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Für den Immobilienmarkt gibt es noch keine Entwarnung

Sonntag, 21.06.2015

Die Nationalbank warnt vor einem Wiederanstieg der Immobilienpreise. Das Hypothekarvolumen und auch die Immobilienpreise haben sich zwar deutlich abgeschwächt; Wohnrenditeliegenschaften sind für Investoren aber nach wie vor attraktiv.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ortet in ihrem jüngst publizierten Bericht zur Finanzstabilität zwar ein gestopptes Wachstum der Ungleichgewichte auf den Hypothekar- und Immobilienmärkten. So beschreibt die SNB das Preismomentum des Schweizer Immobilienmarktes als moderat. Denn das Wachstum des Hypothekarvolumens als auch der Immobilienpreise seien in den letzten Quartalen nur noch leicht stärker gewachsen als durch die Fundamentaldaten erklärt werden könne, so die SNB. Die Ungleichgewichte blieben allerdings gross, wie die SNB betont.

Der Anteil neu vergebener Hypotheken mit hohem Belehnungsgrad ist gesunken

Die SNB äussert zudem Bedenken über eine neuerliche Zunahme der Ungleichgewichte auf dem Hypothekar- und Immobilienmarkt. Gemäss der Nationalbank sind Fortschritte besonders beim Belehnungsgrad («loan-to-value ratio», LTV) zu verzeichnen. Der Anteil der neu vergebenen Hypotheken mit hohem LTV ist erneut gesunken. Nur noch rund 10% aller neuen Hypotheken an Privathaushalte weisen ein LTV von mehr als 80% auf. Bei den kommerziellen Kreditnehmern haben noch 13% der neuen Hypotheken ein LTV von mehr als 80%. 2013 fielen noch über 20% der Hypothekarkredite in diese Kategorie.

Die Tragbarkeitsrisiken sind gleich hoch geblieben

Keine Verbesserung ist dagegen bei den Tragbarkeitsrisiken festzustellen, was die SNB anhand der Verhältnisse von Belehnung zu Einkommenshöhe («loan-to-income ratio», LTI) misst. Der im Bericht genannte Anteil von 42% aller neu vergebenen Hypotheken an Privathaushalte, bei welchen die kalkulatorisch gerechneten Kosten (bei einem Zinssatz von 5%) einen Drittel der Einkommen von Privathaushalten übersteigen, überzeichnet das Bild aber massiv. In einer Fussnote weist die SNB denn auch selber darauf hin, dass sie aus Datenerhebungsgründen ein Einkommenskonzept verwendet, das mit einem 15%-20% tieferen Einkommen rechnet, als die Banken im Mittel verwenden.

Wohnrenditeliegenschaften haben weiter an Attraktivität gewonnen

Die Nationalbank streicht besonders Ungleichgewichte auf dem Markt für Wohnrenditeliegenschaften hervor. Erstens hätten Investitionen in diesem Segment an Attraktivität gewonnen, was die zinsbedingt bereits hohen Preise noch weiter nach oben drücken könnte. Zweitens bestünden Anreize spezifisch für die inlandorientierten Banken, höhere Zinssatz- und Kreditrisiken einzugehen, um die erodierten Zinsmargen im Passivgeschäft zu kompensieren und kurzfristig die Profitabilität zu stützen.

Weitere regulatorische Massnahmen sind möglich

Die SNB empfiehlt den Banken und Behörden, wachsam zu bleiben. Sollte sich das Momentum auf dem Hypotheken- und Immobilienmarkt aufgrund des nochmals tieferen Zinsniveaus auf den Kapitalmärkten wieder umkehren, könnten zusätzliche Massnahmen notwendig werden. Solche Massnahmen sollten direkt auf die Inkaufnahme von Risiken der Banken bei der Hypothekarkreditvergabe abzielen. Die SNB betont dabei spezifisch den Markt für Wohnrenditeliegenschaften. Dieser sei dem gestiegenen Anlagedruck stärker ausgesetzt. Aktuell sieht die SNB keine Notwendigkeit, den antizyklischen Kapitalpuffer zu erhöhen. Sie will den Immobilienmarkt jedoch weiterhin eng überwachen und den Bedarf für eine Anpassung regelmässig neu evaluieren.

Augenmerk gilt verstärkt den Wohnrenditeliegenschaften

Laut Analysten der Credit Suisse enthält der Finanzstabilitätsbericht der SNB keine Überraschungen, was den Immobiliensektor anbelangt. Drei Dinge fallen ihrer Ansicht nach jedoch auf: Erstens anerkennt die Nationalbank, dass sich das Wachstum der Hypothekarvolumen und der Immobilienpreise deutlich abgeschwächt hat. Zweitens richtet die SNB ihr Augenmerk verstärkt auf das Segment der Wohnrenditeliegenschaften, nachdem sie in den Jahren zuvor praktisch nur den Markt für selbstbewohntes Wohneigentum im Blickwinkel hatte. Letzterer, wie auch der Geschäftsflächenmarkt, schienen nicht mehr einem besorgniserregenden Entwicklungspfad zu folgen, wenn auch die Risiken damit noch nicht verschwunden seien, wie die Analysten betonen. Drittens fällt auf, dass mit keinem Wort auf das Schadenspotenzial auf dem Markt für Wohnrenditeliegenschaften eingegangen wird. Auf diesem tummelten sich auch grosse institutionelle Investoren, so die Analysten weiter, welche über ausgebaute Risikomanagementsysteme und ein grösseres Verlustabsorptionspotenzial verfügten als Private.

Private Investoren sind höheren Gefahren ausgesetzt

Es stelle sich daher die Frage, ob auf diesem Markt Schocks besser abgefedert werden könnten und weniger grosse Auswirkungen hätten. Gefahren sehen die Analysten diesbezüglich stärker bei privaten Investoren, die zuweilen über wenig Erfahrung in der Immobilienbewirtschaftung verfügten und im Gegensatz zu den meisten institutionellen Investoren zumeist deutlich höher belehnt seien.

Wohneigentum bleibt überbewertet

Trotz der Abkühlung des Wachstums von Hypothekarvolumen und Immobilienpreisen könne hinsichtlich der Überbewertung von Wohneigentum keine Entwarnung gegeben werden, warnen die Analysten. In der Vergangenheit hätten sich die Ungleichgewichte in vielen Schweizer Regionen so stark herausgebildet, dass die jetzige Marktberuhigung noch nicht ausreiche, um diese abzubauen. Beruhigend sei allerdings, dass sich auf regionaler Ebene die grössten Ungleichgewichte reduziert hätten. Insofern habe sich der Risikocharakter verändert.

Dies zeigt ein Blick auf die Preisentwicklung von Wohneigentum in Relation zur Einkommensentwicklung (vgl. Grafik). Insbesondere am Genfersee kann die Überbewertung gemäss Analysten dank sinkender Immobilienpreise etwas reduziert werden. Das gilt offenbar auch für die Hochpreisregionen rund um den Zürichsee, wenn auch in geringerem Masse. Die Gefahr einer spekulativen Preisblase in den Hochpreisregionen sei dadurch spürbar gesunken, sind die Analysten überzeugt.

Ausserhalb der Hochpreisregionen nehmen die Ungleichgewichte weiter zu

Ausserhalb der Hochpreisregionen nehmen die Ungleichgewichte hingegen weiter zu – zum Teil beschleunigt, warnen die Analysten weiter. In diesen Regionen seien die Missverhältnisse jedoch noch nicht sehr ausgeprägt. Würde sich die gegenwärtige Preisentwicklung ausserhalb der Hochpreisregionen jedoch in den nächsten Jahren fortsetzen, hätte das erhöhte Risiken auf dem Immobilienmarkt insgesamt zur Folge.

Die Analysten rechnen indes damit, dass die bisherigen Regulierungsmassnahmen, die in der Tendenz steigenden Hypothekarzinsen, die hohen Hürden bei der Tragbarkeit und der Erschwinglichkeit, ebenso wie das sich abkühlende gesamtwirtschaftliche Umfeld das Preiswachstum von Wohneigentum einigermassen unter Kontrolle halten.

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