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Swissmem-Chef fordert Pensionskassen- und Staatsgelder zur Finanzierung von KMU

Montag, 19.06.2017

Pensionskassen sollten mindestens 1% der Vorsorgegelder mit mehr Risiko anlegen – etwa zur Finanzierung von Schweizer Start-ups oder KMU, fordert der Präsident von Swissmem und einer KMU. Diese hat 15% der Arbeitsplätze ins Ausland ausgelagert.

Mehr als die Hälfte der Firmen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie in der Schweiz, zusammengefasst im Wirtschaftsdachverband Swissmem, haben 2016 Verluste gemacht, oder nur so geringe Margen erwirtschaftet, dass das Geld für Investitionen knapp ist. Denn wer ums Überleben kämpft, kommt nur schwer an günstige Kredite, erklärt Hans Hess, Präsident von Swissmem, in einem Interview gegenüber dem «SonntagsBlick». Es gebe so viel Geld in der Schweiz, aber es fehle an der Risikobereitschaft, dieses Geld innovativen Firmen zur Verfügung zu stellen, kritisiert er. «Ich kämpfe schon lange darum, dass nur ein einziges Prozent der Pensionskassengelder mit etwas mehr Risiko angelegt werden kann. Zum Beispiel zur Finanzierung von Start-ups oder KMU mit soliden Geschäftsplänen», sagt Hess.

Schweizer Industrie-Standort steht seit Jahrzehnten unter Druck

Hess selbst habe als junger Manager in den 1980er- und 90er-Jahren erlebt, wie das Topmanagement und die Verwaltungsräte das Vertrauen in die Schweizer Industrie verloren hätten. Viele Geschäfte seien damals aufgegeben und Zehntausende von Stellen abgebaut worden, wie er sagt. Seit der Aufhebung des Mindestkurses seien in der Schweizer Industrie zudem rund 13‘000 Stellen verloren gegangen. Dies sei ein schmerzlicher Strukturwandel.

Auslagerung als Lösungsansatz?

Gerieten Unternehmen in die Verlustzone, müsse vor allem sichergestellt werden, dass die Firmen überlebten. Bei Reichle & De-Massari, einem Kabelproduzenten aus Wetzikon, bei dem Hess Verwaltungspräsident ist, habe man die Produktion in der Schweiz automatisiert, soweit dies möglich gewesen sei. Die nicht automatisierbare Handarbeit aber sei in der Schweiz zu teuer gewesen und habe deshalb nach Bulgarien ausgelagert werden müssen. Das habe rund 50 Stellen oder etwa 15% der damaligen Belegschaft betroffen. Dort habe man 250 neue Jobs geschaffen. Diese hätte man zwar gerne in der Schweiz aufgebaut. Das habe man sich aus Kostengründen aber nicht leisten können, erklärt Hess. 

Aufbau von Jobs findet kaum mehr in der Schweiz statt

Die Schwierigkeit sei, dass der Aufbau von Jobs kaum mehr in der Schweiz stattfinde, sagt Hess. Weil man durch die Produktion in Bulgarien aber wieder konkurrenzfähig geworden sei, habe man nun sogar wieder neue Stellen in Wetzikon schaffen können, wenn auch höher qualifizierte Stellen als früher.

Dieser Trend, weltweit zu expandieren, habe allerdings nicht nur mit den Kosten in der Schweiz zu tun, so Hess weiter. Es ginge auch darum, dass man heute näher bei den internationalen Kunden sein müsse. An eine De-Industrialisierung mag Hess jedoch nicht glauben. So setze er, Hess, sich jeden Tag dafür ein, dass der Werkplatz Schweiz auch in Zukunft ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Wirtschaft bleibe… 

Bewältigung des Strukturwandels braucht Investitionen und (Weiter-)Bildung

Im Kampf um den Werkplatz Schweiz biete auch die Digitalisierung (wie jede Technologie, die einen abrupten Wandel provoziere) grosse Chancen für innovative Firmen, glaubt Hess. Um die Abläufe und die Produktion zu verbessern, hätten viele Firmen in der Schweiz schon sehr viel Geld in die Informatik gesteckt. Dafür brauche es aber mehr Geld. Er wirbt deshalb dafür, dass innovativen Firmen auch Pensionskassengelder zur Verfügung gestellt würden. So hoffe er, dass in der Schweizer Industrie dank der Digitalisierung wieder mehr neue Jobs geschaffen würden, als alte verloren gingen.

Es braucht vor allem die Bereitschaft zur Umschulung

Lau Hess brauche es ein Umdenken – und vor allem die Bereitschaft zur Umschulung. Das Thema sei nicht mehr, dass sich jeder ein bisschen weiterbilde, sondern alle müssten dazu bereit sein. Gleichfalls räumt Hess ein, dass Firmen, denen das Wasser bis zum Hals stehe, das Geld fehle, um in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Es brauche deshalb ein neues Erwachsenen-Bildungssystem, das auf dem dualen System aufbaue und in der Bevölkerung gut verankert sei. Das könne die Wirtschaft aber nicht alleine bewältigen, alle müssten zusammenarbeiten und nach neuen Lösungen suchen: die Sozialpartner, die Bildungsinstitute und der Staat.

Staat ist auch in der Pflicht

Dies sei umso wichtiger, als Arbeitslosigkeit allemal teurer sei als Umschulung. Vielleicht brauche es so etwas wie einen Bildungsgutschein, der dem Einzelnen finanziell helfe, eine Umschulung in Angriff zu nehmen, und die Firmen ein Stück weit von dieser Aufgabe entlaste.

Eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung spricht Hess auch den Hochschulen zu. Kleine Firmen könnten es sich kaum leisten, jederzeit alles Wissen, das es brauche, um in der digitalen Welt wettbewerbsfähig zu bleiben, im eigenen Unternehmen zu haben. Die bessere Vernetzung von Industrie und Hochschulen sei daher ein wichtiges Thema.

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