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Der Bund rechnet mit einem verhaltenen Wirtschaftswachstum bis ins Jahr 2016

Donnerstag, 17.09.2015

Die markante Frankenaufwertung von Mitte Januar hat die Schweizer Wirtschaft im ersten Halbjahr 2015 ausgebremst. Gemäss den Experten des Bundes bleibt die Konjunktur im zweiten Halbjahr verhalten und festigt sich erst im Verlauf von 2016.

Die Aufgabe des Franken-Euro-Mindestkurses Mitte Januar 2015 und die folgende Frankenaufwertung haben die schweizerische Konjunktur im ersten Halbjahr 2015 stark abgebremst. Trotz einer leichten Entspannung der Wechselkurssituation in den letzten Wochen geht die Expertengruppe des Bundes (Seco) davon aus, dass die Wirtschaftsentwicklung in der zweiten Jahreshälfte noch sehr verhalten bleiben wird und sich erst im Verlauf von 2016 festigt.

Die Konjunktur in vielen Schwellenländern hat sich weiter abgekühlt

Wie die Expertengruppe ausführt, hat die Weltwirtschaft im ersten Halbjahr 2015 eine mässige Wachstumsdynamik gezeigt, die durch gegenläufige Tendenzen zwischen Industrie- und Schwellenländern geprägt war. Während die US-Konjunktur nach einem verhaltenen Jahresbeginn wieder Tempo aufgenommen und sich im Euroraum die langsame Erholung fortgesetzt hat, hat sich die Konjunktur in vielen Schwellenländern weiter abgekühlt. Länder wie Brasilien und Russland leiden erheblich unter unsicheren politischen Bedingungen sowie fallenden Rohwarenerlösen und finden bislang nicht aus der Rezession heraus.

Chinas weitere Entwicklung birgt Unsicherheiten

Über den Sommer sind vor allem die Unsicherheiten über die weitere Wirtschaftsentwicklung in China in den Fokus gerückt. Zu der bereits seit einigen Jahren stattfindenden strukturellen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums (von beinahe 10% bis zum Jahr 2011 auf weniger als 7% im Jahr 2015) haben sich vermehrt Befürchtungen eines drohenden Konjunktureinbruchs (hard landing) gesellt. Sowohl die abrupte Korrektur der chinesischen Börsenhausse als auch die teilweise Freigabe des Wechselkurses mit anschliessender Abwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar haben an den internationalen Finanzmärkten für Verunsicherung gesorgt.

Bislang gibt es laut den Experten allerdings keine klaren Signale für einen starken realwirtschaftlichen Abschwung der chinesischen Wirtschaft. So stehen ausgeprägten Schwächetendenzen in der Industrie und am Immobilienmarkt positive Indikatoren aus dem Dienstleistungssektor und vom Konsum gegenüber. Eine Fortsetzung des langsameren Wachstumstempos der chinesischen Wirtschaft erscheint den Experten demnach wahrscheinlicher als eine krisenhafte Zuspitzung mit stark negativer globaler Ausstrahlung.

Schwächere Impulse aus den Schwellenländern dämpfen Welthandel

Die gedämpften Impulse aus den Schwellenländern dürften wie schon im bisherigen Jahresverlauf auch in den kommenden Quartalen den Welthandel und die Exporte der Industrieländer etwas bremsen, wie die Experten annehmen. Insbesondere in den USA, aber zunehmend auch im Euroraum, erscheinen ihnen die konjunkturellen Auftriebskräfte genügend gefestigt, um dies ohne grössere Rückschläge verkraften zu können.

US-Notenbank dürfte Zinsanhebung verzögern

Für die USA rechnen die Experten mit einer Wachstumsverstärkung auf 2.5% für 2015 und mit 2.8% Wachstum für 2016. Angesichts der gestiegenen konjunkturellen Unsicherheit, des aufgewerteten US-Dollars sowie des fehlenden Inflationsdrucks habe sich die Wahrscheinlichkeit aber erhöht, dass die US-Notenbank die erste Leitzinserhöhung, die bis vor kurzem noch für Ende September erwartet wurde, noch um einige Monate verzögern werde.

Erholung im Euroraum dürfte sich fortsetzen

Im Euroraum ist die Wirtschaft im 2. Quartal um 0.4% (im Vergleich zum Vorquartal) gewachsen, was einer moderaten Erholung entspricht. Diese schlägt zunehmend auch auf den Arbeitsmarkt durch. Im Juli fiel die Arbeitslosenquote im Euroraum mit 10.9% erstmals seit Februar 2012 wieder unter die Marke von 11%. Die Tendenz einer langsam voranschreitenden Verbesserung der Wirtschaftslage dürfte sich in den kommenden Quartalen und im nächsten Jahr fortsetzen, wie die Experten annehmen.

Den Bremseffekten aus den Schwellenländern steht demnach der in den letzten Wochen erfolgte nochmalige Rückgang der Ölpreise um rund 10 Dollar als konjunkturstimulierender Faktor gegenüber. Ausserdem dürfte die expansive Geldpolitik vermehrt Wirkung entfalten, und die Finanzpolitik ist in den meisten Euro-Mitgliedsländern weniger restriktiv ausgerichtet als in den vergangenen Jahren. Vor diesem Hintergrund gehen die Experten für den Euroraum weiterhin von einer leichten Beschleunigung des BIP-Wachstums von 0.9% im Jahr 2014 auf 1.3% 2015 und 1.6% 2016 aus (Juni-Prognose: 1.4% im 2015; 1.7% im 2016).

Seco rechnet für 2015 mit 0.9% Wirtschaftswachstum und für 2016 mit 1.5%

Für eine Verbesserung der Schweizer Wirtschaftslage setzen die Experten voraus, dass die internationale Konjunktur aufwärtsgerichtet bleibt und insbesondere der Euroraum seine Erholung fortsetzen kann. Sie rechnen für 2015 mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 0.9% (Juni-Prognose: +0.8%) und für 2016 mit einer moderaten Beschleunigung auf 1.5% (Juni-Prognose: +1.6%). Angesichts dieser eher verhaltenen konjunkturellen Dynamik dürfte die Arbeitslosenquote von 3.3% im Jahresdurchschnitt 2015 auf 3.6% im Jahr 2016 ansteigen.

Die Schweizer Exportindustrie erholt sich nur langsam

Angesichts der Wechselkurssituation und der etwas nach unten korrigierten Erwartungen für die Weltwirtschaft rechnet die Experten für das Jahr 2015 mit negativen Wachstumsbeiträgen durch die Handelsbilanz. Im Jahr 2016 soll die Handelsbilanz wieder positiv zum BIP-Wachstum beitragen.

Wechselkurssituation präsentiert sich derzeit günstiger als noch im Juni

Über den Sommer scheint sich die Stimmung bei den Schweizer Unternehmen zumindest nicht weiter verschlechtert zu haben. Die Experten leiten dies von den wichtigen Stimmungsindikatoren wie den KOF-Umfragen und dem Einkaufsmanagerindex (PMI) ab, die sich im Frühjahr stark verschlechtert hatten, in jüngster Zeit (Juli/August) jedoch eine Stabilisierungstendenz zeigen. Hierzu könnte die leichte Entspannung der Währungslage beigetragen haben, die vor allem zum Euro eingetreten ist, spekulieren die Experten. Seit der Einigung in der Griechenlandkrise Mitte Juli hat sich der Franken zum Euro leicht abgewertet. Auch wenn sich der Franken in der gleichen Zeit gegenüber diversen Schwellenländerwährungen aufgewertet hat, präsentiert sich die Wechselkurssituation derzeit günstiger als noch im Juni, bleibt jedoch weiterhin angespannt, so die Experten.

Privater Konsum bleibt eine Konjunkturstütze

Die inländische Nachfrage dürfte zwar weiterhin eine wichtige Konjunkturstütze bleiben, allerdings mit Einschränkungen. Diese ergeben sich etwa aus den Bauinvestitionen, welche die Konjunktur seit der Finanzkrise massgeblich gestützt hatten, sich nach den hohen Zuwachsraten der letzten Jahre nunmehr aber deutliche abkühlen.

Der private Konsum dürfte demgegenüber dank fortgesetztem Bevölkerungswachstum und steigenden Reallöhnen weiterhin wachsen, auch wenn die Eintrübung der Arbeitsmarktlage die Konsumdynamik etwas bremsen könnte. Bei den Ausrüstungsinvestitionen rechnen die Experten angesichts der gedämpften Konjunkturaussichten kaum mit einer beschleunigten Expansion.

Die stark rückläufige Preisdynamik dürfte mit abklingenden Effekten der Aufwertung allmählich nachlassen. Für das laufende Jahr erwartet die Expertengruppe eine deutlich negative Konsumteuerung von -1.1%, für 2016 praktisch Nullinflation (+0.1%).

Es bestehen deutliche Konjunkturrisiken

Angesichts der verstärkten Abkühlung in den Schwellenländern sind die weltwirtschaftlichen Risiken im Vergleich zur Juni-Prognose eher gestiegen. Falls einige Schwellenländer in eine noch ernsthaftere Krise und die Industrieländer wider Erwarten erneut in einen Abwärtssog geraten würden, hätte die Schweizer Wirtschaft in einem solchen Kontext nur geringe Chancen um weiter wachsen zu können, betonen die Experten.

Im Euroraum sehen sie zudem das latente Risiko, dass die griechische Schuldenkrise zwar eingedämmt wurde, die Probleme der Überschuldung und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit jedoch nicht gelöst sind. Ein neuerliches Aufflackern der Unsicherheit über die Stabilität der Währungsunion könne daher nicht ausgeschlossen werden und würde sich rasch auf den EUR/CHF Wechselkurs auswirken.

Demgegenüber besteht ein gewisses positives Risiko einer besseren Konjunkturentwicklung als erwartet. So deutet die Entwicklung der ersten Jahreshälfte 2015, obwohl einige Sektoren stark unter Druck geraten sind, insgesamt auf eine gewisse Widerstandsfähigkeit der Gesamtwirtschaft hin. Am aktuellen Rand beobachten die Experten zudem eine leichte Entspannung der Wechselkurssituation sowie eine Stabilisierung einiger wichtiger Konjunkturindikatoren (PMI, KOF-Umfragen).

Politische Entwicklungen schaffen zusätzliche Unsicherheit

Neben der Währungsstärke haben in den letzten Jahren andere Entscheidungen die Unsicherheit für die Schweizer Wirtschaft erhöht, mahnen die Experten, insbesondere für Standort- und Investitionsentscheide. Sie erwähnen hier insbesondere die unklare künftige Regelung der Zuwanderung und die Zukunft der bilateralen Verträge mit der EU.

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