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Das Misstrauen gegenüber dem europäischen Bankensystem bleibt bestehen

Dienstag, 28.10.2014

Die Europäische Zentralbank hat 130 systemrelevante Banken aus der Eurozone einem Stresstest unterzogen. Dieser war zwar härter als vorangegangene, hat zahlreiche Risiken jedoch nicht adäquat berücksichtigt, sagen Beobachter.

Mit Blick auf die aufsichtsrechtliche Funktion, die sie im Rahmen des „Single Supervisory Mechanism“ ab dem 04.11.2014 übernimmt, hat die Europäische Zentralbank (EZB) über ein Jahr lang die Bilanzen von 130 systemrelevante Banken der Eurozone analysiert. Dabei hat die EZB die Banken auf ihrer Aktivaqualität hin überprüft und sie einem makroökonomischen Stress unterworfen. Von den 130 wichtigsten Banken sind 25 durchgefallen. Die Kapitallücke beträgt insgesamt 25 Milliarden Euro. So müssen 13 Finanzinstitute die Lücke noch füllen, 12 haben dies bereits getan.

Durchgefallene Banken müssen Kapitalbeschaffungsplan vorlegen

Bei 12 der durchgefallenen Institute war die Schliessung der jeweils georteten Kapitallücke ausreichend, um das von der EZB ermittelte Manko vollständig zu beseitigen. Den übrigen 13 Finanzinstituten fehlen gemäss EZB insgesamt noch rund 10 Milliarden Euro, die sie sich in den kommenden Monaten beschaffen müssen. Dazu müssen sie der EZB innerhalb der nächsten zwei Wochen darlegen, wie sie das Kapital beschaffen wollen. Dies kann die Neuemission von Eigenkapital, einbehaltene Gewinne, niedrigere Bonuszahlungen, die Aufnahme von solidem bedingtem Kapital oder die Veräusserung ausgewählter Vermögenswerte umfassen.

Im Kern ist die EZB willens, acht Banken einen noch zu befriedigenden Kapitalbedarf von 6.4 Milliarden Euro zuzubilligen. Dies berücksichtigt die bis September 2014 ergriffenen Kapitalmassnahmen wie auch (umgesetzte) Sanierungs- und Abwicklungsauflagen.

Grössten Kapitalbedarf zeigen italienische und griechische Banken

Sowohl die Zahl der 25 effektiv betroffenen Banken wie auch der geschätzte Kapitalbedarf liegen unterhalb berechtigter Erwartungen. Wenig überraschend sind 9 Banken aus Italien – insbesondere mittelgrosse – betroffen (Monte Paschi di Siena, Banca Carige, BP Vicenza, BP Milano). Ihnen fehlten Ende des vergangenen Jahres zusammen knapp 10 Milliarden Euro an Kapital. Auch nach Berücksichtigung der durchgeführten Massnahmen zur Stärkung der Kapitalbasis in diesem Jahr weisen 4 der italienischen Banken eine nach wie vor schwache Kapitalstellung auf. 

Die zweitgrösste Kapitallücke klaffte Ende 2013 bei griechischen Banken. Ihnen fehlten zu jenem Zeitpunkt insgesamt fast 9 Milliarden Euro an Eigenmitteln. Auch nach Durchführung von Massnahmen zur Kapitalstärkung sind 3 griechische Banken nach wie vor unterkapitalisiert. Betroffen sind aber auch Banken aus Irland und Österreich (Hellenic Bank, Permanent TSB, ÖVAG).

Etliche Banken konnten das geortete Kapitalmanko inzwischen jedoch beheben. So etwa Banken in Zypern, von denen drei Institute den Test nicht bestanden hatten. In Deutschland, Frankreich und Spanien hatte jeweils eine Bank den Test nicht bestanden.

Zahlreiche Risiken wurden beim Stresstest nicht adäquat berücksichtigt

Die Überprüfung der Aktivaqualität sowie der makroökonomische Stress Test waren dieses Mal zwar harscher als die zuvor durchgeführten Stresstests von 2009, 2010, 2011. Sie sind in etwa vergleichbar mit dem amerikanischen Comprehensive Capital Analysis & Review 2014, bleiben aber hinter den Auswirkungen der Lehman-Krise zurück, wie etwa das Beratungsunternehmen Independent Credit View bemängelt. So sei ein Deflationsszenario, wie es die EZB in ihrer Geldpolitik zu befürchten scheine, und das umfassende negative Auswirkungen auf Finanzprofil und Bonität der Banken haben würde, nicht analysiert worden. Weiter seien zahlreiche Risiken nicht (adäquat) berücksichtigt worden, wie (1) strategische und geschäftsmodellspezifische Risiken, (2) Konzentrationsrisiken in Kreditbüchern, Wertpapieren und Handelsbeständen, (3) Illiquidität und Preisverwerfungen in wichtigen Marktsegmenten, (4) Liquiditäts- und Refinanzierungserfordernisse, (5) Marktpreisrisiken, (6) Ertragsrisiken, insbesondere aus dem anhaltenden Tiefzinsumfeld, und Ergebnisvolatilität sowie (7) eigenkapitalbelastende Rechtsrisiken oder ähnliches.

Misstrauen gegenüber Bankensystem bleibt bestehen

Der von der EZB postulierte Kapitalbedarf verlange ausserdem weiterhin keine Eigenmittelunterlegung von Staatsanleihen und von Zinsänderungsrisiken im Bankbuch, sondern beschränke sich lediglich auf eine Modifizierung des regulatorischen Filters für unrealisierte Ergebnisse aus Staatsanleihen, kritisiert Independent Credit View. 

Damit bleibe eine zentrale Ursache für volatile und negative Ergebnisse, für fragwürdige Kapitalquoten, für die unselige Interdependenz von Staatsverschuldung und Bankenbonität und letztlich für Misstrauen gegenüber einzelnen Banken und Banksystemen bestehen.

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