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Das Bundesgericht klärt die Verjährungsfrage für die Herausgabe von Retrozessionen

Mittwoch, 05.07.2017

Das Bundesgericht hat im Juni 2017 entschieden, dass der Anspruch auf Herausgabe von Retrozessionen im Zeitpunkt der Leistung der Retrozession an den Beauftragten entsteht; er wird auch in diesem Moment fällig. Die Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre.

1994 beauftragte eine international tätige Transportfirma ein Beratungsunternehmen mit dem Aufbau eines umfassenden Versicherungskonzepts. In der Folge schloss die Transportfirma mit verschiedenen Gesellschaften Versicherungsverträge ab. 2005 erfuhr sie, dass das Beratungsunternehmen im Zuge seines Auftrags von den Versicherungsgesellschaften Provisionszahlungen in Millionenhöhe erhalten hat. Sie kündigte das Auftragsverhältnis und forderte die Provisionszahlungen zurück.

Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre

Das Beratungsunternehmen bestritt zwar den Herausgabeanspruch nicht, stellte sich aber auf den Standpunkt, dass dieser nach fünf Jahren verjährt sei. Das Obergericht des Kantons Genf hiess die Klage der Transportfirma gut und stellt fest, dass die Verjährungsfrist zehn Jahre betrage und ab dem Moment der Beendigung des Auftragsverhältnisses zu laufen beginne.

Das Beratungsunternehmen gelangte in der Folge mit Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht. Entscheid Das Bundesgericht hat die Beschwerde teilweise gutgeheissen, das kantonale Urteil aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen an das Obergericht des Kantons Genf zurücküberwiesen. Die Verjährungsfrage wurde hingegen höchstrichterlich geklärt.

Beauftragter ist verpflichtet, von Dritten erhaltene Retrozessionen herauszugeben

In seinem Entscheid erinnert das Bundesgericht zunächst daran, dass (mangels anderslautender Vereinbarung) der Beauftragte verpflichtet ist, im Rahmen des Auftragsverhältnisses von Dritten erhaltene Retrozessionen an den Auftraggeber herauszugeben (E. 5.1).

Gemäss Art. 127 OR beträgt die ordentliche Verjährungsfrist für Forderungen zehn Jahre. Eine Verjährungsfrist von lediglich fünf Jahren gilt gemäss Art. 128 Ziff. 1 OR für periodische Leistungen wie Miet- und Kapitalzinsen. Der Anspruch auf Herausgabe von Retrozessionen stellt keine solche periodische Leistung aus einem Dauerschuldverhältnis dar. Vielmehr entsteht der Herausgabeanspruch des Auftraggebers aus der Tatsache, dass der Beauftragte die Retrozession von Dritten erhalten hat. Jede einzelne Herausgabeverpflichtung des Beauftragten beruht damit auf einer separaten Grundlage, weshalb bei Retrozessionen die allgemeine Verjährungsfrist von zehn Jahren zur Anwendung kommt (E. 5.2).

Verjährungsfrist beginnt, wenn Beauftragter die Retrozession erhält

Das Bundesgericht hat sich zudem zum Beginn der Verjährungsfrist geäussert. Gemäss Art. 130 Abs. 1 OR beginnt die Verjährungsfrist einer Forderung mit deren Fälligkeit zu laufen. Die Rechenschafts- und Herausgabepflicht des Beauftragten entsteht mit dem Erhalt der Retrozessionszahlung.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz beginnt die Verjährungsfrist für jede einzelne Retrozessionszahlung an dem Tag zu laufen, an dem der Beauftragte sie erhalten hat, und nicht erst bei der Beendigung des Auftragsverhältnisses (E. 5.3).

Pensionskassen können Retrozessionen und Provisionen für die letzten 10 Jahre zurückverlangen

Vorsorgeeinrichtungen sollten prüfen, ob sie gegenüber den Beauftragten weitere Ansprüche auf Herausgabe von Retrozessionen und Provisionen geltend machen können. Dies gilt auch für den Fall, dass bereits eine vertragliche Einigung mit Banken, Vermögensverwaltern und Brokern getroffen worden ist. Sollten sie dies nicht tun, oder sollten sie sich von den Beauftragten mit weniger abspeisen lassen, stellen sich für das oberste Organ zweifelsohne haftungsrechtliche Fragen.

Die Rechtslage ist endlich klar. Vorsorgeeinrichtungen können die Retrozessionen und Provisionen, die ein Beauftragter erhalten hat, für die letzten 10 Jahre zurückverlangen.

Urteil BGer 4A-508/2016 vom 16. Juni 2017

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