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Die EZB dämpft die Erwartungen über ein rasches Ende der lockeren Geldpolitik

Freitag, 09.06.2017

Die EZB gestaltet ihre Geldpolitik u.a. wegen tiefer Inflationsprognosen unverändert expansiv. Sie hat den Verweis auf mögliche Leitzinssenkungen aus ihrer Guidance aber entfernt. Die Wachstumsaussichten beurteilt sie als weitgehend ausgeglichen.

Anleger hatten die Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag mit Spannung erwartet. Tatsächlich hält die EZB an ihrer lockeren Geldpolitik mit den rekordtiefen Leitzinsen fest. So können sich Geschäftsbanken Geld bei der Zentralbank weiterhin zum Nulltarif ausleihen, müssen auf Einlagen jedoch einen Strafzins von unverändert 0.40% bezahlen. Die Zentralbanker wollen ausserdem weiterhin monatlich 60 Milliarden Euro für den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen aufwenden; dies mindestens bis Ende 2017, nötigenfalls auch darüber hinaus.

Mit dem Zinsentscheid wurden auch die aktuellen Prognosen der EZB Mitarbeitenden zum Wachstum und zur Inflation veröffentlicht. Darin wurden die Wachstumsprognosen durchgehend leicht angehoben, während die Inflationsprognosen für 2017 bis 2019 deutlich gesenkt wurden, was für manche überraschend kam. Die Inflationsprognosen liegen nun allesamt unter jenen vom März 2017. Für die Jahre 2017 bis 2019 rechnet die EZB neu mit Inflationsraten von 1.5%, 1.3% bzw. von 1.6% im Vorjahresvergleich.

Ära der Zinssenkungen scheint vorbei zu sein

Eine Anpassung nahm die EZB auch bei ihrer Forward Guidance vor. Sie strich die Formulierung, wonach die Zinsen bei Bedarf auf ein niedrigeres Niveau gesenkt werden könnten. EZB-Präsident Mario Draghi erklärte es damit, dass die Deflationsrisiken geschwunden seien. Auch beschrieb die EZB die mit ihrem Wachstumsausblick einhergehenden Risiken als «weitgehend ausgeglichen», statt wie bisher, als «abwärts gerichtet».

Dennoch äusserte Draghi auf Anfrage gegenüber Medien, dass im Notfall die Zinsen auch nochmals gesenkt werden könnten, auch wenn dies derzeit unwahrscheinlich sei. Die EZB hatte zuvor bekräftigt, dass die Leitzinsen noch für längere Zeit und weit über das Ende der Anleihekäufe hinaus auf dem aktuellen Niveau bleiben würden. Von einer Normalisierung der Geldpolitik will Draghi denn auch nichts wissen. Im EZB-Rat ist laut Draghi deshalb auch nicht diskutiert worden, wann eine Veränderung der Anleihekäufe kommuniziert werden soll.

EZB könnte Reduktion der Wertschriftenkäufe im September ankündigen

Die Anpassung der Guidance erachten Analysten der Zürcher Kantonalbank und der Credit Suisse zwar als ersten Schritt in Richtung eines Ausstiegs aus der derzeitigen Lockerungspolitik. Sie sei andererseits aber nichts anderes als eine Anpassung an die Realität (ausgeglichene Wachstumsrisiken) und sollte deshalb nicht überbewertet werden, mahnen die Analysten. Die erwarten zudem, sofern sich die Konjunkturdaten weiter verbessern, dass die EZB im September 2017 eine schrittweise Reduktion ihrer Wertschriftenkäufe (Tapering) ab Januar 2018 ankündigen wird.

Die nach wie vor verhaltene Inflationsentwicklung deute indessen auch auf ein gewisses Risiko hin, dass sich diese Ankündigung oder sogar der Beginn des Tapering-Prozesses verzögern könnte. Wenn das Tapering erst einmal einsetzt, dürfte das Wertschriftenkaufprogramm indes in jedem Fall in sechs bis neun Monaten gänzlich heruntergefahren werden, sind die CS-Analysten überzeugt.

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