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«Die Lösung wird sein, die Negativzinsen teilweise an die Kunden weiterzugeben»

Montag, 12.12.2016

Das Zinsdifferenzgeschäft befindet sich wegen der Negativzinsen in Schieflage. Die überhöhten Sparzinsen werden zulasten der Hypothekarschuldner finanziert. Auch für die Migros-Bank wird 2017 ein sehr schwieriges Jahr.

Der Gewinn der Migros-Bank ist im ersten Halbjahr 2016 gesunken. Das zweite Halbjahr sieht kaum besser aus, weshalb die Bank davon ausgeht, das gesamte Jahr 2016 leicht unter dem Vorjahresergebnis abzuschliessen, wie Migros-Bank-Chef Harald Nedwed im Interview mit der «NZZ am Sonntag» erklärt.

Das Zinsdifferenzgeschäft befindet sich in einer Schieflage

Die Lage sei wegen der Negativzinsen sehr schwierig. Das betreffe alle Schweizer Inlandbanken, die schwergewichtig im Zinsdifferenzgeschäft tätig seien. Dieses befinde sich momentan in einer Schieflage, denn selbst mit einem Zinssatz von 0% sei ein Sparkonto noch zu hoch verzinst. Die überhöhten Sparzinsen würden durch eine Quersubventionierung zulasten der Hypothekarschuldner finanziert. Pensionskassen und Versicherer hätten dieses Problem allerdings nicht und könnten Hypotheken zu günstigeren Konditionen anbieten. So werde 2017 ein sehr herausforderndes Jahr für die Banken.

Die Migros-Bank will 2017 ernsthaft über Negativzinsen nachdenken

Die Lösung sieht Harald Nedwed darin, die Negativzinsen teilweise an die Kunden weiterzugeben. Das werde in absehbarer Zeit bei vielen Banken geschehen, wie er meint. Die Privatbanken seien ja noch stärker von der Situation betroffen.

Auch die Migros-Bank prüft, Negativzinsen einzuführen, wie Harald Nedwed sagt. Die Zinsen seien jetzt zwar ein bisschen gestiegen. Doch das sei vermutlich nur ein vorübergehender Trump-Effekt gewesen. 2017 müssten sie aber ernsthaft über Negativzinsen nachdenken. Dabei ginge es aber nicht um Kleinsparer, mit einigen 10‘000 Franken, sondern um vermögende Kunden, mit siebenstelligen Kontoguthaben.

Die Banken sind nicht so unvernünftig, Kredite an jeden zu vergeben

Harald Nedwed zeigt sich kritisch gegenüber der aktuellen Geldpolitik der Nationalbanken. Durch tiefe und negative Zinsen werde die Kreditnachfrage befeuert. Umgekehrt solle es unattraktiver werden, zu sparen. Tatsächlich aber würden die Menschen in der Schweiz nicht weniger, sondern mehr sparen, weil sie unsicher seien, was auf sie zukomme. Glücklicherweise seien die Banken aber nicht so unvernünftig, Kredite an jeden zu vergeben, nur weil die Zinsen tief seien. Stattdessen hielten die Banken das Geld auf den Girokonten der Nationalbank, obwohl sie das allerdings Negativzinsen koste.

Die Migros-Bank will am kalkulatorischen Zinssatz nichts ändern

Raiffeisen will den kalkulatorischen Zinssatz bei Hypotheken senken. Die Migros-Bank sieht jedoch keinen Anlass, den kalkulatorischen Zinssatz herabzusetzen, wie Harald Nedwed erklärt. Sie würde stattdessen überlegen, individueller auf Kreditnehmer einzugehen. Eine zentrale Grösse bei der Kreditvergabe sei die finanzielle Tragbarkeit, neben der Qualität der Deckung und der Belehnungshöhe. Die Tragbarkeit werde massgeblich durch das verfügbare Einkommen des Kreditnehmers bestimmt. Dabei sei eine individuelle Betrachtungsweise angebracht, wie Harald Nedwed betont.

Die Bank muss bei der Kreditvergabe situativer auf Lebenssituationen eingehen

Er nennt zwei Beispiele, einen 30 Jahre alten Arzt, dessen Gehalt mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich steigen werde, und einen 40 Jahre alten einfachen Angestellten, wo das anders aussehen könne. Es mache zweitens einen Unterschied, ob jemand der 100‘000 Franken pro Jahr verdiene im Jura lebe oder in Zürich.

Harald Nedwed nennt ein drittes Beispiel: Wer für ein uneheliches Kind Alimente zahlen müsse, dem werde das von seiner Bank vom verfügbaren Einkommen abgezogen, wenn er einen Kredit verlange. Bei einem Vater von vier ehelichen Kindern ziehe man dagegen nichts ab. Das ergebe wenig Sinn. Bei der Kreditvergabe müsse deshalb situativer auf Lebenssituationen eingegangen werden.

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