Unabhängigkeit und soziale Kontakte sind im Alter zentral
Die meisten Menschen wünschen sich ein langes Leben. Alt sein will jedoch niemand. Ein Grund dafür ist gemäss einer Studie die Angst, kein selbstbestimmtes Leben mehr führen zu können. Viele fürchten auch, die Allgemeinheit zu belasten.
Eine Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Österreich hat ein negatives Bild von Langlebigkeit, wie eine Studie, welche die Economist Intelligence Unit im Auftrag von Swiss Life durchgeführt hat, zeigt. Dies, obwohl die Befragten auf der persönlichen Ebene auch positive Aspekte des längeren Lebens kennen. Unbestritten ist für fast alle Befragten (91%), dass die Unabhängigkeit im Alter zentral ist.
«Die gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen der Tatsache, dass wir immer länger leben, werden in praktisch allen Lebensbereichen stark unterschätzt. Das muss sich ändern, denn wir Menschen haben das grundlegende Bedürfnis, selbstbestimmt und in Würde bis ins hohe Alter zu leben», wie Patrick Frost, CEO der Swiss Life-Gruppe, erklärt. Dass Handlungsbedarf besteht, sowohl punkto Verhaltensmuster von Individuen, als auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene, verdeutlichten die Umfrageergebnisse, wie Frost meint.
Langlebigkeit erhöht Lasten für die Allgemeinheit
47% der Befragten in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz geben an, ihr Land sei für den Druck auf das Gesundheitswesen, den eine alternde Bevölkerung mit sich bringt, schlecht gerüstet. 48% sagen dasselbe über die sozialen Einrichtungen, und ganze 50% gehen davon aus, dass der Staat nicht auf die höheren Rentenkosten vorbereitet ist.
Auch der Anstieg der Lebenserwartung wird mehrheitlich als nicht positiv angesehen. 42% sehen darin ein grosses Problem oder eher ein Problem für die Gesellschaft. Nur 31% empfinden die steigende Lebenserwartung als eher positiv, wobei sich hier bedeutende nationale Unterschiede zeigen: In Frankreich erklären 43% der Befragten, der Anstieg der Lebenserwartung sei generell als Vorteil für die Gesellschaft zu sehen. In der Schweiz, Deutschland und Österreich verhält es sich umgekehrt: Dort empfinden 51% die Entwicklung als negativ und nur 23% sehen sie positiv.
Die Meisten wünschen sich ein selbstbestimmtes Leben
Die Menschen legen grossen Wert darauf, im Alter unabhängig und selbstbestimmt zu leben. Der Erhalt der Unabhängigkeit ist für 78% der Befragten persönlich äusserst wichtig oder sehr (18%) wichtig. Ganze 91% der Befragten in den vier Ländern gewichten die Unabhängigkeit somit als zentralen Aspekt des Alterns.
78% nennen körperliche Gesundheit als eine der drei Voraussetzungen für die Kontrolle über das eigene Leben, gefolgt von geistiger Gesundheit (73%) und finanziellen Mitteln, wobei die Gruppe der 35- bis 65-Jährigen mehr Wert auf Geld (58%) legt als die über 65-Jährigen (47%).
Die Pflege von Hobbys und sozialen Bindungen ist vielen wichtig
Danach gefragt, was den Befragten im Ruhestand am besten gefällt oder worauf sie sich am meisten freuen, nennen 65% die Möglichkeit, einem Hobby nachzugehen, 58% die grössere Unabhängigkeit und Kontrolle über die eigene Zeit und ebenfalls 58% die Möglichkeit zu reisen.
Auf soziale Bindungen angesprochen, glauben 53% der Befragten, dass tiefere, weitreichende Familienbande auch dadurch entstehen, dass mehr Generationen gleichzeitig am Leben sind und sich deren Leben länger überschneiden. Dieser Aspekt wird von den Befragten als wichtigster Vorteil der gestiegenen Lebenserwartung in der Gesellschaft angesehen.
Als weiterer Vorteil wird die Stärkung der Zivilgesellschaft genannt (46%), da sich ältere Menschen eher ehrenamtlich und politisch engagieren. 44% der Befragten nennen die Möglichkeit, mehr Kontakt zu Familie und Freunden zu haben, als einen der wichtigsten persönlichen Vorteile eines längeren Lebens.
Schweizer Senioren streben nach Selbstverwirklichung
Im Vergleich mit den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Österreich unterscheidet sich die Haltung der Befragten aus der Schweiz primär darin, dass sie der Bildung und dem Informationszugang im Alter eine hohe Bedeutung zumessen. Dieser Aspekt ist besonders ausgeprägt bei den Befragten, die älter als 65 Jahre sind.
Schweizer wenden sich im Alter verstärkt Zielen hin, bei denen es um Selbstverwirklichung geht, was auch mit dem hohen Bruttoinlandprodukt pro Kopf zusammenhängen kann. Die Kehrseite des vergleichsweise hohen Einkommens zeigt sich beim Wohnraum, da die Schweizer Befragten wesentlich häufiger als ihre Altersgenossen in den andren drei untersuchten Ländern die Sorge über Zugang zu Wohnraum anführen (24% vs. 13%).
Viele sehen Langlebigkeit als Gemeinschaftslast
Mit Hinblick auf die Frage, wer angesichts der steigenden Lebenserwartung primär für die höheren Rentenkosten aufkommen soll, gehen die Auffassungen in den vier Ländern weit auseinander. In Österreich und Deutschland wird am häufigsten der Staat genannt (85% bzw. 76%), und erst mit grossem Abstand folgt der Einzelne (47% bzw. 45%). In Frankreich und der Schweiz wird hingegen eher der Rentner als verantwortlich betrachtet (61% bzw. 63%), auch wenn in beiden Ländern fast ebenso viele den Staat nennen (59% bzw. 61%). Das deutet darauf hin, dass die Menschen von einer Gemeinschaftslast ausgehen.
Über die Umfrage
Die Economist Intelligence Unit hat im Auftrag von Swiss Life von Dezember 2015 bis Januar 2016 eine Umfrage zum «längeren, selbstbestimmten Leben» durchgeführt. Befragt wurden 1265 Personen in Deutschland (39% der Gesamtzahl), Frankreich (36%), Österreich (16%) und der Schweiz (9%). Die Gruppe der Befragten bestand zu etwa gleichen Teilen aus Personen zwischen 35 und 65 (52%) und über 65-Jährigen (48%) sowie aus Männern (53%) und Frauen (47%). Die befragten Personen zählen weitgehend zur Mitte des ökonomischen Spektrums: 68% der Befragten fallen nach eigener Einschätzung zwischen das 25. und das 75. Einkommensperzentil des betreffenden Landes.
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