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Gute Renditen retten das Schweizer Rentensystem derzeit noch

Dienstag, 29.05.2018

Die Reserven der Pensionskassen erreichten 2017 einen Höchststand seit der Finanzkrise. Die Finanzmärkte trugen über dreimal mehr zum Vorsorgevermögen bei als die aktiv Versicherten. Die finanzielle Stabilität der Kassen ist jedoch bedroht.

Die Pensionskassen wiesen per Ende 2017 einen durchschnittlichen Deckungsgrad von knapp 114% aus und verfügten damit über eine Wertschwankungsreserve von 14% gegenüber den eingegangenen Verpflichtungen. Seit der Finanzkrise 2008 ist das ein neuer Höchststand. Trotz der guten Zahlen ist die finanzielle Stabilität der Vorsorgeeinrichtungen durch die Langlebigkeit und den demografischen Wandel mittelfristig aber bedroht. Darauf haben die Pensionskassen im Jahr 2017 mit weiteren Leistungskürzungen reagiert. Sie haben die Neurenten weiter gesenkt, um ihre finanzielle Stabilität zu sichern. Entsprechend überrascht zeigt sich René Raths, Verwaltungsrat Swisscanto Vorsorge AG, dass nach wie vor mehr als die Hälfte der Pensionierungen vorzeitig erfolgen. 

Dritter Beitragszahler wies sich als wichtigster Ertragspfeiler

Der dritte Beitragszahler, die Finanzmärkte, war im Jahr 2017 der weitaus wichtigste Ertragspfeiler für die BVG-Finanzierung. Die Pensionskassen erzielten eine durchschnittliche Anlagerendite von 7.6% (Vorjahr: 3.6%). Damit steuerten die Finanzmärkte rund 63 Milliarden Franken zum gesamten Vorsorgevermögen bei. Im Vergleich dazu haben die aktiv Versicherten 18,5 Milliarden Franken und die Arbeitgeber schätzungsweise 26,5 Milliarden Franken in die berufliche Vorsorge eingezahlt.

Hohe Aktienanteile garantierten 2017 eine grosse Anlagerendite

Mit über 90% konnte die Mehrheit der Pensionskassen eine Performance von mehr als 5% generieren. Insbesondere diejenigen Vorsorgeeinrichtungen, welche einen relativ hohen Aktienanteil und einen niedrigeren Obligationenanteil hielten, erzielten 2017 eine überdurchschnittliche Rendite. Generell haben die grösseren Vorsorgeeinrichtungen mit mehr als 500 Millionen Franken verwalteten Vermögen (7.9%) eine bessere Performance erzielt als die kleineren Pensionskassen (7.5%).

Schweizer Kassen weisen hohe Immobilienquote auf

Auffallend ist die hohe Immobilienquote bei den Schweizer Vorsorgeeinrichtungen. Diese ist in den letzten zehn Jahren von 19.9% (2008) kontinuierlich auf 22.8% (2017) angestiegen. Der hohe Anteil an Immobilienanlagen ist eine Schweizer Eigenheit, da Immobilien in der Schweiz anders als im Ausland als eigenständige Anlageklasse eingestuft werden. Im Ausland gelten Immobilien dagegen als Alternative Anlagen und sind in den Portfolios mit nur rund 1% vertreten. Investitionen in Immobilien bieten im Vergleich zu Obligationen relativ gute Renditeaussichten, bergen bei Marktkorrekturen allerdings nicht unbedeutende Risiken.

BVV2-Richtlinien wurden vermehrt umgangen

Die regulatorischen Vorgaben sehen mit den BVV2-Richtlinien Maximalquoten für jede einzelne Anlageklasse vor. Knapp die Hälfte der Vorsorgeeinrichtungen nutzte den Erweiterungsartikel (BVV2 Art.50 Abs. 4), um die maximal vorgesehenen Quoten in den verschiedenen Anlageklassen zu umgehen. So haben beispielsweise 62% der kleinen Pensionskassen und 35% der grossen Pensionskassen den Erweiterungsartikel genutzt, um ihre Immobilienquoten über die Maximallimite hinaus zu erhöhen.

Davon zeigt sich Iwan Deplazes, Leiter Asset Management Swisscanto Invest by Zürcher Kantonalbank, wenig überrascht. Seiner Meinung nach sind die geltenden Anlagelimiten nicht mehr zeitgemäss und bieten keinen Ersatz für ein sorgfältiges Risikomanagement. Dass rund die Hälfte der Kassen den Ausnahmeartikel nutzte, um über die BVV2-Limiten hinauszugehen, zeigt dies für ihn deutlich.

Umverteilung ging dank guten Renditen zurück

Dank dem guten Anlagejahr wurden die Sparguthaben der aktiv Versicherten 2017 erstmals höher verzinst als diejenigen der Rentner. Im Durchschnitt haben die aktiv versicherten Personen mit 2.5% eine bessere Verzinsung ihrer Vorsorgeguthaben erhalten als die Rentner mit 2.3%. Noch 2014 lag die Verzinsung der Rentnerguthaben mit 3.2% rund ein halbes Prozent über der Verzinsung der Guthaben der aktiv Versicherten mit 2.6%.

Die zu hohen Leistungsversprechen führten lange Zeit zu einer höheren Verzinsung der Vorsorgekapitalien der Rentner und damit zu einer Umverteilung von den aktiv Versicherten zu den Rentnern. 2017 wurden die Rentnerguthaben aufgrund der gesenkten Leistungen bei Neurenten erstmals niedriger verzinst als diejenigen der aktiv Versicherten. Konkret bedeutet dies, dass die aktiv Versicherten 2017 dank den guten Renditen an den Finanzmärkten etwas von der Umverteilung an die Rentner entlastet wurden.

Pensionskassen setzten Leistungskürzungen fort

Die Leistungsanpassungen der Pensionskassen setzten sich derweil fort. Der durchschnittliche Umwandlungssatz lag 2017 bei 5.9%. Gegenüber dem Jahr 2008 entspricht dies einem Rückgang von knapp einem Prozentpunkt (2008: 6.8%). Auch der technische Zinssatz ging weiter zurück. Er sank über alle Vorsorgeeinrichtungen gesehen von 3.6% 2017 auf 2.0% 2017. Der technische Zinssatz bemisst als Bewertungszinssatz wie hoch das zurückgestellte Vorsorgekapital erwartungsgemäss verzinst werden kann.

Sammelstiftungen haben den Leistungsabbau verlangsamt

Innerhalb der Pensionskassenlandschaft liess sich bei den Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen eine Verlangsamung des Leistungsabbaus feststellen. So boten die Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen den Versicherten mit 6.1% nach wie vor überdurchschnittliche Umwandlungssätze an im Vergleich mit den übrigen Vorsorgeeinrichtungen (5.8%). Dieser Umwandlungssatz war und ist nach Ansicht von Swisscanto zu hoch. So hätten die fehlenden Beträge zur Bezahlung der Renten aus den Reserven und den Kapitalerträgen finanziert werden müssen. Dies sei zulasten der aktiv Versicherten gegangen und habe zu einer Umverteilung in Richtung Rentner geführt.

Sammeleinrichtungen sind an gesetzlich geltenden Umwandlungssatz gebunden

Die Sammeleinrichtungen seien bei der Festsetzung des Umwandlungssatzes allerdings nicht frei gewesen. So hätten 26% der Sammeleinrichtungen angegeben, die Leistungen aufgrund des gesetzlich geltenden Umwandlungssatzes von 6.8% im Obligatorium nicht senken zu dürfen.

Viele Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen könnten vom Markt verschwinden

Sammelstiftungen sehen sich im Gegensatz zu firmeneigenen Pensionskassen jedoch nicht nur in einem engeren regulatorischen Korsett, sondern sind zugleich dem Wettbewerb ausgesetzt, weiss Reto Siegrist, Geschäftsführer Swisscanto Vorsorge AG. Um im Markt attraktiv zu bleiben, seien sie zu überhöhten Leistungen gezwungen. Langfristig führe dies zu einer Marktkonsolidierung, wodurch viele Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen verschwinden würden.

Über die Studie

An der «Schweizer Pensionskassenstudie 2018» nahmen 535 Vorsorgeeinrichtungen teil (Vorjahr 507). Das erfasste Vermögen der Teilnehmer beläuft sich auf 680 Milliarden Franken. Gesamthaft sind damit 4,1 Millionen Versicherte repräsentiert, davon 3,2 Millionen aktiv Versicherte und 0,9 Millionen Rentenbezüger. Gemessen an der Bilanzsumme verwalten die Teilnehmer gut drei Viertel der in der Schweiz aufgeführten Vorsorgevermögen.

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