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«Autonome Sammelstiftungen bieten keine Garantien»

Sonntag, 21.02.2016

Die Kapitalanforderungen an Lebensversicherer steigen. Gleichzeitig kämpfen diese mit tiefen Anlagezinsen und der demografischen Entwicklung. Ist es denkbar, dass der Rentenversicherungs-Marktleader Swiss Life in Konkurs geht? Nein, sagt CEO Patrick Frost.

Rezessive Volkswirtschaften, weltweit fallende Aktienmärkte, tiefe Anlagezinsen und eine Bevölkerung die immer älter wird stellen Lebensversicherer vor enorme Herausforderungen. Seit der Finanzkrise 2008 werden die Auflagen, welche Finanzmarktaufsichten an Banken und Versicherungen machen, stetig verschärft. So auch jene der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA. Dabei macht die FINMA den Versicherern mit dem Swiss Solvency Test (SST) weit strengere Vorgaben als es im europäischen Regelwerk Solvency II vorgesehen ist.

Swiss Life ist so aufgestellt, dass sie die schwersten Krisen überleben würde

Swiss Life-CEO Patrick Frost, der auch Naturwissenschafter, Ökonom und Jurist ist, findet das nicht gerechtfertigt, wie er in einem Interview gegenüber der «Berner Zeitung» äussert. Das schade dem Versicherungsstandort Schweiz. Ausserdem gebe es auch keinen Grund weshalb etwa die Swiss Life, als Marktleader bei den Rentenversicherungen, als «too-big-to-fail» eingestuft werden und damit als Sicherheitsrisiko für die Schweiz gelten sollte. «Wir sind sehr streng kontrolliert und so aufgestellt, dass wir die schwersten Krisen überleben würden», erklärt er zuversichtlich.

Kommt es zu Verlusten, tragen diese die Investoren

Dabei zeigt er die Unterschiede zwischen Banken und Versicherungen auf. Ein Bankkunde könne sein Geld jederzeit von der Bank verlangen. Banken hätten liquide Verbindlichkeiten und illiquide Finanzanlagen. Und die Versicherungen hätten illiquide Verbindlichkeiten und liquide Anlagen. «Bei uns kann niemand in die Empfangshalle kommen und sein ganzes Geld verlangen. Kommt es zu Verlusten wie im Jahr 2008, tragen diese die Investoren», so Frost.

Wenn mal ein Fehler passiert, geht es um Hunderttausende und nicht um Milliarden von Franken

Verluste in Milliardenhöhe, wie sie Anfang 2008 bei der Société Générale vorkamen, als ein Händler die Bank um 8 Milliarden Franken erleichterte, oder später bei der UBS in London, als ein Händler 2,3 Milliarden Dollar in den Sand setzte, könnten bei der Swiss Life nicht vorkommen, wie Frost versichert: «Ich will nicht sagen, dass bei uns keine Fehler passieren. Aber wir führen keine Handelsabteilung wie die Banken. Wir haben ein Portfoliomanagement, das langfristige Anlagen tätigt. Und wenn mal ein Fehler passiert, so geht das um Hunderttausende von Franken und nicht um Milliarden.»

Zuwanderungsbeschränkung tangiert Swiss Life als Liegenschaftsbesitzer

Auch das Thema ausländische Arbeitskräfte und damit die Masseneinwanderungsinitiative ist für die Swiss Life relevant, wenn auch nicht im gleichen Ausmass wie für andere Branchen, wie Frost erklärt. So liege der Anteil ausländischer Arbeitskräfte bei 17%, und damit im schweizerischen Mittel. «Wir sind froh, dass wir – etwa in der Informatik oder bei Aktuaren – auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen können. …Es wäre für uns ein Nachteil, wenn wir eine Bürokratie aufbauen müssten um Ausländer anstellen zu können», sagt Frost.

Von der Masseneinwanderungsinitiative tangiert wäre die Swiss Life aber als grösster privater Liegenschaftsbesitzer der Schweiz, wie Frost, der auch Vorstandsmitglied von Economiesuisse ist, ausführt. Bei einer Beschränkung der Zuwanderung nehme die Nachfrage nach Büroflächen ab. Es gebe weniger Arbeitsplätze und weniger Firmengründungen. Die Schweiz habe dann eine höhere Leerstandsquote und die Swiss Life damit entgangene Mieterträge in Kauf zu nehmen.

Der drohende Arbeitskräftemangel wird unterschätzt

Mit der Begrenzung der Zuwanderung würde der drohende Arbeitskräftemangel zusätzlich verschärft. In den nächsten zehn Jahren gehen im Schnitt 50'000 mehr Leute in Pension als nachrücken werden. Dieses Problem wird nach Ansicht von Frost unterschätzt: «Wir sind jetzt daran, bessere Rahmenbedingungen und Anreize zu schaffen, damit unsere Angestellten über das Rentenalter hinaus erwerbstätig bleiben». Im Aussendienst habe die Swiss Life zusätzliche Möglichkeiten geschaffen. Nun werde sie auch im Innendienst Massnahmen ergreifen.

So will sie flexiblere Arbeitsmodelle anbieten, damit die Leute auf Wunsch Teilzeit von zu Hause aus arbeiten könnten. Sie will die älteren Arbeitnehmenden dafür gewinnen, ihr Wissen über das offizielle Pensionierungsalter hinaus einzubringen. Die Swiss Life habe die Voraussetzung geschaffen, indem diese Leute über das offizielle Rentenalter hinaus in der Pensionskasse versichert sein könnten.

Leistungen der Pensionskasse zu kürzen, um damit Anreize zu schaffen, einer Arbeit länger als nötig nachzugehen, erachtet Frost als kaum motivierend. «Wir möchten den Mitarbeitenden vielmehr klarmachen, dass ihre Erfahrung für unser Unternehmen sehr wertvoll ist. Zudem arbeiten viele Leute gerade in interessanten Jobs nicht nur wegen des Geldes. Wichtig ist heutzutage, dass sie Teilzeit arbeiten können.»

Produkte müssen höherer Lebenserwartung Rechnung tragen

Die demografische Entwicklung fordert die Swiss Life: Als Lebensversicherer will sie den Leuten Lösungen anbieten, die der längeren Lebenserwartung Rechnung tragen. So habe sie eben ein Produkt lanciert, das die höhere Lebenserwartung abbilde und pensionierten Kunden mehr Flexibilität verschaffe.

Eine Schwächung der zweiten Säule ist nicht im Interesse der Schweizer

Der Vorsorgereform von AHV und beruflicher Vorsorge stimmt Frost grundsätzlich zu: «Die grundsätzliche Stossrichtung finde ich gut. Ich finde es ebenfalls richtig, dass der Bundesrat beide Säulen, die erste und die zweite Säule, gleichzeitig reformieren will. Natürlich gibt es gewisse Differenzen. Wichtig ist, dass eine mehrheitsfähige Lösung vors Volk kommt.»

Frost ist gegen eine Schwächung der zweiten Säule zu Gunsten der ersten Säule; dies aber nicht, weil die Swiss Life mit der beruflichen Vorsorge gutes Geld verdient, wie er betont. Es sei aber nicht im Interesse der Menschen in der Schweiz. Die Swiss Life erwirtschafte in diesem Geschäft 5-7% auf dem eingesetzten Kapital. Das sei unterdurchschnittlich im Vergleich zu den anderen Geschäftsfeldern. «Vor zwei Jahren lag das Betriebsergebnis im Geschäft mit der beruflichen Vorsorge nach Steuern bei 150 Millionen Franken, bei einem Nettogewinn von insgesamt 800 Millionen. Man muss aber auch sehen, dass wir 2008 in diesem Geschäft über eine Milliarde Franken verloren haben. Den Verlust haben wir nun wettgemacht», wie Frost erklärt.

Wer Garantien bietet, muss diese mit viel Eigenkapital unterlegen

Frost empfindet es auch nicht als stossend, dass börsenkotierte Gesellschaften an den Sozialversicherungen mitverdienen. Vorsorge sei letztlich ein Sparprozess. Es gebe verschiedene Anbieter in der zweiten Säule. Als Vollversicherer biete die Swiss Life Garantien, wie sie sonst niemand bieten könne. Ihre Kunden könnten in keine Unterdeckung geraten. Wer wie sie Garantien biete, müsse diese mit viel Eigenkapital unterlegen. Über genug Eigenkapital verfüge, wer an der Börse kotiert sei.

Bei autonomen Sammelstiftungen bleibt das Vorsorgegeld im Kreislauf. Die Versicherer hingegen nehmen Geld aus dem Kreislauf, um Gewinne zu realisieren und den Aktionären auszuschütten. Das stimmt, sagt Frost, habe aber auch gute Gründe: «Autonome Sammelstiftungen bieten keine Garantien».

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