte sich bei zwei von drei Banken der Median der Aufwand-Ertrags-Verhältnisse um einen Prozentpunkt. Die «Weak Performer» traf es am ärgsten: Der Median ihrer Aufwand-Ertrags-Verhältnisse stieg allein vergangenes Jahr um satte 9.5 Prozentpunkte.

Trotzdem sind weitere Investitionen erforderlich. Zu viele private Geldhäuser arbeiten immer noch mit alten Kernbankensystemen. Diese lassen sich zwar günstiger betreiben, sind aber nicht flexibel genug, um die Kundenbedürfnisse abzudecken und erfolgreich ins digitale Bankgeschäft vorzudringen.

Aussichten bleiben düster

Für Philipp Rickert bleiben die Aussichten vieler Institute weiterhin düster: «Transparenzvorgaben und immer komplexere Regulierungen, veränderte Ansprüche einer neuen Kundengeneration sowie raue Marktbedingungen erweisen sich für immer mehr Privatbanken zu einem giftigen Gemisch.» Es wundert daher nicht, dass eine zunehmende Zahl von Geldhäusern ihre Geschäftsaktivitäten verkauft und andere ihre Geschäftstätigkeiten einstellen.

Auch Christian Hintermann, Leiter Advisory Financial Services bei KPMG, warnt vor der Zukunft: «Wenn der 2015 eingeleitete Trend einer vermehrten Marktverdrängung von schwachen Performern anhält, kann es in den nächsten zwei bis drei Jahren zu einer weiteren Reduktion von jährlich 10% kommen».

Ohne radikalen Wandel geht es nicht

Doch eine nachhaltige Verbesserung lasse sich ohne radikalen Wandel nicht erreichen. Die Optimierung alter Geschäfts- und Betriebsmodelle reiche nicht mehr aus. «Wachstum ist die einzige Überlebensstrategie. Damit es sich einstellen kann, sind aber fundamentale Änderungen erforderlich», mahnt Hintermann. Auch müssten die Privatbanken ihr Leistungsversprechen grundsätzlich überarbeiten, um ihren Kunden einen Mehrwert zu bieten. Ferner müssten die Dienstleistungsangebote so ausgelegt werden, dass sie auch profitabel seien. Die Vertriebseffizienz müsse erhöht werden, in dem die Fähigkeiten der Front-Offices erhöht und die Prozesse weiterentwickelt würden. Auch müssten Geldhäuser die Industrialisierung und Prozessautomation insgesamt proaktiver vorantreiben, um so ihre betriebliche Effizienz zu steigern. «Auf diese Weise sind sie besser in der Lage, ihre Aufwand-Ertrags-Verhältnisse zu reduzieren», ist Hintermann überzeugt.

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