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«Es lohnt sich, in die Einarbeitung von älteren Mitarbeitenden zu investieren»

Samstag, 17.12.2016

Ältere Stellensuchende haben es oft schwer, wieder eingestellt zu werden. Gründe sind zumeist Vorurteile über das Alter. Recruiter müssen diese abbauen und die Führungskräfte bei der Suche entsprechend unterstützen, fordert Avenir Suisse.

Ältere Stellensuchende stossen im Bewerbungsprozess oft auf Vorurteile und Skepsis, wie Jérôme Cosandey in einem Interview mit «HR Today» erklärt. Cosandey setzt sich bei Avenir Suisse mit dem Reformbedarf in der Altersvorsorge, der Organisation und Finanzierung der Alterspflege und mit Fragen der Altersarbeit auseinander.

Der Reflex ist gross, Jüngeren den Vorzug zu geben

Zwar seien diejenigen, die eine Arbeitsstelle hätten, in den Unternehmen im Generationenmix oftmals gut integriert und würden wertgeschätzt. Ältere Stellensuchende würden im Bewerbungsprozess aber gerade dann auf Skepsis stossen, wenn sie schon länger auf Stellensuche seien und dies die Frage aufwerfen könne, ob mit ihrem Lebenslauf etwas nicht stimme. Hinzu komme, dass viele Recruiter jünger seien und sich eher mit Gleichaltrigen identifizierten als mit jemandem, der über 50 Jahre alt sei. Der Reflex sei deshalb gross, Jüngeren den Vorzug zu geben.

Ältere Mitarbeitende sind weniger oft krank als jüngere

Grundsätzlich habe jeder schon positive und negative Erfahrungen mit älteren Menschen gemacht. Es seien jedoch extreme Fälle, die unser Bild der Senioren prägen würden, wie jenes von schwerkranken Leuten, die im Betrieb lange ausfallen. Tatsächlich aber seien ältere Mitarbeitende in der Regel weniger oft krank als jüngere. Solche Vorurteile seien aber schwer aus den Köpfen zu bringen.

Ältere Arbeitnehmende müssen vermehrt um ihre Stelle fürchten

Manche Märkte würden schrumpfen oder befänden sich in einem Umbruch, wie beispielsweise der Bankensektor. Das bringe natürlich mehr Kündigungen mit sich, auch von älteren Mitarbeitenden, wie Cosandey einräumt.

Bisher seien Ältere zwar weitaus weniger oft von Arbeitslosigkeit betroffen als Jüngere. Die Arbeitslosenquote der Senioren nähere sich allerdings der durchschnittlichen Quote an. Diese sei im internationalen Vergleich aber nach wie vor sehr tief. Die Medien würden zudem oft über tragische Schicksale im Sinne von «Immer noch kein Job, trotz 300 Bewerbungen» berichten. Über den Senior, der sofort eine Stelle finde, schreibe keiner. Das zementiere eine verzerrte Wahrnehmung, die bei älteren Arbeitnehmenden Ängste schüren und Arbeitgebern eine Rechtfertigung dafür liefern würde, Ältere nicht einzustellen, weil das andere Unternehmen vermeintlich auch nicht täten.

Sozialpläne fallen inzwischen weniger grosszügig aus

Vor wenigen Jahren noch hätten vor allem Grossunternehmen bei Entlassungen älterer Mitarbeitender grosszügige Sozialpläne angeboten. Eine Frühpensionierung ohne Kürzung der Rente hätten viele Arbeitgeber und Arbeitnehmende sozialer empfunden als die Kündigung eines jüngeren Kollegen mit Familienverpflichtungen. Solche Lösungen seien heute jedoch kaum mehr bezahlbar. 

Wie bei der IV habe sich bei der Entlassung von älteren Angestellten das Prinzip «Eingliederung vor Verrentung» durchgesetzt. Etwa, indem die Mitarbeitenden mehrere Monate auf der Lohnliste blieben, sich in dieser Zeit jedoch darum bemühen müssten, eine neue Stelle zu finden. Dies geschehe meist innerhalb eines Outplacements. So versuche man bei KMU nach Ansicht von Cosandey noch eher, für ältere Mitarbeitende eine Übergangslösung bis zur Pensionierung zu finden.

Ältere Arbeitnehmende bieten viele Stärken

Als älterer Arbeitssuchender würde Cosandey neben seiner ausgewiesenen Arbeitserfahrung und Expertise auch hervorheben, dass er in fünf Jahren immer noch da sein werde, während das bei einem Jungen nicht unbedingt der Fall sein würde. Das lasse sich auch statistisch belegen. Deshalb lohne es sich für Arbeitgeber, in die Einarbeitung älterer Mitarbeitender zu investieren. Ältere Arbeitnehmende brächten zudem mehr Nähe und Verständnis für den wachsenden Seniorenmarkt mit. Und ihre Erfahrung sei bei komplexen Aufgaben ein besonderer Vorteil. Die Unterschiede innerhalb einer Altersklasse könnten allerdings sehr gross sein, psychisch wie physisch. Es gebe sehr fitte 60-Jährige und unfitte 20-Jährige.

Vorstellungen über das Alter müssen hinterfragt werden

Auf oberster Führungsebene sei erkannt worden, dass es im Unternehmen ältere Mitarbeitende brauche. So habe der CEO vielleicht keine Vorbehalte gegenüber Älteren, doch würden die Einstellungsentscheide oft tiefer in der Hierarchie gefällt. Somit sei eine Sensibilisierung der ganzen Organisation nötig.

Cosanday fordert, die Vorstellungen über das Alter zu hinterfragen. Wenn in einem Stelleninserat eine Altersangabe «bis 35» gemacht werde, handle es sich um einen Einsteigerjob. Dafür eigne sich jedoch ein 45-jähriger Quereinsteiger ebenso gut. Schreibe man die Stelle aber als Junior-Funktion aus, fixiere man sich nicht mehr aufs Alter. Dann sei auch der Lohn kein Thema, weil alle wüssten, dass dieser entsprechend niedriger ausfalle. Ein solches Vorgehen sei viel zielführender als eine Alterslimite.

Diskriminierung sollte vermieden werden

Auch bei der Talentförderung sollte man von altersspezifischen Gruppierungen wegkommen, wie Cosandey sagt. Denn sobald eine bestimmte Mitarbeitendengruppe bevorzugt werde, fühlten sich die anderen diskriminiert.

Gestalte man eine Massnahme hingegen altersunabhängig, würden engagierte Arbeitnehmende erkennen, dass es für alle einen Platz im Unternehmen gebe. Bei all diesen Themen sieht es Cosandey vorrangig als Aufgabe des Human Resources an, Vorurteile abzubauen und die Führungskräfte entsprechend zu unterstützen.

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