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Die Schweiz fällt mit ihrem Altersvorsorgesystem im internationalen Vergleich weiter zurück

Montag, 23.10.2017

Das Vorsorgesystem der Schweiz ist zu wenig nachhaltig, sagen Experten. Dies, weil die Lebenserwartung bei gleichbleibendem Pensionierungsalter stetig steigt. Aber auch das schwache reale Wirtschaftswachstum wiegt negativ.

Die Schweiz ist in einem Vergleich der Altersvorsorgesysteme in 30 ausgesuchten Ländern vom 6. auf den 8. Platz zurückgefallen. Dabei konnte die rasante Talfahrt aus dem Vorjahr verlangsamt werden. Spitzenreiter bleibt Dänemark, gefolgt von den Niederlanden und Australien. Die Schlusslichter des Rankings sind Indien, Japan und Argentinien. Das ist das Ergebnis des «Melbourne Mercer Global Pension Index 2017», der vom Beratungsunternehmen Mercer in Kooperation mit dem Australian Centre for Financial Studies erstellt wurde.

Nachhaltigkeit ist das grösste Problem des Schweizer Vorsorgesystems

In der Studie wurden die Altersvorsorgesysteme der verschiedenen Länder hinsichtlich ihrer Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität untersucht und bewertet. Neben den staatlichen Rentensystemen und der betrieblichen Altersvorsorge wurden auch private Anlagen und Vorsorgemassnahmen berücksichtigt.

Mit einem Gesamtindexwert von 67.6 ist das Schweizer Vorsorgesystem von Rang sechs auf Rang acht gefallen. Mit einem Minus von 1.0 Punkten fällt der Rückgang allerdings moderater als noch 2016 (- 5.6) aus. Die stärksten Verluste gab es in diesem Jahr im Sub-Index Nachhaltigkeit: 64.7 Punkte bedeuteten 2.7 Punkte weniger als 2016. Der Grund ist vor allem die erstmalige Berücksichtigung des realen Wirtschaftswachstums als Ranking-Faktor. Auch dass bei steigender Lebenserwartung und gleichbleibendem Pensionierungsalter die Pensionierungsdauer zunimmt, wirkt sich negativ auf die erzielte Punktzahl im Bereich Nachhaltigkeit aus.

Schweiz sollte Gründe für den Rückstand analysieren

Laut Samuel Lisse, CEO von Mercer Schweiz, sollte sich die Schweiz an Dänemark ein Beispiel nehmen und analysieren, was die Gründe für den Abstand zum ersten Rang sind. «Eine solche Analyse kann uns die Stossrichtungen vorgeben sowie Hinweise darauf, welche Massnahmen im Schweizer Altersvorsorgemarkt notwendig sind», wie er erklärt. Darüber hinaus sollten auch die Berater der Vorsorgeindustrie einfache und verständliche Aufklärung am Markt betreiben.

Desweitern empfiehlt Mercer die Einführung einer Regelung, nach der ein Teil der Altersleistung als Rente bezogen werden muss; die Aufhebung der gewährten Steuervergünstigungen auf Kapitalzahlungen im Vergleich zu Renten sowie eine Steigerung der Wohneigentumsquote.

Nachhaltigkeit ist der wichtigste Faktor für Rentenreformen

Länder, die zukünftige Rentenreformen konzipieren, sollten sich insbesondere mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit befassen, sagt Jacques Goulet, President Health und Wealth bei Mercer. Denn eine steigende Lebenserwartung und niedrige Investmenterträge hätten signifikante Auswirkungen auf die Fähigkeit vieler Systeme, angemessene Rentenleistungen bereitzustellen. Darüber hinaus gewinne auch die Frage nach der generationenübergreifenden Gerechtigkeit zunehmend an Bedeutung, mahnt Goulet.

Auch die Rentensysteme von Japan, Österreich, Italien und Frankreich basierten nicht auf einem nachhaltigen Modell, das aktuelle und zukünftige Generationen tragen könne, so Goulet weiter. Schuld ist seiner Meinung nach eine Reihe von Faktoren, darunter fehlende Rücklagen für die Zukunft, die geringe Zahl von älteren Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt sowie ein signifikanter demografischer Wandel.

Best Practices dient als Leitfaden für die Zukunft

Laut David Knox, Verfasser der Studie und Senior Partner bei Mercer, sind diese Ergebnisse jedoch kein Anlass für Endzeitstimmung. Vielmehr könnten alle Länder jetzt Massnahmen ergreifen, um ihre Altersvorsorge zu verbessern.

Hauptziel des Index ist laut Mercer die Bewertung der verschiedenen Rentensysteme, auch um Best Practices zu identifizieren. Die Studie legt offen, welche Länder nachhaltige Altersvorsorgesysteme mit angemessenen Leistungen eingeführt haben und was man aus diesen Erfolgsstorys lernen kann. An den skizzierten Best Practices können sich andere Länder orientieren, um die politischen und ökonomischen Voraussetzungen für notwendige Reformen zu schaffen.

Über die Studie

Der Melbourne Mercer Global Pension Index wurde erstmalig im Jahr 2009 mit einem Ranking für 11 Länder erstellt. Im vergangenen Jahr wurden 27 Länder untersucht, 2017 umfasst der Index dank der Neuzugänge Kolumbien, Neuseeland und Norwegen 30 Länder.

Jedes Land ist auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet. Der Gesamtindex ist der gewichtete Durchschnittswert der drei Sub-Indices Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität.

Der Sub-Index Angemessenheit untersucht die derzeit gewährten Versorgungsleistungen und einige wichtige Gestaltungsmerkmale, wie beispielsweise Versorgungsniveau, steuerliche Anreize, Gestaltung der Altersversorgungsmodelle, Sparquote. Erstmalig wurde auch freiwillige betriebliche Altersvorsorge als Indikator für die Nettoersatzrate berücksichtigt (auf Basis von Werten der OECD). Der Sub-Index Angemessenheit wird als wichtigster Index mit 40 Prozent gewichtet.

Der Sub-Index Nachhaltigkeit untersucht anhand mehrerer Indikatoren, ob das gegenwärtige System in Zukunft aufrechterhalten werden kann. Bei diesem Sub-Index spielen Faktoren wie zum Beispiel Rückdeckung, Finanzierung, Demografie, Staatsverschuldung und erstmalig auch von der Weltbank gemessenes reales Wirtschaftswachstum eine Rolle. Dieser Sub-Index wird mit 35 Prozent gewichtet.

Der Sub-Index Integrität konzentriert sich auf den Bereich der Privatvorsorge und untersucht anhand verschiedener Indikatoren, wie "vertrauenswürdig" und beständig das Vorsorgesystem ist. Hier spielen staatliche Aufsicht, Governance, Risikosteuerung und Kommunikation eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung. Die Gewichtung liegt bei 25 Prozent.

Zur Bewertung der einzelnen Länder wurden über 40 Indikatoren für erstrebenswerte Merkmale in allen Altersversorgungssystemen berücksichtigt. Die Studie wird unterstützt von der Regierung des australischen Bundesstaates Victoria.

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