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Schweizer Vorsorgeeinrichtungen befinden sich in einem Dilemma

Donnerstag, 22.05.2014

Schweizer Pensionskassen haben 2013 im Mittel eine gute Rendite erzielt. Nur dreimal in 10 Jahren lag sie höher. Doch das reicht nicht aus. Experten warnen zudem, dass renditemässig magere Jahre bevorstünden. Das mache Reformen umso pressanter.

Das Jahr 2013 geht trotz anhaltend tiefer Zinsen als gutes Anlagejahr in die Geschichte der meisten Schweizer Pensionskassen ein. Der Mittelwert der Anlageperformance lag bei 6.26%; über die Hälfte der Kassen vermeldet eine Rendite zwischen 5% und 7.5%. Einzelne Pensionskassen erzielten sogar eine Rendite von 19.1%, was mit einem sehr hohen Aktienanteil und entsprechendem Risiko machbar war. Das vergangene Jahr hat die Erwartungen bezüglich der langfristig angestrebten Performance somit bei 90% der Pensionskassen erfüllt oder gar übertroffen. Diese liegt für rund 80% der Kassen zwischen 3% und 4.5%, wie die 14. Swisscanto-Umfrage bei Schweizer Pensionskassen ergab.

Kassen konnten Deckungsgrade weiter steigern

Die erzielte Anlagerendite 2013 hat die erforderlichen Zinssätze deutlich übertroffen, weshalb viele Pensionskassen den vermögensgewichteten Deckungsgrad weiter steigern konnten. Bei privatrechtlichen Kassen stieg er von durchschnittlich 108% auf 110.3% an. Öffentlich-rechtliche Kassen mit Vollkapitalisierung (keine Staatsgarantie) erzielten 2013 einen Deckungsgrad von 100.7%, jene mit Teilkapitalisierung und Staatsgarantie einen von 74.6%. Von dieser Steigerung ausgenommen blieben allerdings jene Kassen, deren Rendite unter der Zunahme der Verbindlichkeiten lag.

Tatsächlich ist der Anteil der Kassen mit voller Deckung (100%) in den letzten drei Jahren von 75% auf 96% angestiegen. Der Anteil der öffentlich-rechtlichen Kassen mit Teilkapitalisierung, deren Deckung unter 80% liegt, ist von 16% auf 5% gesunken.

Erzielte Performance reicht langfristig nicht aus

Die in der Swisscanto-Umfrage ermittelten Performancezahlen über die letzten acht Jahre relativieren die in den letzten zwei Jahren erzielten guten Ergebnisse allerdings. Je nach Kassengrösse beträgt die Performance im Durschnitt zwischen 2.1% und 2.9%. Damit liegt sie mehrheitlich knapp in der Gegend der notwendigen Sollrendite, ist aber weit entfernt von der langfristig angestrebten Performance. Die Rendite erreicht vor allem nicht die für den geltenden Mindestumwandlungssatz notwenige Höhe, wie Othmar Simeon, Leiter Personalvorsorgeberatung von Swisscanto Vorsorge AG, erklärt.

Um den Deckungsgrad bzw. das Deckungskapital stabil zu halten, müssen die Vorsorgewerke eine Soll-Rendite erreichen. Sie liegt tiefer als die angestrebte Performance und beträgt für gut die Hälfte der Kassen 3% oder weniger. Letztlich hängt die Sollrendite aber vom jeweiligen Umwandlungssatz ab. Je höher der Umwandlungssatz ist, desto höher muss die Sollrendite sein.

Umwandlungssätze sind noch zu hoch

Aus diesem Grund propagiert Swisscanto, dass der politisch vorgegebene Mindestumwandlungssatz rasch gesenkt werde. Einzelne Kassen haben damit bereits begonnen, wie die Umfrage weiter ergab.

Umhüllende Pensionskassen etwa dürfen das tun, weil dort für den obligatorisch und den überobligatorisch versicherten Teil die gleichen Bedingungen gelten. Mit einer Schattenrechnung stellen sie sicher, dass die gesetzlichen Vor­gaben im obligatorischen Teil erfüllt werden.

Teilnehmer der Studie vermeldeten eine Senkungen auf knapp unter 6%, womit laut Swisscanto bereits jener Wert anvisiert werde, der auch in der "Altersvorsorge 2020" geplant sei. Allerdings seien auch weit tiefere Sätze vorgesehen.

Da ein geringerer Umwandlungssatz mit einer verringerten Rentenleistung verbunden ist, sollte diese mittels kompensierender Massnahmen aufgefangen werden. Rund 40% der Kassen, die ihren Umwandlungssatz senken, sehen aber keine solchen Massnahmen vor. Dort, wo Ausgleichsmassnahmen vorgesehen sind, kommen bei zwei Drittel der Kassen höhere Sparbeiträge zur Anwendung; 40% erhöhen die Sparkapitalien der Versicherten, eine Minderheit von 13% setzt das Rentenalter herauf. Dies werde insbesondere von öffentlichen Vorsorgeeinrichtungen praktiziert, wie Swisscanto berichtet.

Der Umwandlungssatz legt fest, wie viel Rente aus dem bestehenden Sparkapital einmal bezahlt wird. Die Berechnung des Umwandlungssatzes ergibt sich einerseits aus der angenommenen Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Pensionierung und andererseits aus den erwarteten Kapitalmarktzinsen. Wenn man Pensionskassen nun zwingt, mittels eines vorgegebenen Umwandlungssatzes zu hohe Renten auszuzahlen, kann das bei den Pensionskassen Sanierungsfälle bedingen. Dafür müssten unter Umständen dann Steuergelder, der Sicherheitsfonds oder andere Umverteilungsmassnahmen herhalten, wie Dr. Gérard Fischer, CEO der Swisscanto Gruppe, warnt.

Technische Zinssätze wurden gesenkt

Um einen Sanierungsfall zu vermeiden, haben die Pensionskassen nicht nur die Umwandlungssätze sondern auch die technischen Zinssätze gesenkt und mit dem Aufbau von Schwankungsreserven begonnen, wie die Swisscanto-Studie weiter ausführt. Der technische Zinssatz ist der Diskontierungssatz für die Berechnung des Gegenwartswertes der zukünftigen Verpflichtungen einer Pensionskasse. Er sollte sich deshalb an langfristigen Kapitalrenditen orientieren. Je höher der technische Zins ist, desto höher muss das Deckungskapital einer Vorsorgeeinrichtung sein.

Aufgrund der anhaltenden Tiefzinsphase sowie der steigenden Lebenserwartung haben die Vorsorgeeinrichtungen in den letzten Jahren damit begonnen, ihre technischen Zinssätze zu senken. Private Kassen verringerten diese von durchschnittlich 3.51% auf 2.89%. Öffentlich-rechtliche Kassen haben die technischen Zinsen im Beitragsprimat von durchschnittlich 3.69% auf 3.12% reduziert.

Senkt man den technischen Zinssatz, sinkt auch das Vorsorgekapital. Um mit weniger Vorsorgekapital den zukünftigen Verpflichtungen bzw. Rentenzahlungen gleich lang nachkommen zu können, müssen die Rentenzahlungen vermindert bzw. die Umwandlungssätze gesenkt werden.

Mindestzinssatz sollte nicht politisch vorgegeben werden

Kassen mit zu tiefen Deckungsgraden wenden den Mindestzinssatz an. Dieser wird ebenfalls politisch vorgegeben und liegt derzeit bei 1.75%. Damit werden Vorsorgekapitalien im Obligatorium verzinst. Das ist laut Dr. Gérard Fischer insbesondere dann kritisch, wenn der Mindestzinssatz höher liegt als die tatsächlich am Kapitalmarkt erzielbaren Renditen. Werden Leistungen erhöht, ohne dass die Finanzierung dafür vorhanden ist, führt das zur Abnahme des Deckungskapitals. Für Vorsorgeeinrichtungen ist es daher unablässig, in guten Jahren Schwankungsreserven aufzubauen.

Anlagerenditen werden sinken

Die guten Jahre, zumindest was die Performance der Kapitalmärkte als „dritte Beitragszahler“ anbelangt, dürften vorerst allerdings vorbei sein, wie Peter Bänziger, Leiter Asset Management und Chief Investment Officer von Swisscanto erklärt. Bei Obligationen rechnet er für die nächsten 5 Jahre mit einer risikofreien Rendite von rund 0.5%. Die erwarteten Renditen für Aktien korrigiert er über 5 Jahre um die Über- bzw. Unterbewertungen. Daraus ergibt die leichte Unterbewertung des Schweizer Aktienmarktes langfristig eine Mehrrendite von rund 0.2% pro Jahr. Aktien Welt dagegen sind seiner Meinung nach 6% überbewertet, weshalb pro Jahr eine Minderung der Schätzung um 1.2% entsteht.

Politische Lösungen sind gefragt

Dr. Gérard Fischer sieht in den bestehenden gesetzlichen Vorgaben um die berufliche Vorsorge einen Zielkonflikt. Er zitiert Art. 111 der Bundesverfassung, wonach der Bund Massnahmen für eine ausreichende Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge zu treffen habe. Sind die heute bezahlten Beiträge zu tief oder die Renten zu hoch, gefährde man damit also die zukünftigen Renten.

Gleichzeitig verlange der Gesetzgeber, dass der Bund dafür zu sorgen habe, dass die eidgenössische Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die berufliche Vorsorge ihren Zweck dauernd erfüllen könnten. Mache man die Vorsorgeeinrichtungen aber zu sicher, würden dadurch die Kosten zu hoch, so dass keine angemessenen Renten mehr möglich seien.

Fischer wirft damit die Frage auf, ob in der politischen Diskussion nach wie vor die richtigen Ziele, nämlich in erster Linie eine ausreichende Vorsorge, verfolgt würden.

An der Swisscanto-Umfrage haben 370 (Vorjahr 343) Pensionskassen teilgenommen. Die öffentlich-rechtlichen Kassen sind mit 52 (51) Kassen vertreten, darunter mit zwei Ausnahmen alle kantonalen Vorsorgeeinrichtungen sowie die Pensionskassen fast aller SMI-Gesellschaften. Das erfasste Vermögen beträgt 506 (481) Mrd. Franken, die Zahl der Destinatäre bei den teilnehmenden Kassen 2,8 Mio., davon sind 2,1 Mio. Aktive und 0,7 Mio. Rentenbezüger.

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