Sie befinden sich hier: Startseite » Aktuelle Themen » Artikel

«Wer etwas ändern will, muss Mehrheiten finden»

Montag, 25.06.2012

Bundesrat Alain Berset wies am Arbeitgebertag 2012 auf den Wert des Schweizer Sozialstaates hin, dem ein fein austariertes System zugrunde liege. Entsprechend komplex seien Veränderungsprozesse – gerade auch im Bereich der 2. Säule.

Der Schweizer Wirtschaft gehe es gut. Sie sei bis anhin sehr gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen. Trotzdem werde auf hohem Niveau gejammert. Das sei ein Paradox, hielt Bundesrat Alain Berset in seiner Ansprache am Schweizerischen Arbeitgebertag 2012 in Bern fest.

Grund sei wohl der Umstand, dass es in der Schweiz einen heimlichen Konsens zur politischen Stabilität gebe, zu dem sich aber niemand richtig bekennen wolle, da das eigene Lager jeweils klare Fronten erwarte, wie Berset erklärte. Die politische Stabilität sei aber die eigentliche Unique Selling Proposition bzw. die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz in einem internationalen Umfeld, das von grosser Unsicherheit geprägt sei.

Der Sozialstaat ist Teil der Wertschöpfungskette

Die Schweiz könne jedoch nicht nur als Wirtschaftsstandort gesehen werden. Letztlich sei der Sozialstaat ein wichtiger Teil der Wertschöpfungskette. Zwar sei das Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung heute weniger stark verbreitet als nach dem Zweiten Weltkrieg. Die internationale Arbeitsteilung (sprich Globalisierung) habe ausserdem zu grossen Wohlstandsgewinnen – vor allem in den aufstrebenden Ländern – geführt. Sie habe aber auch tiefgreifende strukturelle Veränderungen mit sich gebracht und setze viele Arbeitnehmende unter Druck, warnte Berset.

Politische Kultur ist Grundlage eines fein austarierten Systems

Die Schweiz verfüge über ein fein austariertes System, dessen Grundlage ihre politische Kultur sei. Diese umfasse den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Gewaltenteilung, die Sozialpartnerschaft und die Rechtssicherheit. Dazu gehörten aber auch Innovationskraft, Sicherheit im Alltag und der traditionelle Arbeitsfrieden und nicht zuletzt die Integrationskraft. Diese sei in der Schweiz stärker als in anderen Ländern. Trotz eines der höchsten Ausländeranteile der Welt.

Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Zusammenhalt ist wahre helvetische Zauberformel

So verstehe es die Schweiz wie kaum ein anderes Land, eine Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Zusammenhalt zu finden und zu halten – was die wahre helvetische Zauberformel sei, gab sich Berset überzeugt. Im Sinne dieser Balance müssten auch die Sozialversicherungen an veränderte gesellschaftliche Gegebenheiten angepasst werden. Wer diese reformieren wolle, müsse ausgewogene Lösungen präsentieren. Als Beispiel nannte Berset den 7. März 2010, als die Senkung des Umwandlungssatzes von einer überwältigenden Mehrheit des Volkes abgelehnt wurde.

Der Sozialstaat hat sich nicht überlebt

Berset wies darauf hin, dass aufgrund der Staatsverschuldung und des demografischen Wandels in vielen Ländern Europas in den nächsten Jahren eine Debatte um das Ende des Sozialstaates losbrechen werde. Der Sozialstaat sei in der Defensive. Ein Blick in die dynamischste Weltregion China zeige aber, dass sich der Sozialstaat keinesfalls überlebt habe. So sei China gerade dabei, einen Sozialstaat zu etablieren – als Reaktion auf das wachsende Potenzial sozialer Unruhen, aber auch, um die Binnennachfrage zu stärken und das Land weniger exportabhängig zu machen.

Politik und Wirtschaft sind aufeinander angewiesen

Politik und Wirtschaft seien aufeinander angewiesen, wenn es darum gehe, ältere Arbeitnehmende im Arbeitsmarkt zu behalten, erklärte Berset weiter. So müsse die Forderung nach einem höheren Rentenalter durch einen Arbeitsmarkt begleitet werden, der auch über 50-Jährigen eine Chance gebe. Dass reifere Altersgruppen weniger leistungsfähig seien, sei ein Vorurteil, das in einer alternden Gesellschaft zum gefährlichen Mythos werden könne, mahnte er.

Volkes-Stimme ist nicht zu unterschätzen

Man müsse die Arbeitnehmenden auch in ihrer Rolle als Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen, propagierte Berset, denn wenn Wirtschaft und Gesellschaft auseinanderdriften würden, schwäche das am Ende beide. Erneut führte er den 7. März 2010 an, bis wohin man die (Stimm-)Macht des Volkes wohl unterschätzt hatte.

Anzeige
 
Twitterdel.icio.usgoogle.comLinkaARENAlive.comMister Wong
Copyright © 2011-2024 vorsorgeexperten.ch. Alle Rechte vorbehalten.