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«Was passiert, wenn die Eurozone auseinanderbricht?»

Montag, 05.12.2011

Die Zeichen stehen auf Sturm. Zentralbanken rüsten sich für den Notfall, Banken und Handelshäuser haben begonnen, Programme im Devisenhandel zu testen, um Kursverhältnisse neuer Währungspaare zu berechnen. Betroffen wären aber auch Unternehmen und Anleger.

In einer mehrseitigen Beilage hat die «Financial Times Deutschland» (FTD) vergangenes Wochenende einen möglichen Zusammenbruch der Eurozone abgehandelt. So beschreibt sie etwa den Weg in den Abgrund anhand verschiedener Szenarien und erläutert, wie Politik und äussere Faktoren zum Euro-Kollaps führen könnten. Sie skizziert den Untergang von Volkswirtschaften, beleuchtet Hintergründe für die Krise und zeigt Wege auf, wie Politik und Europäische Zentralbank das Schlimmste noch verhindern könnten. Sie beantwortet aber auch Fragen, was ein tatsächliches Auseinanderbrechen der Währungsunion für Anleger, Banken und Unternehmen bedeuten würde.

Wie könnte der Beginn des Zusammenbruchs aussehen?

Wie die FTD* erklärt, ist in den EU-Verträgen weder der Austritt einzelner Länder noch deren Ausschluss vorgesehen. Somit wäre formell nur ein Verlassen der EU möglich.

Für schwache Länder ist das unattraktiv, weil sie damit Ansprüche auf Zuschüsse verlieren. Deshalb könnten sich starke Länder wie Deutschland entschliessen, den Euro aufzugeben. Andere Länder könnten folgen und ihre wiederbelebten nationalen Währungen an eine andere Währung eines inzwischen ausgeschiedenen starken Landes koppeln.

Was passiert, wenn sich starke Länder der Eurozone zusammentäten?

Um ein vollständiges Auseinanderbrechen der Währungsunion zu verhindern, könnten sich grössere Kernländer zusammentun. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen der starken und der schwachen Länder scheint eine neue gemeinsame Währungsunion aber unwahrscheinlich. Auch der Binnenmarkt könnte zusammenbrechen, da die stärkeren Länder versuchen würden, sich mittels Zöllen gegen Importe aus dem billigeren Süden zu schützen.

Was wird aus den alten Euro-Staatsanleihen beim Austritt eines Landes?

Das hängt davon ab, nach welchem Recht die Anleihen ausgegeben wurden. Griechenland etwa hat 94% der ausstehenden Staatsanleihen nach griechischem Recht ausgegeben. Diese Schuldtitel könnten durch ein Währungsgesetz in neue Drachmen getauscht werden. Griechische Bonds dagegen, die nach britischem Recht in Euro oder nach US-Recht in Dollar ausgegeben wurden, müssten wohl in den entsprechenden Währungen beglichen werden.

Worauf müssten sich Banken, Versicherungen und Investmentfonds einstellen?

Banken und Handelshäuser wie der Londoner Broker ICAP haben begonnen, ihre Programme im Devisenhandel zu testen, wie sie bei einem Zerfall des Euro die Kursverhältnisse neuer Währungspaare berechnen können. Viele Anbieter geben aber auch vor, dass es nicht zu einem Zerfall des Euro kommen wird.

Um einen Sturm auf die Banken zu verhindern, würden Bankkonten zunächst eingefroren. Banken und Geldautomaten würden nur noch gestempelte Euronoten ausgeben, die auf die jeweils lokale Währung lauten und bis zur neuen Währung gültig bleiben. Geschäfte dürften nur noch die in lokaler Währung gestempelten Euroscheine annehmen. An den Landesgrenzen würden Kontrollen eingeführt, damit Euro nicht in grossen Mengen in Länder geschafft werden, wo sie noch gültig sind.

Womit müssten Unternehmen rechnen, die noch Ausstände oder Verbindlichkeiten in Euro haben?

Souveräne Staaten haben das Recht, ihre Währung zu bestimmen. Sie würden festlegen, ob private oder staatliche Verbindlichkeiten aus Verträgen, die vor dem Zusammenbruch des Euro geschlossen wurden, in der alten oder neuen Währung zu begleichen sind. Führt etwa Griechenland eine neue Drachme ein, könnte es seinen Bürgern und Unternehmen erlauben, ihre Schulden in Drachmen zu dem am Tag der Währungsreform festgelegten Kurs zurückzuzahlen. Ausländische Unternehmer, die Forderungen in Griechenland und anderen Ländern haben, die aus dem Euro austreten, träfe das hart, da die Währungen dieser Länder zur eigenen Währung stark abwerten würden.

Wie trifft es private Anleger?

Hat ein Privatanleger ein Finanzprodukt gekauft, für das an einer Landesbörse ein Preis gestellt wird oder für das es entsprechende Laufzeiten- und Zinsvereinbarungen mit einer Bank gibt, würde dieses Produkt nach dem Wegfall des Euro in der Ersatzwährung notiert. Dies kann für einen Anleger, je nach Kursentwicklung der Währung, in der er das Produkt erstanden hat, einen Kursverlust oder einen Kursgewinn beinhalten.

Was geschieht mit Lebensversicherungspolicen?

Formal ändert sich wenig, da die Verträge von Euro in die neue Währung umgeschrieben werden. Die Verpflichtungen des Versicherers gegenüber seinen Versicherten bleiben gleich. Ein Zusammenbruch des Euro würde allerdings schwere Verluste für die Versicherer bedeuten. Für Forderungen von Versicherten in Euro, vor allem aus fällig werdenden Lebensversicherungen und Privatrenten, müssten sie entsprechende Kapitalanlagen vorhalten.

Gilt der Euro in Teilen der heutigen Eurozone nicht mehr, müssten sie Gelder aus diesen Ländern abziehen. Dies würde sowohl Staatsanleihen wie auch andere Anlageformen betreffen. Mit den Zwangsverkäufen wären wohl auch Verluste verbunden.

Was wird aus Geld auf Konten in Ländern, welche die Währungsunion verlassen?

Für Bürger aus Staaten, die den Euro beibehalten, bleiben diese Guthaben in Euro bestehen. Dies auch bei Banken in Ländern, die aus dem Euro austreten. Tritt aber Griechenland aus der Eurozone aus, werden die Konten der Griechen bei heimischen Banken in die neue Währung getauscht. Den heimischen Banken wäre es vorübergehend verboten, neue Euro-Konten für Bürger Griechenlands aufzumachen oder Euro auf Euro-Konten von Nicht-Griechen zu transferieren.

Wie sollen sich Privatanleger am besten vorbereiten?

Wer finanziell in der Lage ist, könnte Immobilien oder sonstige Realwerte erwerben. Bargeld zu horten, würde wenig bringen, da es verlustanfällig ist. Es ist zudem denkbar, dass der gesamte umlaufende Bargeldbestand durch eine neue Währung ersetzt wird. Sollten Obergrenzen für den Bargeldumtausch oder Umtauschquoten festgelegt werden, wäre ein Teil des Bargeldes verloren.

*Die Autoren des Originalartikels heissen Peter Ehrlich, Reinhard Hönighaus, Rolf Lebert, Kathinka Burkhardt, Herbert Fromme und Timo Pache.

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