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«Als junge Frau weiss ich nicht, was aus meiner Rente wird»

Samstag, 15.07.2017

Einige junge Menschen Ende 20 wünschen sich eine radikale Rentenreform, etwa das Pensionierungsalter automatisch an die Lebenserwartung zu koppeln. Einen AHV-Ausbau, wie in der aktuellen Reformvorlage vorgesehen, lehnen viele ab.

Salomè Vogt (29) von Avenir Jeunesse erklärt in einem Interview mit «20 Minuten», weshalb sich die Schweiz den geplanten AHV-Ausbau nicht leisten kann. Sie bevorzugt eine radikalere Reform, bei der das Rentenalter beispielsweise automatisch an die Lebenserwartung gekoppelt wird. Die Alterung der Bevölkerung, ebenso wie die Lage an den Finanzmärkten, oder die Pensionierung der Babyboomer-Generation, würden es nötig machen, das System umzukrempeln. Eine Reform sollte ihrer Meinung nach bewirken, dass alle, die in Rente gehen, ein sicheres Einkommen haben – ihre Generation inklusive. Bei aller Solidarität gegenüber den Älteren, so könne es sich die Schweiz in der aktuellen Situation schlicht nicht leisten, die AHV noch auszubauen. Avenir Jeunesse gebe zwar keine Abstimmungsempfehlung heraus, doch werde mit einem Nein der Druck geschaffen, der eine weitsichtigere Reform, die auch die Anliegen der Jungen besser berücksichtige, begünstige.

Es braucht bessere Lösungen

Die Reform sichere vielleicht die Renten für das kommende Jahrzehnt, doch was dann? Sie, als noch junge Frau, wisse nicht, was mit ihrer Rente passieren werde. Die Reform bedeute für die junge Generation weiterhin Ungewissheit, da es sich nur um eine Übergangslösung handle. Es wäre schön zu wissen, dass auch sie irgendwann noch etwas zurückbekomme. Die Reform löse die strukturellen Probleme der Altersvorsorge nicht. Es brauche bessere Lösungen, die der Alterung der Bevölkerung und dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen würden.

Umwandlungssatz sollte an Lebenserwartung und Zinsniveau gekoppelt sein

Es sei schon schön, dass man immer älter werde, und mit knapp 30 immer noch jung sei. Dass Politiker darüber streiten würden, ob das Pensionsalter erhöht oder der Umwandlungssatz bei der Pensionskasse gesenkt werden sollten, sei unnötig. Letztlich sei es logisch, dass man länger arbeiten müssen. Das Referenzalter solle darum automatisch mit der Lebenserwartung steigen. Genauso solle der Umwandlungssatz in der 2. Säule an die Lebenserwartung und das aktuelle Zinsniveau gekoppelt sein.

Bei bestimmten Tätigkeiten ist eine frühere Pensionierung legitim

Salomè Vogt ist bereits darauf eingestellt, dass sie länger als bis 65 arbeiten muss. Auch sei der Stellenwert der Arbeit in der Schweiz besonders gross. Viele wollten vielleicht auch länger sinnstiftende Aufgaben erledigen. Was mache man sonst noch 30 Jahre lang?

Wichtig sei, dass die Pension flexibel ist, und sich auch nach dem Gesundheitszustand ausrichte. Es werde natürlich auch weiterhin bestimmte Tätigkeiten geben, bei denen eine frühere Pensionierung legitim sei.

Alle Bürger müssen einen Beitrag leisten

Auf die Frage, wie man den vielen älteren Stimmbürgern begegnen sollte, die kaum für ein höheres Rentenalter stimmen würden, entgegnet Salomè Vogt, dass sie die Jungen an die Urnen rufe, und auch dazu, die Unterlagen sorgfältig zu studieren. Ausserdem hoffe sie, dass die ältere Generation auch an die Enkel denke. Man sollte die Generationen aber nicht gegeneinander ausspielen; alle müssten ihren Beitrag leisten.

Umwandlungssatz sollte entpolitisiert werden

Für Bundesrat Alain Berset ist die Reform der Altersvorsorge dringend notwendig. In der beruflichen Vorsorge findet wegen der tiefen Renditen laut Berset eine «unglaubliche, schlechte, illegale Umverteilung» zwischen der aktiven Generation und den Rentnern statt. Das belaste insbesondere die jüngere Generation.

Salomè Vogt findet, dass angesichts des Systemfehlers in der 2. Säule der Umwandlungssatz entpolitisiert, sprich automatisch an die steigende Lebenserwartung angepasst werden sollte. Dem würde Herr Bundesrat Berset aber kaum zustimmen, wie sie glaubt.

Die 2. Säule funktioniert – anders als die 1. Säule – nach dem Kapitaldeckungsverfahren: Während der Erwerbszeit wird Geld für die eigene Pension angespart und angelegt. Die Rentner sollten ihr eigenes Altersguthaben nicht überziehen. Das gelingt wegen der Situation an den Kapitalmärkten und der steigenden Lebenserwartungen jedoch nicht mehr. So müssen die Pensionskassen die letzten fünf Lebensjahre im Durchschnitt auf Kosten der Aktiven bezahlen. Dies widerspricht dem Sinn und Geist der beruflichen Vorsorge.

Die Generationen Y und Z sind nicht unpolitisch

Viele Themen, mit denen sich auch Junge auseinandersetzen, sind laut Salomè Vogt in irgendeiner Form politisch. Die Zuschreibungen, mit denen man Junge heute versehe, nerven sie ohnehin. Die Rede ist von der «Generation Praktikum» oder der «Generation Maybe». Man könne doch nicht alle in einen Topf werfen. Klar sei, dass sich ihre Generation vielen Herausforderungen gegenübersehe – von der Digitalisierung bis zu neuen Arbeitsformen. Solche Dinge beträfen Junge vielleicht unmittelbarer als die Rentenreform. Man könne sich auch nicht für alles gleichstark interessieren.

Viele Themen können heute parteiübergreifend angegangen werden

Salomè Vogt erinnert an Emmanuel Macron oder die Operation Libero in der Schweiz, welche zeigen würden, dass sich viele Junge durch die traditionellen Parteien nur schlecht vertreten fühlten. Die Fragen seien heute so komplex, dass selten nur eine Partei die richtige Antwort habe. Viele Themen könnten parteiübergreifend angegangen werden – ohne dass man sich einer Parteidoktrin unterwerfen müsse.

Dieser Beitrag ist am 11. Juli 2017 in der Printausgabe von «20Minuten» und online erschienen. Autor ist Salomè Vogt. Sie ist Leiterin von Avenir Jeunesse und arbeitet seit Mai 2014 bei Avenir Suisse.

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