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Altersvorsorge 2020: Was die Reform den Frauen bringt

Donnerstag, 26.02.2015

Mit der Reform der Schweizer Altersvorsorge sollen die Leistungen der 1. und 2. Säule gesichert und den veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasst werden. Viele Massnahmen sind für Frauen von besonderem Interesse oder betreffen nur sie.

Der Bundesrat hat am 19. November 2014 die Botschaft zur Altersvorsorge 2020 verabschiedet. Ziel der Reform ist es, das Niveau der Leistungen der 1. und der obligatorischen 2. Säule zu sichern, diese Leistungen an die veränderten gesellschaftlichen Bedürfnisse anzupassen und ausreichend zu finanzieren. Auf der Basis dieser Zielsetzung enthält das Reformpaket eine Reihe von Massnahmen, die für Frauen von ganz besonderem Interesse sind oder sogar nur sie direkt betreffen, wie das Bundesamt für Sozialversicherungen erklärt.

Als Referenzalter für die Rente gilt für beide Geschlechter 65 Jahre

Das Referenzalter für Frauen und Männer in der AHV und in der beruflichen Vorsorge wird bei 65 Jahren festgelegt. Dieses Alter berechtigt zum Bezug der Altersleistungen ohne versicherungstechnische Abzüge oder Zuschläge. Das Referenzalter für Frauen wird somit um ein Jahr von 64 auf 65 angehoben, und zwar innerhalb von sechs Jahren um jeweils zwei Monate pro Jahr.

Tieferes Frauenrentenalter ist nicht mehr begründet

Bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 lag das AHV-Alter der Frauen gleich wie dasjenige der Männer bei 65 Jahren. Es wurde dann mit der 4. AHV-Revision 1957 auf 63 und mit der 6. AHV-Revision 1964 auf 62 Jahre gesenkt. Das tiefere Frauenrentenalter wurde einerseits physiologisch begründet. Es wurde argumentiert, die Körperkräfte der Frauen liessen im Alter früher nach als jene der Männer.

Andererseits ging es darum, die unterschiedliche Behandlung der alleinstehenden gegenüber den verheirateten Frauen zu eliminieren. Verheiratete Frauen hatten damals zwar keinen eigenständigen Rentenanspruch, faktisch galt für sie jedoch Rentenalter 60. Wenn sie nämlich 60 wurden, wurde die AHV-Rente des pensionierten Mannes durch die höhere Ehepaarrente ersetzt. Unverheiratete Frauen mussten also länger auf die Altersleistung der AHV warten. Darum drängten insbesondere die Frauenorganisationen darauf, das Frauenrentenalter generell auf 60 zu senken.

Diese Gründe für ein tieferes Frauenrentenalter bestehen nicht mehr: Seit der 10. AHV-Revision haben alle Frauen einen eigenständigen Rentenanspruch, zusätzlich wird die Familienarbeit mit Erziehungs- und Betreuungsgutschriften berücksichtigt. Das Rentenalter der Frauen wurde denn auch mit der 10. AHV-Revision in zwei Schritten (in den Jahren 2001 und 2005) von 62 auf 64 angehoben. Von einem schnelleren körperlichen Abbau der Frauen im Alter kann ebenfalls keine Rede mehr sein. Hinzu kommt, dass die Lebenserwartung der 65-jährigen Frauen (88,6 Jahre) nach wie vor über jener der Männer (85,8 Jahre) liegt, die Frauen somit im Durchschnitt fast 4 Jahre länger eine Altersrente beziehen.

So stellt das tiefere Frauenrentenalter heute nicht mehr eine sozialpolitisch begründbare Differenzierung gegenüber den Männern dar, sondern ein geschlechtsspezifisches Privileg. Die Frauen müssen für die gleiche Rente ein Jahr weniger lang arbeiten als die Männer. Mit der Reform wird das korrigiert.

Die berufliche Vorsorge verbessert sich durch die längere Erwerbstätigkeit

Auf die Höhe der AHV-Altersrente hat das höhere Frauenrentenalter keine Auswirkung, hingegen auf die Altersrente der beruflichen Vorsorge. Das zusätzliche Jahr Erwerbstätigkeit hat zur Folge, dass die Arbeitnehmerin und ihr Arbeitgeber ein Jahr länger in die 2. Säule einzahlen und das Alterskapital auch länger verzinst wird. Daraus ergibt sich ein höheres Alterskapital, was zu höheren Altersleistungen führt.

Bei den Renten der obligatorischen beruflichen Vorsorge macht die Verbesserung etwa 4% bis 5% aus. Auch die Hinterlassenenleistungen der beruflichen Vorsorge erhöhen sich entsprechend. Diese Änderung gibt den Frauen auch das Recht, in der obligatorischen beruflichen Vorsorge bis 65 versichert zu sein, Beiträge zu bezahlen oder sich bei einer Frühpensionierung auf die Leistungen bei Alter 65 einzukaufen. Altersvorsorge 2020 eliminiert also in der beruflichen Vorsorge eine Reihe von Benachteiligungen der Frauen, so das BSV.

Leistungen für Witwen mit Unterstützungspflichten werden reduziert

Die Witwenrenten der AHV werden zielgerichtet nur noch jenen Frauen ausgerichtet, die beim Tod des Mannes Kinder haben, die eine Waisenrente erhalten oder pflegebedürftig sind. Nach einer Übergangsfrist von zehn Jahren erhalten Witwen, die diese Bedingungen nicht erfüllen, keine Witwenrenten der AHV mehr. Für Frauen über 50 ist eine Sonderregelung vorgesehen, bereits bestehende Witwenrenten werden nicht aufgehoben.

Witwenrenten für kinderlose Frauen sind ein Überbleibsel des gesellschaftlich überholten «Ernährermodells», bei dem der Mann erwerbstätig ist und für den finanziellen Unterhalt der Familie sorgt, die Frau hingegen die Erwerbsarbeit aufgibt und für den Haushalt sorgt. Heute kann den kinderlosen Frauen eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden. Wenn sie freiwillig darauf verzichten, soll darum nicht die Allgemeinheit ihr Risiko des «Ernährerausfalls» tragen müssen.

Für die Frauen ist es sowieso besser, ihre soziale Absicherung direkt über eine eigene Erwerbstätigkeit zu begründen als bloss indirekt über einen Ehegatten oder über eine eingeschriebene Partnerschaft. So erwerben sie sich auch eigene Leistungsansprüche in den anderen Sozialversicherungen, insbesondere in der beruflichen Vorsorge, was zu einer besseren Altersvorsorge führt, wie das BSV betont.

Zugang zur 2. Säule wird verbessert

Die Eintrittsschwelle der obligatorischen beruflichen Vorsorge wird um einen Drittel gesenkt, von heute rund 21 000 auf rund 14 000 Franken. Damit werden Personen mit kleinen Löhnen oder mit mehreren kleineren Arbeitspensen besser geschützt. Davon profitieren vor allem Frauen. Die Verbesserung erfüllt denn auch eine langjährige Forderung von Frauenorganisationen. Weil die Eintrittsschwelle sinkt und gleichzeitig der Koordinationsabzug aufgehoben wird, beträgt das versicherte Einkommen in der beruflichen Vorsorge mindestens 14 000 Franken.

Personen mit tiefen Einkommen erhalten dadurch neue oder höhere eigene Ansprüche, und zwar nicht nur bei den Altersrenten, sondern auch was den Versicherungsschutz bei Tod und Invalidität betrifft. Das verbessert beispielsweise die Situation von Frauen und Männern, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung reduzieren. Diese müssen dafür zwar Beiträge bezahlen, kommen dafür aber auch in Genuss von Beiträgen ihrer Arbeitgeber.

Für den Vorbezug der AHV-Rente gibt es Sonderregelungen

Bei Personen, welche die AHV vor dem Referenzalter 65 beziehen, werden die Renten weniger stark gekürzt, wenn sie tiefe Einkommen hatten und lange erwerbstätig waren. Diese Massnahme kommt pro Jahr rund 5 000 Personen zugute, drei Viertel davon Frauen, für die eine vorzeitige Pensionierung mit ordentlichen Kürzungssätzen finanziell ausser Reichweite liegen würde.

Erstens werden neu die sogenannten Jugendjahre bei der Berechnung der Rente berücksichtigt. Diese Beiträge, die mit 18, 19 und 20 Jahren geleistet wurden, können heute bei der Rentenberechnung nur zur Beseitigung von Beitragslücken bis zum Rentenbezug berücksichtigt werden. Neu können mit ihnen auch Beitragslücken aufgefüllt werden, die erst durch den Rentenvorbezug entstehen. Je tiefer das massgebliche Einkommen, desto mehr Jugendjahre können angerechnet werden. Zweitens wird der versicherungstechnische Abzug beim Vorbezug gemildert. Damit wird berücksichtigt, dass diese Personen im Durchschnitt weniger lang leben, die Rente also weniger lang beziehen.

Hinterlassene mit mehreren Kindern werden besser gestellt

Die Renten der AHV für Witwen und Witwer werden von heute 80% auf 60% der AHV-Altersrente reduziert, im Gegenzug werden dafür die Waisenrenten von 40% auf 50% erhöht. Für Haushalte mit mehr als zwei Kindern bedeutet das gegenüber heute eine Erhöhung der verfügbaren Renteneinkommen.

Geschiedene Witwen werden besser gestellt

Ausserhalb der Reform Altersvorsorge 2020 ist eine weitere Verbesserung für Frauen in Vorbereitung: Die Vorsorgeansprüche zwischen den Ehegatten sollen auch dann geteilt werden, wenn bei der Scheidung bereits eine Rente fliesst. Diese Aufteilung soll – auch beim Tod des Versicherten – nicht mehr verändert werden. Dies verbessert die Situation der Frauen, die meist weniger Vorsorge aufgebaut haben als ihre Gatten.

In der AHV kommt es zu einer Umverteilung zugunsten der Frauen

In der AHV findet eine Umverteilung von Männern zu Frauen statt. Trotz tieferen Einkommen sind die Altersrenten der Frauen im Durchschnitt etwa gleich hoch wie diejenigen der Männer. Das ist hauptsächlich auf das Splitting, die Erziehungsgutschriften und die Rentenformel zurückzuführen. Bei der Umverteilung spielt aber auch die längere Rentenbezugsdauer der Frauen eine grosse Rolle. Das Ausmass der Umverteilung ist erheblich, wie die AHV-Statistik zeigt: Auf der einen Seite bezahlen die Frauen lediglich 33% der Beiträge an die AHV, die Männer hingegen 67%. Auf der anderen Seite beziehen jedoch die Frauen 57% der Leistungen, die Männer nur 43%.

Keine Benachteiligung der Frauen in der beruflichen Vorsorge

Die Renten der Frauen aus der beruflichen Vorsorge sind heute zwar im Durchschnitt kleiner als jene der Männer. Dieser Umstand deutet jedoch nicht darauf hin, dass die berufliche Vorsorge die Frauen benachteiligt, abgesehen von der bereits erwähnten Auswirkung des tieferen Rentenalters, sondern er spiegelt die unterschiedliche Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern in der Vergangenheit.

Es ist ein Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen die heutige Rentnergeneration gelebt hat. Die meisten der heutigen Rentnerinnen haben in einem Umfeld gelebt, in dem es normal war, dass Frauen weniger gut ausgebildet wurden und nach der Heirat keine oder nur eine geringe Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Andererseits haben Frauen dieser Generation heute häufig Rentenansprüche, die sie nicht mit einer eigenen Erwerbstätigkeit, sondern durch Heirat begründet haben, nämlich Witwenrenten. 94% der Bezügerinnen von Ehegattenrenten der zweiten Säule sind Frauen. Sie beziehen 96% dieser Leistungen.

Hinzu kommt, dass ein Vergleich der Rentenleistungen die tatsächlichen Verhältnisse nicht korrekt abbildet, sondern überzeichnet, so das BSV weiter. Ein Teil der Leistungen, die Frauen aus der beruflichen Vorsorge bezogen haben, bleibt damit nämlich verborgen. Bis 1995 durften Frauen, die bei Heirat die Erwerbsarbeit aufgegeben haben, die Barauszahlung ihrer Ansprüche verlangen. Diese Mittel sind aus dem System der beruflichen Vorsorge abgeflossen. Zudem haben viele Frauen in der beruflichen Vorsorge einen Anspruch auf Kapitalleistungen statt auf Renten, weil sie nach der Aufgabe oder einer Reduktion der Erwerbstätigkeit nicht wieder in eine Pensionskasse eingetreten sind.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Lohngleichheit sind wesentlich

Alle diese Effekte haben sich auf die heutigen Rentenleistungen ausgewirkt, dürfen jedoch bei einer Reform der Altersvorsorge für das nächste Jahrzehnt keine Rolle spielen. Bessere Leistungen aus der beruflichen Vorsorge bedingen eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Lohngleichheit spielen dabei eine wesentliche Rolle. Entsprechende Anstrengungen sind in Gang: Am 26. September 2014 hat das Parlament die Anstossfinanzierung für die familienergänzende Kinderbetreuung bis 2019 verlängert, und am 22. Oktober 2014 hat der Bundesrat Massnahmen gegen die Lohndiskriminierung in Auftrag gegeben. Auch die Senkung der Eintrittsschwelle, die der Bundesrat in der Reform Altersvorsorge 2020 vorgeschlagen hat, verbessert die Vorsorge von teilzeitbeschäftigten Personen erheblich. Der grösste Teil davon sind Frauen. 

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