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Das Kaufen einer Wohnimmobilie ist nicht immer billiger als Mieten

Samstag, 05.09.2015

Wer Kaufen oder Mieten abwägt, sollte die Risiken kennen. Ein Eigenheimkauf ist derzeit im Schnitt rund 10% günstiger als die Miete einer vergleichbaren Wohnung. Mieten lohnt sich aber gerade in grossen Städten und Seegemeinden.

"Kaufen ist halb so teuer wie Mieten" – so die Schlagzeile in den Schweizer Printmedien, die Mitte August 2015 für einiges Erstaunen in Immobilienfachkreisen sorgte. Auch Mieterinnen und Mieter fühlten sich wohl vor den Kopf gestossen, denn sie würden Monat für Monat grosse Summen vergeuden, wenn diese Aussage zuträfe. Die tiefe Eigentumsquote der Schweiz lässt jedoch darauf schliessen, dass eine Mietwohnung kaum derart unattraktiv sein kann, wie Claudio Saputelli, Head CIO Swiss & Global Real Estate der UBS erklärt.

Kaufen kann tatsächlich günstiger sein als Mieten

Der objektive Kostenvergleich zwischen Kaufen und Mieten ist nicht immer einfach, da die Wohnobjekte in den beiden Kategorien oft unterschiedliche Kriterien aufweisen. Grössere Differenzen sind vor allem bei den Ausbaustandards und Objektlagen auszumachen. Eine Vergleichsrechnung lässt sich deshalb am einfachsten anhand einer Eigentumswohnung und einer aktuell ausgeschriebenen Mietwohnung bewerkstelligen.

Zinskosten und Altersentwertung fallen ins Gewicht

Eine grosse Wohnung mit einem Kaufpreis von einer Million Franken lässt sich im Schweizer Durchschnitt für rund 3'060 Franken pro Monat (inklusive Nebenkosten) mieten. Die Jahresmiete beträgt also 36'700 Franken. Wer die Liegenschaft kauft, dürfte Kosten von rund 32'500 Franken pro Jahr tragen müssen. Neben den Zinskosten fällt die oft unterschätzte Altersentwertung (Abschreibung) ins Gewicht. Unter dem Strich liegen die jährlich anfallenden Kosten einer Eigentumswohnung somit unter den Mietausgaben für ein vergleichbares Objekt.

Mieten ist an teuren Lagen oftmals günstiger

Kaufen ist insbesondere in Gemeinden mit relativ tiefem Preisniveau attraktiv. So beträgt die jährliche Ersparnis zur Miete beim Kauf eines Medianobjekts beispielsweise in La Chaux-de-Fonds knapp 20%, während in Erlenbach am Zürichsee Mieten deutlich günstiger ist. 

Insbesondere die Besteuerung des Eigenmietwerts kann das Eigentum von Wohnraum in Gemeinden mit höheren Steuersätzen und höheren Mieten zusätzlich verteuern. Ob Kaufen günstiger als Mieten ist, hängt also stark von der jeweiligen Gemeinde ab. Je höher die Eigentumsprämien an Seelagen oder auch an zentralen städtischen Lagen ausfallen, desto attraktiver wird eine Mietwohnung.

Nicht mit Wertgewinnen rechnen

Der Schweizer Eigenheimmarkt steht gemäss UBS Swiss Real Estate Bubble Index in der Risikozone und ist damit auf aktuellem Niveau überbewertet. Der Markt ist insbesondere anfällig auf eine Normalisierung der rekordtiefen Zinsen. Kommt es zu einer Verdoppelung der Hypothekarzinsen bis im Jahr 2025, so impliziert dies eine deutliche Wertkorrektur der Eigenheimpreise. Steigen die Hypothekarzinsen beispielsweise wieder auf 3%, ist die Vermietung einer Wohnung mit einer Bruttorendite von 3.4% ein Verlustgeschäft. In einem solchen Szenario dürfte der Wertverlust des Eigenheims die Ersparnisse gegenüber einer Mietwohnung deutlich übersteigen.

Angesichts dieser Risiken sowie der bestehenden Überbewertung erscheint es fahrlässig, die Berechnung mit theoretischen Aufwertungsgewinnen in der fernen Zukunft zu schönen. Die UBS legt deshalb allen Berechnungen zugrunde, dass die Eigenheimpreise teuerungsbereinigt konstant bleiben werden.

Zins-Risiken sind nicht zu unterschätzen

Bei so einfachen Vergleichsrechnungen werden jedoch wichtige Risiken einer Immobilieninvestition oft ungenügend berücksichtigt. Immobilien entwickeln sich in Rezessionszeiten zwar weit stabiler als Aktien, werden jedoch meist auf Kredit erworben. Brechen Aktien um 20% ein, so geht der Investor «nur» dieser Wertverminderung verlustig. Tauchen hingegen die Immobilienpreise um 20%, so zerrinnt bei einem mit 80% belehnten Haus das gesamte Eigenkapital, was zum Verlust des Wohneigentums führen kann.

Auch verschlingen Investitionen in Immobilien eine verhältnismässig grosse Summe Geld, was in der Regel die Portfoliodiversifikation quasi verunmöglicht. Weiter sind Immobilien hoch illiquid; ein Verkauf kann sich über Monate oder Jahre hinziehen. Erleidet ein Immobilieneigentümer einen Liquiditätsengpass, so kann er nicht einfach ein oder zwei Zimmer seines Hauses verkaufen. Zu bedenken ist auch, dass Kauf und Eigentum von Eigenheimen durch fallende Zinsen in den letzten 20 Jahren begünstigt wurde. Eine Trendwende bei der Zinsentwicklung würde das Ergebnis der Kostenvergleichsrechnung wieder zugunsten des Mietwohnungsmarkts drehen.

Ein Kauf sollte rationellen Kriterien folgen

Angesichts dieser Risiken sollte Kaufen relativ zu Mieten günstiger sein, als es tatsächlich ist. Doch folgt der Entscheid zwischen Kaufen und Mieten selten rationellen Kriterien. Die grosse Freude über den Traum der eigenen vier Wände führt dazu, dass viele Käufer potenzielle Gefahren ausblenden. Der Immobilienkäufer sollte deshalb bei Vergleichsrechnungen stets kritisch sein. Umso mehr, wenn die Ergebnisse durch die Annahme künftiger Wertsteigerungen klar in Richtung Kauf gelenkt werden – bis hin zu "Kaufen ist halb so teuer wie Mieten".

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