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Das Vertrauen in die zweite Säule wird ausgehöhlt

Samstag, 21.04.2012

Hohe Umwandlungssätze und hohe technische Zinsen führen dazu, dass in der zweiten Säule Kapital von Aktiven zu Rentnern umverteilt wird. Eine Studie schätzt diese Umverteilung allein für das Jahr 2010 auf rund 3,5 Milliarden Franken.

Die zweite Säule steht vor grossen Herausforderungen. Dazu zählen das anhaltende Tiefzinsumfeld ebenso wie der Trend zu Immobilienanlagen, die Umverteilung zwischen Aktiven und Rentnern und die Strukturreform. In einer Studie analysieren Ökonomen der Credit Suisse die Angaben dazu von über 200 Schweizer Pensionskassen.

Pensionskassen brauchen bei tiefen Zinsen mehr Kapital

Rund 80% der befragten Pensionskassen gaben laut Credit Suisse an, dass die anhaltend tiefen Zinsen für sie zu den Top drei Herausforderungen zählen. So lasse sich der Mindestzinssatz – anders als in den 1990er Jahren – heute nicht mehr mit einer nahezu risikolosen Anlage wie Schweizer Bundesobligationen erzielen. Der Finanzmarkt falle als «dritter Beitragszahler» zunehmend aus. Dennoch – auch steigende Zinsen könnten den Pensionskassen Probleme schaffen, wie die Ökonomen schreiben, da das Obligationenportfolio dabei an Wert verliere.

Die Simulation von drei Zinsszenarien zeige aber, dass rasch und kräftig ansteigende Zinsen für Pensionskassen am vorteilhaftesten seien. Der Wertanstieg eines durchschnittlichen Obligationenportfolios einer Pensionskasse falle dadurch langfristig am stärksten aus. Steigende Zinsen hätten zudem den Vorteil, dass der Barwert der Rentenverpflichtungen sinke, was langfristig einen positiven Effekt auf den ökonomischen Deckungsgrad habe. Dies rührt daher, dass es bei höheren Zinsen weniger Kapital braucht, um in einem zukünftigen Zeitpunkt dasselbe Kapitalniveau zu erreichen. Entsprechend sehen 73% der befragten Pensionskassen in steigenden Zinsen mehrheitlich positive Folgen.

Die Konzentration direkter Immobilienanlagen birgt Risiken

Fast die Hälfte der Pensionskassen hat auf die anhaltend tiefen Zinsen mit einer Reduktion ihrer Obligationenquote reagiert. Die Reduktion ist laut Credit Suisse hauptsächlich zugunsten von Immobilien erfolgt. So sei der durchschnittliche Immobilienanteil am Anlagevermögen zwischen 2000 und 2010 von 12,5% auf 16,5% gestiegen und nehme damit im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein. Hauptmotive seien laut zwei Drittel der Befragten die höhere Rendite und geringere Volatilität verglichen mit anderen Anlageklassen gewesen. In der Konzentration von direkten Immobilienanlagen, wie sie gerade bei kleineren Pensionskassen üblich ist, da diese kaum über Möglichkeiten verfügen, um ihr Immobilienportfolio zu diversifizieren, sehen die Ökonomen allerdings gewisse Risiken. Sie könnten die mangelnde Diversifikation zwar mittels indirekter Immobilienanlagen kompensieren. Die Umfrage zeige jedoch, dass nur ein geringer Anteil der Pensionskassen indirekte Immobilienanlagen hält.

Umverteilung von Aktiven auf Rentner unterminiert Vertrauen

Die schwachen Finanzmarktrenditen, die steigende Lebenserwartung und die politischen Rahmenbedingungen führen laut Credit Suisse dazu, dass in der zweiten Säule systemfremde Umverteilungsmechanismen Einzug gehalten haben. Am bedeutendsten sei die schleichende Umverteilung von Aktiven zu Rentnern. Aufgrund der Umfragedaten schätzen die Ökonomen der Credit Suisse diese Umverteilung für das gesamte Schweizer Pensionskassensystem im Stichjahr 2010 auf rund 3,5 Milliarden Franken. Dies entspreche rund 0,6% der Bilanzsumme der Schweizer Pensionskassen. Diese Umverteilung, die tendenziell zunehme, unterminiere das Vertrauen in die 2. Säule, wie die Credit Suisse gegenüber Medien anmerkte.

Technischer Zins und Umwandlungssatz sind zu hoch

Die Umverteilung bei Neurenten machte laut Studie 2010 rund 1 Milliarde Franken aus. Als Gründe nennt die Credit Suisse einen zu hohen technischen Zins sowie einen zu hohen Umwandlungssatz. Der technische Zins wird durch die Lebenserwartung sowie die Politik für den BVG-Teil bestimmt. Während der Median bei den befragten Pensionskassen 3,5% betragen habe, käme ein Zinssatz von 3% der Realität derzeit näher. Ähnlich verhält es sich mit dem Umwandlungssatz. Der Median bei den befragten Pensionskassen betrage 6,8%; der «korrekte» Umwandlungssatz müsse jedoch bei 6,1% für Männer und 5,9% für Frauen liegen. Die Rentenversprechen seien im Vergleich zum Vorsorgekapital somit zu hoch. Der «Pensionierungsverlust» müsse von den Aktiven getragen werden.

Aktive tragen schwache Anlageperformance und Rückstellungen für zu hohe laufende Renten

Die Umverteilung bei den laufenden Renten betrug laut Studie 2010 rund 2,5 Milliarden Franken. Auch hier sind die Gründe laut Credit Suisse ein zu hoher technischer Zins (3,5% verglichen mit 3% die es sein sollten) sowie eine zu hohe Verzinsung des Vorsorgekapitals der Rentner. Während das Vorsorgekapital der Rentner 2010 zu 3,5% verzinst wurde, waren es bei den Aktiven nur 2%. Hinzu kommt eine schwache Anlageperformance, die zwischen 2000 und 2011 bei nur 1,9% lag. Somit würden die Aktiven sowohl die schwache Anlageperformance als auch die Rückstellungen für zu hohe laufende Renten tragen, wie Credit Suisse erklärt.

Zahlreiche Pensionskassen fordern Rentenanpassungen

Credit Suisse wollte von den befragten Pensionskassen zudem wissen, bei welchen Themen langfristig der grösste politische Handlungsbedarf bestehe. Demnach sehen beinahe 50% der Befragten einen Bedarf, bestehende Renten anzupassen, gefolgt von reichlich 40% welche die Abschaffung des Mindestzinssatzes sowie knapp 40% welche die Abschaffung des Mindestumwandlungssatzes fordern. Möglich waren maximal drei Antworten.

Pensionskassen befürchten wegen Regulierung höhere Kosten und Kostendruck

Der 2010 vom Gesetzgeber verabschiedeten Strukturreform stehen die Pensionskassen laut Studie – entgegen vieler negativer Wortmeldungen im Vorfeld – erstaunlich positiv gegenüber. Viele der befragten Pensionskassen würden sich von der Strukturreform eine höhere Transparenz und eine positivere Wahrnehmung der Pensionskassen erhoffen. Als wichtigste Auswirkungen für ihre Pensionskassen werteten die Befragten allerdings höhere Verwaltungskosten, einen stärkeren Kostendruck sowie die Schwierigkeit, Stiftungsräte zu finden. Am meisten Kritik bringen die Pensionskassen der Reorganisation der Aufsicht, speziell der neu gegründeten Oberaufsicht, entgegen.

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