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Bei der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge leuchten die Warnlampen

Dienstag, 10.05.2016

Schweizer Pensionskassen sind aufgrund des schwierigen Finanzmarktumfelds und der weiter steigenden Lebenserwartung erhöhten Risiken ausgesetzt. Die durchschnittliche Netto-Vermögensrendite ist 2015 von 6.4% auf 0.8% gesunken.

Die Risiken, welchen Schweizer Vorsorgeeinrichtungen ausgesetzt sind, haben 2015 weiter zugenommen. Schuld sind insbesondere die schlechten Vermögensrenditen, aber auch die steigende Lebenserwartung. Die durchschnittliche Netto-Vermögensrendite betrug 2015 nur noch 0.8% (gegenüber 6.4% im Vorjahr). Die Deckungsgrade haben sich im Durchschnitt um rund 2.4 Prozentpunkte reduziert, wozu auch die vorsichtigere Bewertung mit tieferen technischen Zinssätzen beigetragen hat. Diese Entwicklung hat vor allem auf die Kapitalisierung der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie durchgeschlagen, wie die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge anhand ihres vierten Tätigkeitsberichts zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen erklärt.

Deckungsgrade haben sich reduziert

Der nach Vorsorgekapital gewichtete durchschnittliche Deckungsgrad mit einheitlichen Grundlagen der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie betrug Ende 2015 105.1% (Vorjahr: 108.5%). Bei den Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie sank der Deckungsgrad mit einheitlichen Grundlagen von 77.8% auf 76.1%.

Per Ende 2015 wiesen somit 87% (Vorjahr: 89%) der privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie einen Deckungsgrad von mindestens 100% aus. Der entsprechende Anteil bei den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie betrug lediglich 14% (Vorjahr: 27%). Diejenigen öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie im System der Teilkapitalisierung, die den vom Gesetz verlangten Zieldeckungsgrad von 80% noch nicht erreicht haben, werden ihre Planungsgrössen anpassen müssen.

Technischer Zinssatz wurde vielerorts weiter gesenkt

Positiv zu werten ist, dass viele Schweizer Vorsorgeeinrichtungen als Reaktion auf das veränderte Umfeld Massnahmen getroffen und ihre für die Bewertung der Verpflichtungen verwendeten technischen Zinssätze weiter gesenkt haben. Gesenkt wurden vielfach auch die zukünftigen Umwandlungssätze; teilweise wurden auch andere Leistungsanpassungen vorgenommen.

Anpassungen auf Leistungs- und Finanzierungsseite sind unvermeidbar

Um die steigende Lebenserwartung zu berücksichtigen, verwenden beispielsweise immer mehr Vorsorgeeinrichtungen Generationentafeln anstelle von gesonderten technischen Rückstellungen. Bei vielen Vorsorgeeinrichtungen werden weitere Anpassungen auf der Leistungsseite und der Finanzierungsseite indes unvermeidbar sein.

Finanzierungslücke bleibt unverändert bestehen

Trotz risikosenkender Massnahmen haben sich die Risiken insgesamt aber erhöht. So verbleiben auch die Zinsversprechen, welche den Altersleistungen zu Grunde liegen, im Durchschnitt höher als die für die Bewertung der Verpflichtungen von der Vorsorgeeinrichtung verwendeten technischen Zinssätze.

Zu hohe Renten müssen von Arbeitgebern und Versicherten nachfinanziert werden

Diese Differenz ist im Gesetz nicht vorgesehen und kann bisher auch nicht durch paritätische Beiträge vorfinanziert werden. Im Vergleich zu realistisch zu erwartenden Renditen sind die Zinsversprechen als hoch zu bezeichnen. Mit zukünftigen Vermögenserträgen nicht finanzierbare Renten können im Nachhinein nicht mehr gekürzt werden, sondern müssen von Arbeitgebern und Versicherten nachfinanziert werden.

Rendite-Ertragsniveau der Vorjahre kann nicht gehalten werden

Nach den vergangenen sehr guten Anlagejahren fielen die Renditen im Jahr 2015 ernüchternd aus, waren aber für das Gros der Vorsorgeeinrichtungen gerade noch verkraftbar. Für die kommenden Jahre stellen sich jedoch einige zusätzliche Herausforderungen:

So werden risikoarme Anlagen wie Bundesobligationen in den nächsten Jahren aufgrund der sehr tiefen respektive negativen Zinsen praktisch keinen oder sogar einen negativen Beitrag an den Anlageertrag leisten. Auch die oft gut rentierende Anlagekategorie der Immobilien bietet nach den Bewertungssteigerungen der vergangenen Jahre nur noch eine reduzierte Rendite. Die Aktienmärkte wiederum bleiben volatil und damit anfällig auf Kursverluste infolge unsicherer ökonomischer Zukunftsaussichten. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass das Ertragsniveau der Vorjahre gehalten werden kann. Vielmehr kann das abgelaufene Jahr als Warnsignal für die kommenden Jahre gedeutet werden.

Deckungsgrade – und somit künftige Umwandlungssätze – dürften weiter sinken

Es ist davon auszugehen, dass die Deckungsgrade durch die andauernde Phase der extrem tiefen, zum Teil negativen Zinsen weiter sinken werden. Gleichzeitig bleiben die Zinsversprechen hoch und die laufenden Renten können aufgrund des geltenden Rechts nicht mehr reduziert werden. Dies verstärkt die Tendenz zu weiteren Reduktionen der Deckungsgrade und damit zu weiteren Senkungen der künftigen Umwandlungssätze.

Vorsorgeeinrichtungen, Politik und Wirtschaft sind gefordert

Massnahmen zur Verminderung der Risiken müssen von den obersten Organen der Vorsorgeeinrichtungen getroffen werden. Angesichts des extrem tiefen Zinsniveaus und der stetigen Erhöhung des Rentenanteils sind indes auch weitere Kreise aus Wirtschaft und Politik gefordert, um realistische und für alle Beteiligten tragbare Lösungen zu ermöglichen.

Bestimmte Risikokennzahlen müssen jährlich berechnet werden

Die Anforderungen an die risikoorientierte Führung und die risikoorientierte Aufsicht sind weiter zu verstärken. Ziel ist insbesondere die Verbesserung der Qualität, des Informationsgehalts und der Vergleichbarkeit des Gutachtens des Experten für berufliche Vorsorge. Weiter sollen neu bestimmte Risikokennzahlen jährlich vom Experten zuhanden des obersten Organs berechnet werden müssen.

Qualität bei den Revisionsstellen muss gesichert werden

Die OAK BV wird zudem Massnahmen zur Qualitätssicherung bei den Revisionsstellen ergreifen. Ziel ist es, eine Qualitätsverbesserung bei der Tätigkeit der Revisionsstellen zu erreichen. Hierfür werden Massnahmen insbesondere im Bereich der Fachkenntnisse (ausreichende praktische Tätigkeit) und der Unabhängigkeit der Revisoren (Rotation) angestrebt.

Zur Erhebung

Die für die ganze Schweiz einheitliche und risikoorientierte Früherhebung ermöglicht eine aktuelle Gesamtsicht über die finanzielle Lage des Systems der beruflichen Vorsorge mit Stichtag 31. Dezember 2015. Die Erhebung wird in enger Koordination mit den regionalen und kantonalen BVG-Aufsichtsbehörden durchgeführt. Bis Mitte April 2016 haben rund 93% (wie im Vorjahr) der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen mit einer Bilanzsumme von 864 Milliarden Franken (Vorjahr: 822 Milliarden Franken) den Fragebogen der OAK BV ausgefüllt.

Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV)

Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV ist eine unabhängige Behördenkommission. Sie wird vollständig über Abgaben und Gebühren finanziert. Für die Direktaufsicht der Vorsorgeeinrichtungen sind die insgesamt neun kantonalen / regionalen Aufsichtsbehörden am Sitz der jeweiligen Einrichtung zuständig. Deren Oberaufsicht durch die OAK BV erfolgt ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung und unabhängig von Weisungen des Parlamentes und des Bundesrates. Direkt von der OAK BV beaufsichtigt werden hingegen die Anlagestiftungen sowie der Sicherheitsfonds und die Auffangeinrichtung. Zudem ist die OAK BV Zulassungsbehörde für die Experten für berufliche Vorsorge und die Vermögensverwalter in der beruflichen Vorsorge.

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