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«Der Markt für 1e-Vorsorgepläne wird in den nächsten Jahren überproportional wachsen»

Freitag, 23.06.2017

Viele Versicherte haben den grösseren Teil ihres Vermögens bei einer Pensionskasse investiert. Sie haben aber kaum Mitspracherecht. Seit 2006 dürfen sie im Überobligatorium zwischen verschiedenen Anlagestrategien wählen. Das kann sich lohnen.

Interview mit Oliver Bienek, CEO von Liberty Vorsorge AG

Seit 2006 sind Vorsorgeeinrichtungen berechtigt, ihre Versicherten im überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge zwischen verschiedenen Anlagestrategien wählen zu lassen. Ab welchem Betrag lohnt sich dies für die Versicherten?

Oliver Bienek: Grundsätzlich können Vorsorgenehmer ab einem versicherten Jahreslohn von 126 900 Franken die Anlagestrategie selbst bestimmen, sofern ihre Kasse dies anbietet. Derartige Anlagen sind als «1e-Vorsorgepläne» bekannt, da sie sich auf den Artikel 1e der Verordnung über die berufliche Vorsorge (BVV2) stützen.

Worin bestehen die Vorteile eines 1e-Vorsorgeplans?

Der grösste Vorteil liegt in der hohen Flexibilität, denn diese individuelle überobligatorische Vorsorgelösung ermöglicht es den Arbeitnehmenden, ihr Alterskapital eigenständig zu verwalten und das Vorsorgekapital entsprechend den eigenen Bedürfnissen und dem individuellen Risikoprofil anzulegen und zu investieren. Das ist auch für Arbeitgeber interessant, da für sie das Risiko vom entsprechenden versicherten Lohnanteil über 126 900 Franken wegfällt.

Die Weibel, Hess & Partner AG (WHP) Stans hat kürzlich einen ersten Vergleich von 1e-Anbietern in der «Finanz und Wirtschaft» sowie in der «Sonntagszeitung» publiziert. Liberty wollte sich dem Vergleich offenbar nicht stellen. Wieso?

Wir wurden in der Tat von WHP angefragt, eine typische BVG Offerte für 1e abzugeben. Der Grund, weshalb wir schliesslich aber nicht an der Umfrage teilgenommen haben, lag darin, dass sich der Vergleich ausschliesslich auf Risiko- und Verwaltungskosten sowie auf den Gesundheitsfragebogen bezog, und nach unserer Ansicht nicht umfassend war. Ein solcher Vergleich mag für das traditionelle BVG Geschäft passen, im 1e Geschäft aber, das überdurchschnittlich beratungsintensiv und performanceabhängig ist, sind andere Parameter gefragt.

Was wäre für einen objektiven und umfassenden Vergleich denn massgebend?

Um den Informationsgehalt zu steigern, müsste man die gesamte Wertschöpfungskette, also Beratung, Vorsorge, Versicherung und Anlage sowie deren Kosten abbilden. Mindestens dieselben Anlagebedürfnisse sowie die daraus resultierenden Beratungs- und Vermögensverwaltungskosten sollten mit eingeschlossen werden. Auch bei der Beratungsqualität und der Flexibilität gibt es unterschiedlichste Auslegungen, die nicht fehlen dürfen.

Wie schätzen Sie ihre eigene Beratungsqualität ein?

Liberty kann mit einem Dutzend renommierter Vermögensverwalter und der Anlageplattform www.compare-invest.ch erheblich mehr bieten als andere, die vielleicht nur ein bis zwei Partner im Angebot haben. Wichtig sind auch die konkreten Performancezahlen und die Frage, ob Kickbacks fliessen oder nicht. Letztlich ist es aber das Gesamtpaket in einem konkreten Fall, das matchentscheidend ist.

Werden Sie nächstes Jahr am 1e Vergleich von WHP teilnehmen?

Wir werden uns das überlegen. Wichtig ist unseres Erachtens, dass Äpfel mit Äpfeln verglichen werden und dann auch der gesamte Apfel angeschaut wird. Um das zu erreichen, müssten mehrere konkret ausformulierte Offertanfragen eingereicht werden. Diese sollten u.a. Parameter wie Firmenart (Einzelunternehmer, KMU oder Grossfirmen), Vorsorgeplan oder Löhne, Risikoprofil und Guthaben der einzelnen Personen, aber auch den Beratungsansatz (Courtage vs. Honorar) beinhalten. Es ist mir bewusst, dass dies mit sehr viel Arbeit verbunden ist. Solange die einzelnen Aspekte und das Gesamtbild aber nicht vergleichbar sind und auch verständlich gemacht werden, bringen solche Vergleiche nicht viel.

Was macht Liberty anders als andere?

Liberty differenziert sich durch innovative und massgeschneiderte Dienstleistungen und Produkte, die auf moderner Technologie aufbauen. Da diese Angebote für Kunden wie auch für Business Partner zugänglich sind, können sie von Skaleneffekten profitieren. In den vergangenen Jahren hat Liberty ihre Innovationskraft mehrfach unter Beweis gestellt. 

Woran denken Sie da?

Ein bekanntes Beispiel ist die Lancierung der Anlageplattform www.compare-invest.ch. Wir haben aber auch die bisher einzige Vorsorgeplattform der Schweiz mit offener Produktearchitektur aufgebaut und ein technologisch sehr anspruchsvolles White-Label-Konzept für Business Partner geschaffen. Zudem haben wir eine ganze Reihe von e-Tools entwickelt, wie zum Beispiel die Möglichkeit der digitalisierten Kontoeröffnung. Ausserdem haben wir Schweizer Unternehmerverbände mitgegründet, welche Selbständigerwerbenden ohne Personal aus den Branchen Medizin, Recht und Finanzen einen Zugang zu 1e Vorsorgelösungen ermöglichen.

Was sind Ihre Ansprüche an sich selbst?

Zur „Liberty DNA“ gehören hohe Qualitätsansprüche bei der Beratung und dem Kundenservice, aber auch Innovation und Kreativität. So bauen wir gerade eine Online-Plattform auf, die es den Kunden ermöglichen wird, sich für 1e-, Freizügigkeits- und 3a-Lösungen anzumelden, ihr Risikoprofil zu eruieren, die gewünschte Anlagestrategie zu wählen und schliesslich auch noch die Entwicklung des individuellen 1e-Portfolios zu verfolgen. Wir sind hier schon sehr weit fortgeschritten und planen eine Lancierung bis spätestens Ende Jahr. Weitere Digitalisierungsprojekte und Produktlancierungen sind in der Pipeline.

Wie wird sich der Markt für 1e Lösungen Ihrer Meinung nach entwickeln?

Wir sind der Meinung, dass der 1e-Markt in den nächsten Jahren überproportional wachsen und bis 2025 ein Volumen von etwa 100 Milliarden Franken erreichen wird. Gründe sind etwa der zunehmende Wunsch der Kunden nach mehr Einflussnahme bei der Anlage der eigenen Vorsorgeguthaben sowie der wachsende Widerstand gegen die ungerechte Quersubventionierung zwischen Aktivversicherten und Rentenbezügern.

… und für die Unternehmen?

Auf Unternehmensseite spielen sicherlich auch die Verteilung auf verschiedene Vorsorgeeinrichtungen bzw. die Diversifikation sowie die strategisch ausgerichtete Unternehmenspolitik eine wichtige Rolle, etwa hinsichtlich des De-Riskings in Zusammenhang mit IAS 19.

Über Liberty Vorsorge

Liberty Vorsorge, die vor fast 12 Jahren gegründet wurde und inzwischen zur Liberty Vorsorge AG firmiert hat, führt heute eine unabhängige Vorsorgeplattform für mehrere hauseigene und externe Vorsorgeeinrichtungen in der 2. und 3. Säule, mit einem Gesamtvermögen von über 1,75 Milliarden Franken, für knapp 16'000 Vorsorgenehmer. Liberty beschäftigt heute 45 Mitarbeitende an fünf Standorten. Dank offener und modularer Business-Architektur bietet Liberty eine grosse Anzahl innovativer und massgeschneiderter Dienstleistungen und Produkte über e-Vertriebskanäle sowie in Zusammenarbeit mit renommierten Privatbanken, Maklern, Verbänden und Produktanbietern an.

Oliver Bienek begann seine Karriere in der Bankbranche bei J.P. Morgan und Morgan Stanley, wo er über 15 Jahre lang in verschiedenen Funktionen tätig war. Von 2003 bis 2005 baute er eine der grösseren Schweizer Sammelstiftungen mit auf. Seit 2005 ist er Geschäftsführer der Liberty Vorsorge AG. 

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