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Die geldpolitischen Entscheide der EZB enttäuschen den Markt

Freitag, 04.12.2015

Die EZB lässt den Leitzins für die Eurozone unverändert bei 0.05%. Sie senkt den Einlagezins für Banken jedoch um 10 Basispunkte auf -0.3%. Sie verlängert das Anleihenankaufprogramm zudem bis März 2017. Die Märkte haben mehr erwartet.

Die Europäische Zentralbank (EZB) gab am Donnerstag bekannt, dass sie den Hauptrefinanzierungssatz für die Eurozone unverändert bei 0.05% belässt. Dies bedeutet, dass sich der Zinsunterschied zwischen grossen Wirtschaftsräumen Eurzone und USA vorerst nicht vergrössert. Gleichzeitig kündigte die EZB an, die Negativzinsen für Banken um 10 Basispunkte auf minus 0.3% zu senken. Nie zuvor seit Bestehen des Euro (16 Jahre) lag der Einlagenzins so niedrig wie jetzt. Dennoch: Die EZB blieb damit hinter den Erwartungen zurück; viele Marktteilnehmer hatten mit einer Senkung um 20 bis 25 Basispunkte gerechnet.

Anleihenankaufprogramm wird erweitert

Weiter will die EZB das 60 Milliarden Euro schwere Anleihenankaufprogramm (Quantitative Easing) um weitere sechs Monate bis zum März 2017 verlängern. Darüber hinaus will sie die Erlöse aus den EZB-Investitionen gegebenenfalls in das QE-Programm reinvestieren, fortwährende Refinanzierungsprogramme anbieten sowie die für die Anleihenankäufe zulässigen Papiere um diverse regionale europäische Anleihen erweitern. Auch darüber zeigten sich viele Marktteilnehmer enttäuscht; sie hatten eine formelle Anhebung der Summe monatlicher Ankäufe erwartet.

Bilanzsumme der EZB schwillt damit weiter an

Zu den 1,1 Billionen Euro des laufenden QE-Programms kommen damit jedoch nochmals knapp 400 Milliarden Euro dazu. Die Bilanzsumme der EZB schwillt damit auf 3,6 Billionen Euro an. Das entspricht rund 36% der gesamten Wirtschaftsleistung in der Eurozone. Auch ist es deutlich mehr, als die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) auf dem Höhepunkt ihrer Krisenpolitik in die eigenen Bücher genommen hat.

Tiefer Euro soll Wirtschaft ankurbeln

Kritiker der ultra lockeren Geldpolitik warnten im Vorfeld der letzten EZB-Sitzung dieses Jahres vor „einer Strategie des immer billigeren Geldes“, welche hohe Risiken berge. Die Inflation sei zwar niedrig, es komme aber nicht nur auf den genauen Wert, sondern auch auf die Art der Inflation an. Manche Ökonomen sehen in der Absenkung des Einlagensatzes nun einen klugen Schachzug der EZB; seit die Notenbank die Zinsen erstmals im Juni 2014 ins Minus drückte, hat sich der Euro von 1,36 Dollar auf inzwischen 1,08 Dollar abgeschwächt.

Zentralbankenunterstützung für die Märkte lässt nach

Unmittelbar nach diesen Ankündigungen stieg der Euro jedoch gegenüber dem Dollar. Vor dem EZB-Entscheid war der Euro zu über 1.05 Dollar gehandelt worden. Danach stieg er zeitweise um rund 2% auf über 1.08 Dollar an. Im Gegenzug verloren europäische Aktien erheblich an Wert. Der DAX sank zeitweise unter die 11‘000 Punkte-Marke. Auch der Swiss Market Index büsste um mehr als 1% ein.

Aus Sicht der Asset Allocation ist gemäss Analysten der Credit Suisse wichtig, dass die wieder aufflammende Volatilität darauf hindeuten, «dass sich die Märkte zu einem Umfeld hin bewegen, in dem eine Unterstützung durch Zentralbanken nicht mehr in der Form möglich ist, wie das in den vergangenen fünf Jahren der Fall war».

US-Fed dürfte Leitzins im Dezember erhöhen

US-Fed Chefin Janet Yellen hatte am Tag zuvor erneut Signale für eine baldige Erhöhung der Leitzinsen in den USA gesendet. Sie gehe momentan davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in den USA in den nächsten ein oder zwei Jahren wahrscheinlich ausreichend sei, um weitere Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt zu bewirken. Dies gilt als wichtige Grundlage für eine Leitzinserhöhung. Der Leitzins in den USA liegt seit sieben Jahren bei 0%.

SNB wird Negativzinsen wohl ebenfalls erhöhen

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte von der angekündigten Geldpolitik der EZB profitieren; der Franken schwächte sich gegenüber dem Euro etwas ab und stieg auf über 1.09 Euro. Analysten gehen davon aus, dass die SNB bei diesem Franken-Euro-Niveau nicht weiter am Devisenmarkt intervenieren dürfte, um den Franken weiter zu schwächen. 

Dennoch gehen die Analysten der Credit Suisse davon aus, dass die SNB nach dem heutigen Entscheid der EZB nachziehen muss und die Negativzinsen für Bankeinlagen ebenfalls erhöhen wird. Die CS erwartet, dass der Zins von aktuell -0.75% auf -1.00% sinken könnte.

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