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«Schweizer Pensionskassen sind in 10 Jahren bankrott»

Dienstag, 28.04.2015

Recherchen der «Financial Times» sollen aufzeigen, dass das Schweizer Vorsorgesystem in 10 Jahren bankrott ist. Das abzuwenden, bräuchte die Regierung Unterstützung aus der Bevölkerung. Wegen der Überalterung scheint dies schwierig.

Der Druck auf das berufliche Vorsorgesystem in der Schweiz, dessen Vermögen sich auf etwa 800 Milliarden Franken beläuft, hat sich dieses Jahr weiter verstärkt. Gründe sind etwa die Negativzinsen sowie die sinkenden Anleihenrenditen. Martin Eling, Professor für Wirtschaft an der Universität St. Gallen, soll ausgerechnet haben, dass die zweite Säule spätestens 2030 ein Loch von 55 Milliarden Franken aufweist, sofern die Regierung nichts dagegen unternehme, wie die «Financial Times» schreibt.

Die berufliche Vorsorge ist nicht nachhaltig ausgelegt

Die Pensionskassen sind verpflichtet, ihren Versicherten nach der Pensionierung jährlich Renten auszuzahlen, die auf einem angesparten Vermögen basieren, dass mit einem Umwandlungssatz von 6.8% multipliziert wird. Dieser Umwandlungssatz ist nicht nachhaltig und wurde 2003 bestimmt, als die Lebenserwartung noch tiefer und die erwarteten Vermögensrenditen höher angesetzt wurden, wie die «Financial Times» argumentiert. Sie zitiert Martin Eling, der davor warne, dass die Pensionskassen in 10 Jahren bankrott seien, wenn sich nichts ändere, und die Firmen, die dort hineinzahlten, müssten für deren Rettung dann mit aufkommen.

Die Zeitung zitiert auch Jerome Cosandey, einen Ökonom von der Schweizer Denkfabrik Avenir Suisse, der betone, dass der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB), mit der Aufhebung des Mindestkurses auch den Zins auf Sichteinlagen bei ihr auf minus 0.75% zu reduzieren, gekoppelt mit den tiefen Anleiherenditen und einer erhöhten Währungsvolatilität die Situation weiter verschärft habe.

Pensionskassen suchen nach Möglichkeiten höhere Renditen zu erzielen

Um die Zahlung von Negativzinsen zu umgehen, hätten einige Pensionskassen zu drastischen Mitteln gegriffen, etwa in dem sie Banknoten in Safes oder Bunker ausgelagert hätten, wie Peter Zanella, Head of Retirement Solutions bei Towers Watson in Zürich, bestätigt habe. Auf der Suche nach höheren Renditen würden Pensionskassen auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, Staatsanleihen als Anlageklasse zu Gunsten von risikoreicheren Anlagen zu vernachlässigen, etwa von Infrastruktur- und Immobilien-Investments, was er als fragliche Strategie bezeichne.

Marcel Staub, Partner beim Schweizer Beratungsunternehmen Novarca, habe gesagt, er kenne Pensionskassen, welche über die Vergabe von günstigen Hypotheken an Pensionäre nachdächten, da diese höhere Renditen als Cash abwerfen würden. Eine weitere Pensionskasse für medizinische Angestellte ziehe die Vergabe von Darlehen für medizinische Eingriffe als Alternative auf der Suche nach höheren Renditen in Betracht.

Arbeitgeber würden in die Pflicht genommen

Die Situation sei schon vor vergangenem Januar schwierig gewesen und habe sich nun drastisch verschlechtert. Sollten die Anlageerträge tief bleiben, würden Pensionskassen nicht mehr in der Lage sein, die versprochenen Leistungen zu finanzieren und ihre Reserven anbrauchen müssen. Sinke der Deckungsgrad unter 100%, brauche es zusätzliche Finanzierung, was zu einem grossen Teil zulasten der Arbeitgeber gehe, habe Jerome Cosandey erklärt.

Dabei hätten die Unternehmen bereits jetzt mit Schwierigkeiten zu kämpfen. So habe etwa David Mathers, Finanzchef der Credit Suisse, im Februar gesagt, dass die Bank aufgrund von Renditeschwankungen auf dem Pensionskassenvermögen Ende 2015 einen Kapitalrückschlag in Höhe von 500 Millionen Franken erleiden könne. Um diesen abzuschwächen, stehe man laut Mathers in engem Kontakt mit den Pensionskassenverwaltern, so die «Financial Times» weiter.

Vorgesehen Änderungsvorschläge gehen nicht weit genug

Die Schweizer Regierung debattiere derweil eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6.8% auf 6% sowie Beitragserhöhungen. Martin Eling warne indes, dass die derzeitigen Vorschläge nicht weit genug gingen und voraussichtlich auf grossen Widerstand aus der Bevölkerung stossen würden. Das Volk habe eine Senkung des Umwandlungssatzes 2010 schon einmal abgelehnt.

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