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Um die vergessenen Milliarden an Vorsorgegeldern ist ein Streit entbrannt

Montag, 17.10.2016

Viele Arbeitnehmende vergessen, bei einem Arbeitgeberwechsel auch die Vorsorgegelder mitzunehmen. Um diese kümmert sich dann unter Umständen die Freizügigkeitsstiftung einer Partnerbank. Die Eidg. Finanzkontrolle will das ändern.

Jedes Jahr wechseln Tausende von Arbeitnehmenden ihre Stelle oder geben sie aus gewissen Gründen auf. Tut das eine Person, muss sie den ehemaligen Arbeitgeber informieren, zu welcher Pensionskasse sie wechselt. Dies kann die Kasse vom neuen Arbeitgeber sein, oder auch ein Freizügigkeitskonto, sollte sie das Altersguthaben zwischenparkieren wollen. Dorthin wird ihr das Vorsorgekapital dann überwiesen. Tatsächlich aber wechseln viele Arbeitnehmende ihren Arbeitgeber, ohne Daten zu hinterlassen, wohin ihnen das Freizügigkeitskapital überwiesen werden soll. So gehen rund 5 Milliarden Franken, also 10% aller Guthaben auf Freizügigkeitskonten, „verloren“, wie die «Handelszeitung» berichtet. Allein im vergangenen Jahr sollen es über 1 Milliarde Franken gewesen sein. Auch hakten viele Firmen nicht nach; ihre Vorsorgeeinrichtungen würden die Gelder in solchen Fällen unter Umständen an die Freizügigkeitsstiftung einer Bank überweisen, mit der sie eine entsprechende Vereinbarung getroffen hätten.

Eidgenössische Finanzkontrolle rügt heutige Praxis

Grössere Banken wie Credit Suisse, UBS oder Raiffeisen hätten dafür sogar eigene Abteilungen geschaffen, berichtet die Handelszeitung weiter. Dort würden Fachleute versuchen, die ehemaligen Versicherten aufzufinden, um ihnen dann das Kapital auf ein Freizügigkeitskonto bei einer Bank ihrer Wahl überweisen zu können. «Mit gutem Erfolg», zitiert die Handelszeitung Emmanuel Ullmann, Leiter Freizügigkeit bei der UBS.

Doch damit soll nach dem Willen der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) Schluss sein, wie die Handelszeitung weiss. In einem 70-seitigen Bericht zu den Freizügigkeitseinrichtungen fordere sie von den Aufsichtsbehörden, die «bestehende Vereinbarungen zwischen Freizügigkeitseinrichtungen und Pensionskassen zur Überweisung der Freizügigkeitsguthaben konsequent zu beanstanden». Denn: Solche Vereinbarungen entsprächen nicht dem Wortlaut des Gesetzes.

Vergessene Gelder sollen zur Auffangeinrichtung des Bundes

Gemäss Freizügigkeitsgesetz müssen vergessene Gelder mindestens sechs Monate bei der alten Pensionskasse bleiben. Danach muss diese sie an die Auffangeinrichtung, also an die Freizügigkeitsstiftung des Bundes überweisen.

Für die nach bisheriger Praxis direkt Involvierten sei dies jedoch eine unnötige Paragrafenreiterei, schreibt die Handelszeitung. Die Pensionskassen wollten die kontaktlosen Konten möglichst rasch aus ihren Büchern haben, die spezialisierten Banken arbeiteten effizient und die Versicherten hätten so eine reelle Chance, ihr vergessenes Geld doch noch zu erhalten. Ausserdem bekämen sie bei Banken und Versicherungen Beratung zu ihren FZ-Anlagen.

Ein sofortiger Systemwechsel ist nicht geplant

Selbst die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK) sehe wenig Handlungsbedarf, so die Handelszeitung. Sie wolle der EFK formell zwar entgegenkommen und von den Pensionskassen verlangen, dass diese bei den Versicherten jeweils das explizite Einverständnis einholten, die Gelder an eine zuvor ausgewählte Bank zu überweisen, wenn keine andere Weisung erteilt worden sei. Denkbar sei, ein entsprechendes Einverständnis bereits bei Stellenantritt einzuholen. Wichtig sei aber, dass die Versicherten die Wahl hätten, ob ihr Geld zur Auffangeinrichtung gehe, zitiert die Handelszeitung OAK-Präsident Pierre Triponez. Die OAK fälle den Entscheid voraussichtlich Ende Oktober. Einen sofortigen Systemwechsel soll es gemäss Triponez aber nicht geben.

Keine Absicht, die bestehenden FZ-Konten alle der Auffangeinrichtung zu übertragen

Es bestehe keine Absicht, die bestehenden FZ-Konten nun alle der Auffangeinrichtung zu übertragen, bloss weil in der Vergangenheit formell nicht alles korrekt abgelaufen sei, wird Triponez weiter zitiert. Wenn sich etwas ändere, gebe es sicher eine angemessene Übergangsfrist. Die Auffangeinrichtung verwaltet heute fast eine Million Konten mit insgesamt 8,5 Milliarden Franken Guthaben, notiert die Handelszeitung. Zwei Drittel davon seien kontaktlos.

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