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Die Basler Konjunkturforscher reduzieren die Schweizer Wachstumsprognose

Dienstag, 13.06.2017

Die Basler Konjunkturforschungsstelle BAKBASEL rechnet für 2017 aufgrund des verhaltenen Jahresauftakts nur noch mit 1.4% Wirtschaftswachstum. Im nächsten Jahr soll dieses dank einer gesteigerten Binnenkonjunktur auf 1.8% zulegen.

Die Industrie hat seit Jahresbeginn in vielen Ländern an Dynamik gewonnen. Da Industriebranchen in vielen Fällen exportorientiert sind, spiegelt sich diese Entwicklung in der deutlichen Beschleunigung des Welthandels wider. Auch der chinesische Aussenhandel, welcher mittlerweile von entscheidender Bedeutung für den Welthandel ist, hat seit Jahresbeginn deutlich zugelegt. Aufgrund dieser Trends geht BAKBASEL für 2017 von einem Anstieg des Welthandels um über 5% aus. Dies ist eine markante Beschleunigung gegenüber der sehr verhaltenen Entwicklung des Jahres 2016 (+1.6%). Auch das Weltwirtschaftswachstum wird 2017 mit 2.7% schwungvoller als noch im Vorjahr ausfallen (2016: +2.3%). Insbesondere die Eurozone befindet sich mittlerweile auf einem robusten Wachstumskurs: Im ersten Quartal 2017 lag das BIP-Wachstum der Eurozone im ersten Quartal 2017 erneut bei 0.5% gegenüber dem Vorquartal und die Arbeitslosigkeit sank im April auf 9.3%, der tiefste Stand seit 2009. Für das Gesamtjahr prognostiziert BAKBASEL im Euroraum ein BIP-Wachstum von 2.0% (2016: +1.7%). Da die Eurozone der bei weitem wichtigste Handelspartner der Schweiz ist, wird dies auch die inländische Konjunkturentwicklung unterstützen.

Wachstumsprognose für die Schweiz wird nach untern korrigiert

Die Schweizer Wirtschaft expandierte im ersten Quartal 2017 um 0.3% gegenüber dem Vorquartal. Der Hauptgrund für das hinter den Erwartungen zurückbleibende Wachstum ist, dass ein substantieller Teil der Nachfrage bisher aus den Lagern bedient wurde. Ohne diesen Effekt wäre die BIP-Expansion deutlich kräftiger ausgefallen. Dennoch sind mit dem verhaltenen ersten Quartal gewisse Wachstumsimpulse für das Gesamtjahr verloren gegangen. BAKBASEL reduziert daher die Prognose für 2017 auf 1.4% (von +1.6% in der Märzprognose).

Industrieaufschwung stimmt optimistisch

Gemäss BAKBASEL sollte sich die verhaltene Entwicklung des ersten Quartals in den kommenden Monaten allerdings nicht fortsetzen. Als gutes Zeichen werten sie insbesondere, dass sich die Dynamik der Industrie deutlich beschleunigt hat: War die Wertschöpfung der Industrie zwischen dem zweiten und vierten Quartal 2016 auf Vorquartalsbasis stagniert, expandierte die reale Wertschöpfung zu Jahresbeginn 2017 um kräftige 2.2%.

Die Bremswirkung durch den starken Franken scheint somit überwunden und die Unternehmen investierten wieder, wie es die im ersten Quartal deutlich gestiegenen Ausrüstungsinvestitionen belegten, sagen die Konjunkturforscher. Die Beschleunigung der Industrie sei ein positives Konjunktur-Signal für die kommenden Monate, da die Industrie-Entwicklung meist einen frühzyklischen Charakter aufweise.

Eine Erklärung hierfür sei, dass die Industrie als Exportbasis der Schweizer Wirtschaft am schnellsten von der Aufhellung des globalen Umfeldes profitiere. Mit gewisser Verzögerung führe ein Industrieaufschwung jedoch auch zu einem Anstieg der Beschäftigung und der Einkommen mit entsprechend positiven Effekten auf die Binnenkonjunktur.

Privater Konsum wächst 2017 und 2018 wieder schwungvoller 

BAKBASEL geht davon aus, dass der private Konsum in den nächsten Monaten wieder an Schwung gewinnt. Rückenwind soll vom Arbeitsmarkt kommen: Seit September 2016 sinke die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit zwar langsam, aber stetig. Auch die Konsumentenstimmung werten die Konjunkturforscher als deutlich besser als in den Jahren 2015 und 2016. Aus diesen Gründen geht BAKBASEL davon aus, dass der private Konsum 2017 (+1.4%) und 2018 (+1.6%) wieder stärker expandieren wird als noch im vergangenen Jahr (+1.2%).

Exportentwicklung ist breit abgestütz

Das trotz Frankenstärke erstaunlich hohe Exportwachstum 2016 (+4.4%) war vor allem den boomenden Chemie-/Pharmaexporten zu verdanken, welche mittlerweile rund 50% der Schweizer Güterexporte ausmachen. In den meisten anderen Segmenten kam es dagegen zu Exportrückgängen. Die Aufhellung im globalen Umfeld sollte 2017 und 2018 dazu führen, dass die Exportentwicklung breiter abgestützt verläuft, wie die Ökonomen meinen. So soll die stärkere Konjunktur im Euroraum die Nachfrage nach Schweizer Investitionsgütern ankurbeln. Bei den Pharma-Exporten erwarten sie dagegen eine Konsolidierung auf hohem Niveau. Insgesamt erwartet BAKBASEL für die Schweizer Exporte (Güter + Dienstleistungen) ein Wachstum von 3.0% (2017) bzw. 3.7% (2018).

Franken dürfte sich leicht abwerten, die Zinsen tief bleiben

Zum soliden Exportausblick trägt auch die erwartete leichte Abwertung des Frankens bei, der im Verlauf des Jahres 2018 in Richtung 1.13 CHF/Euro abwerten soll. Angesichts der starken Konjunktur im Euroraum sowie den nach dem Wahlsieg Macrons gesunkenen politischen Risiken sollte die Rolle des Frankens als sicherer Hafen etwas in den Hintergrund treten, so die Konjunkturforscher. Da der Inflationsdruck im Euroraum jedoch weiterhin gering ist (im Mai sank die Kerninflation sogar von 1.2% auf 0.9%), erwartet BAKBASEL trotz des Aufschwungs eine Fortsetzung der expansiven Geldpolitik der EZB. Um keine erneute Aufwertung des Frankens zu riskieren, dürfte daher auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Leitzinsen im Prognosezeitraum auf dem jetzigen Niveau von -0.75% belassen.

Sondereffekte bremsen die Investitionstätigkeit

Die gute Stimmung unter den Schweizer Unternehmen spricht grundsätzlich für eine robuste Investitionstätigkeit in den nächsten Quartalen. Ein positives Zeichen dafür ist gemäss BAKBASEL der gemäss dem Einkaufsmanagerindex vom Mai weiter gestiegene Auftragsbestand. Dass die Ausrüstungsinvestitionen 2017 mit prognostizierten 2.0% dennoch nur halb so stark expandieren wie 2016, führen die Ökonomen auf Sonderfaktoren zurück: Zum einen erfolgten weniger Investitionen in Grossraumflugzeuge als es im Jahr 2016 der Fall war. Zum anderen sei die Unklarheit über das zukünftige Steuerregime nach der Ablehnung der USR III ein weiterer Belastungsfaktor. BAKBASEL geht zwar davon aus, dass noch im Jahresverlauf 2017 Klarheit über eine alternative Umsetzung geschaffen wird. Doch bis es soweit ist, werde eine Zurückhaltung vor allem bei Grossprojekten und Neuansiedlungen die Investitionsdynamik schmälern.

Aufwärtstrend bei den Bauinvestitionen fällt moderat aus

Nach der Stagnation der Bautätigkeit im vergangenen Jahr ist laut BAKBASEL in den Jahren 2017 und 2018 mit moderat steigenden Bauinvestitionen zu rechnen (+1.0% bzw. +1.2%). Der Immobilienmarkt bleibt angesichts der tiefen Zinsen und den beschränkten Anlagealternativen attraktiv für Investoren. Der Bauboom der Jahre 2009 bis 2015 mit jährlichen Wachstumsraten der Bauinvestitionen von mehr als 2% ist laut den Konjunkturforschern jedoch vorbei. Denn Faktoren wie das regional hohe Preisniveau, die steigenden Leerwohnungsziffern, die restriktivere Hypothekenvergabe und die nicht mehr ganz so starke Nettozuwanderung bremsen die Baukonjunktur.

Politische Risiken könnten den Aufschwung bremsen

Es bestehen allerdings weiterhin Risikofaktoren, welche die prognostizierte Beschleunigung der Schweizer Wirtschaft wie auch der Weltwirtschaft und des Welthandels nach Ansicht der Forscher ausbremsen könnten. In der Schweiz wertet BAKBASEL vor allem die Ungewissheit über die alternative Umsetzung der USR III als ein Risiko. International sehen die Konjunkturforscher die Brexit-Verhandlungen (insbesondere nach dem Wahlergebnis in Grossbritannien), die fragile Lage im italienischen Bankensektor sowie die Unsicherheit über den wirtschafts- und handelspolitischen Kurs der USA als heute bereits bekannte Risikofaktoren.

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