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Der Nachhaltigkeitsgedanke kommt langsam auch in der Versicherungsbranche an

Montag, 10.04.2017

Immer mehr Versicherer investieren ihr Kapital in Fonds oder Mandate, die Kriterien des Responsible Investment oder ESG-Kriterien einbeziehen. Wichtigster Treiber dafür ist die immer striktere Regulierung der Branche, aber auch die Sicherung von Prosperität.

Rund 35% der Versicherungsunternehmen beziehen Kriterien der Nachhaltigen Geldanlage mit ein, wenn sie Anlageentscheidungen zur Portfoliostrukturierung treffen. Nachhaltige Geldanlagen werden auch Responsible Investment (RI) genannt und entsprechen den ESG-Kriterien (ESG steht für Environmental, Social and Governance). Sie betreffen also die Umwelt, die Gesellschaft und gute Unternehmensführung. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von 122 Versicherungs-CIOs und anderen Entscheidungsträgern der Branche in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien, welche SMF Schleus Marktforschung im Auftrag von AXA Investment Managers durchgeführt hat.

Sozial verantwortliche Investments werden immer stärker berücksichtigt

Die langfristige Entwicklung deutet darauf hin, dass der Megatrend hin zu sozial verantwortlichen Investments in den Geschäftsmodellen der Versicherer immer stärker berücksichtigt wird. Dennoch wiesen 53% der Umfrageteilnehmer darauf hin, dass der wichtigste Treiber hinter dem stärkeren Einsatz von RI und ESG letztlich einfach die immer striktere Regulierung der Branche ist. Als zweitwichtigster Faktor kristallisierte sich die Verbindung zwischen RI und Performance heraus – sie wurde von 40% der Befragten genannt. 31% wiesen auf den Druck hin, der sich daraus ergibt, dass andere Unternehmen der Branche ESG- oder RI-Kriterien in ihre Geldanlage integrieren.

Wichtigster Treiber ist die immer striktere Regulierung der Branche

Gemäss Matt Christensen, Head of Responsible Investment bei AXA IM, ist es in einer Branche, die stärker reguliert ist als die meisten anderen, nachlässig, einfach nur auf regulatorische Vorgaben zu reagieren. Mit einer proaktiven Herangehensweise an RI-Themen könnten sich vorausschauende Unternehmen jedoch gut positionieren und den unvermeidlichen Wandel bewältigen. Unternehmen, die hierbei vorangingen, hätten nicht nur den Vorteil, langfristige Trends zu adressieren, sie könnten auch eher Einfluss auf die zunehmend belastende Regulierungs- und Reporting-Praxis nehmen, so Christensen weiter.

Versicherungen fingen letztlich durch die Art, wie sie Risiken verteilten und Prämien kalkulierten, die Essenz der Nachhaltigkeitsidee ein – dass alle Stakeholder einen Beitrag leisten müssten, um fortwährende Stabilität und Prosperität für alle zu sichern. Angesichts von wissenschaftlichen Belegen für die Gefahren des Klimawandels, den Verlust von Biodiversität und den Abbau lebenswichtiger natürlicher Ressourcen, spiele die Versicherungsbranche eine immer wichtigere Rolle, während ihr Geschäft zunehmend komplexer werde, sagt Christensen.

Ein Drittel fordert von ihren Asset Managern aktives Handeln

Die Studie zeigte zudem, dass 30% der Befragten von ihren Asset Managern aktives Handeln fordern. Dennoch investieren lediglich 18% in Fonds oder Mandate, die systematisch nicht-RI/ESG konforme Instrumente ausschliessen. 10% der Befragten aus Grossbritannien, 11% der französischen Versicherungs-Entscheider und sogar 14% der deutschen Teilnehmer haben bisher gar nicht sozial verantwortlich angelegt, denken aber darüber nach, solche Strategien zu implementieren.

38% der Versicherer wollen ihr RI-Engagement ausbauen

38% der Teilnehmer sagen, sie planten, ihr Engagement in RI/ESG-Strategien in diesem Jahr auszubauen. Passend dazu gebe es signifikant häufiger Ausschreibungen, die auch RI-Anforderungen enthielten, erklärt Marie Niemczyk, Director, Insurance Strategy and Development bei AXA IM. Obwohl Versicherer nach wie vor hauptsächlich auf die Performance ihrer Investments schauten, seien sie sich über das Potenzial nachhaltiger Investments in Bezug auf Risiko und Rendite sehr wohl im Klaren. Dennoch hätten viele ihre Erkenntnisse noch nicht in die Tat umgesetzt.

Grössere Versicherer engagieren sich häufiger in RI und ESG

Die Studie verdeutlicht allerdings, dass dies insbesondere für grössere Versicherungsunternehmen, deren Reputation besonders von den Vorteilen nachhaltiger Investments profitieren kann, nur bedingt gilt: 52% investieren in Fonds oder Mandate, die RI/ESG-Kriterien einbeziehen. 40% haben gemeinsam mit ihren Asset Managern individuelle RI-/ESG-Mandate entwickelt. Und 39% der grösseren Versicherungen gaben an, dass die Auswirkungen des RI-/ESG-Megatrends auf ihre Geschäftsmodelle ein wesentlicher Antrieb sind.

Die mit der Integration von ESG verbundenen Herausforderungen seien für mittlere und kleinere Versicherer allerdings schwieriger zu bewältigen, wie Niemczyk erklärt. Auf ESG zu setzen, bedinge eine Veränderung der Unternehmenskultur und sei deshalb auch organisatorisch ein grosser Schritt. Dennoch könnten sich Versicherer darauf vorbereiten und gemeinsam mit ihrem Asset Manager die Risiken verstehen und managen.

Die Studie zeigt auch, dass der Ausbau des RI/ESG-Engagements in allen beteiligten Ländern ein wichtiges Thema ist. Dies gilt insbesondere für Frankreich, wo 44% der Befragten planen, ihre RI/ESG-Allokation zu erhöhen. Aber auch in Deutschland (39%) und Grossbritannien (31%) gibt es eine Initiative in diese Richtung. Zugleich plant niemand, sein Engagement zurückzufahren.

Versicherer evaluieren den Einfluss von ESG-Aspekten auf ihre Geschäftsmodelle

Ein Teil der Herausforderung bei der Integration von ESG-Kriterien sei sicherzustellen, dass Investoren dadurch nicht auf Rendite verzichten müssten, sagt Franz Wenzel, Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA IM. Die Partnerschaft mit einem Asset Manager, der in der Lage sei, Investmentlösungen zu entwickeln, die ESG-Kriterien einbeziehen, Portfolios für die Solvenzkapitalanforderungen von Solvency II zu optimieren und zugleich auf die Reportingbedürfnisse von Versicherern einzugehen, wird laut Wenzel ein Schlüssel dazu sein, den Appetit der Branche auf RI-Strategien zu erhöhen.

Auch abseits der Vorgaben von Regulierungsbehörden hätten einige Versicherer begonnen, den Einfluss von ESG-Aspekten auf ihre Geschäftsmodelle einer Top-Down-Betrachtung zu unterziehen und dabei etwa demografische Trends, Gesundheitsrisiken oder Unternehmensaktivitäten einzubeziehen, so Wenzel weiter.

Responsible Investments im alternativen Bereich, die bei Versicherern populär sind, haben sich vor allem durch Green Bonds, Investments in Real Assets und Infrastrukturdarlehen entwickelt, wie Wenzel erklärt. Er sehe ausserdem ein wachsendes Interesse an Impact Investing, das sich auf Investments in Unternehmen, Organisationen oder Fonds beziehe, deren Ziel es sei, eine messbare Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt zu erzielen und dabei Rendite für Investoren zu erwirtschaften. Dabei gehe es meist um Microfinance, das Gesundheitswesen oder Bildung.

Über die Umfrage

AXA IM beauftragte ein unabhängiges Marktforschungsinstitut (SMF Schleus Marktforschung) mit Telefoninterviews, ergänzt um Onlinefragebögen. Die Umfrage fand von September bis November 2016 statt. Befragt wurden leitende Manager und Investmententscheider von 122 Versicherungen in drei wichtigen Versicherungsmärkten: Frankreich, Deutschland und Grossbritannien. Die Umfrage deckt eine Vielzahl von Versicherern ab, Lebensversicherungen ebenso wie Sachversicherungen und kleine ebenso wie grosse.

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